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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

unter der Aegide Berthold Auerbach’s und Friedrich Kapp’s erschienen und dem deutschen Publicum geboten worden. Sie wird unzweifelhaft dazu beitragen, den Ruhm des großen amerikanischen Staatsmannes und Erfinders noch zu vermehren, aber sie giebt uns auch Veranlassung, das Gedächtniß an jenen Mann aufzufrischen der die Erfindung des Blitzableiters in Europa gleichzeitig mit Franklin oder wahrscheinlich noch früher gemacht hat, und dem die Ehre der Erfindung nicht minder zukommt, da sie ihm nicht durch Zufall und Glück, sondern als reife Frucht langjähriger Studien und unermüdlichen Forschens in den Schooß fiel. Franklin fand in seinen Landsleuten ein empfängliches Publicum, in Nordamerika einen dankbaren Boden für seine Bestrebungen. Nicht so Diwisch, dessen Leistungen fast spurlos verschwunden sind.

Wer kennt heutzutage den Namen Diwisch? – Kein Conversationslexicon nennt ihn, und doch ist kaum ein Jahrhundert verstrichen, seit man den Träger dieses Namens mit den unsterblichen Göttern verglich in dem Distichon:

„Non laudate Jovem, gentes!
Quid vester Apollo?
Iste magis Deus est fulminis atque soni.“

(„Was rühmt Jupiter ihr ? was prahlet ihr noch mit Apollo? Er ist der größere Gott des Blitzes sowohl, als der Töne.“)


Die Behauptung, daß Diwisch schon vor Franklin einen Blitzableiter errichtet habe, ist keineswegs neu; sie läßt sich bereits im Jahre 1777 bei den böhmischen Historiographen Franz Martin Pelzel nachweisen. Daß Diwisch das Mögliche gethan, seine Erfindung und seine Erfahrungen dem allgemeinen Besten zugänglich zu machen, möge eine Skizze seines Lebens zeigen, welche in der Hauptsache den Aufzeichnungen eben jenes Pelzel zu verdanken ist.

Procop Diwisch.

In der östliche Ecke Böhmens, im Königsgrätzer Kreise, liegt das Städtchen Senftenberg, böhmisch Ziamberg genannt, wo Procopius Diwisch am 1. August 1696 geboren wurde. Er empfing auf dem Jesuiten-Gymnasium zu Znaim in Mähren seine Ausbildung, und diese an der Südgrenze der Markgrafschaft Mähren, hoch über dem Ufer der waldumrauschten und weinumrankten Thaja gelegene Stadt blieb der Mittelpunkt für sein ganzes ferneres Leben und hat sicher durch seine Lage nicht wenig Einfluß auf die Neigung und das Studium des Jünglings geübt. Die heftigen Gewitter, die sich gerade in dieser Gegend und namentlich an der hochgelegenen Kreuzherren-Ordenspropstei Pöltenberg angesichts der Stadt brechen und entladen, müssen auch auf ihn Eindruck gemacht haben, und der Gedanke liegt nahe, daß sie ihm frühzeitig Veranlassung wurden, sich mit dem Wesen des Blitzes zu beschäftigen.

Wenige Minuten südöstlich von Znaim, dort, wo die große Reichsstraße von Prag nach Wien die Thaja überschreitet, liegen die palastartigen Gebäude des ehemaligen Prämonstratenser-Klosters Bruck. Dieses Stift war mit allen Hülfsmitteln der Gelehrsamkeit durch die der Wissenschaft vielfach förderliche Prämonstratenser reichlich ausgestattet worden. Hier fand der junge Diwisch, nach dem Austritte aus dem Gymnasium Aufnahme und später Ermunterung und Erlaubniß zum Eintritt in den Orden, legte 1720 die ersten Gelübde ab und wurde nach abermals sechs Jahren zum Priester geweiht.

Aus dem Schüler ward schnell ein tüchtiger Lehrer, man übertrug ihm das Lehramt der naturwissenschaftlichen und philosophischen Fächer. Nach Ablauf eines Jahres erhielt Diwisch den Auftrag, Theologie zu dociren, und auch diese Aufgabe erfüllte er so sehr zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, daß man ihm rieth, sich durch Erwerbung der Doctorwürde für höhere Ehrenstellen vorzubereiten. Und wirklich ward er auf Grund seiner Dissertation „Tractus de Dei unitate sub inscriptione A et O“ zu Salzburg am 5. August 1733 mit dem Doctorhute geschmückt.

Wie all die reichen Klöster, besaß auch die Abtei Bruck eine Anzahl Dörfer, in welchen sie die Seelsorge wahrzunehmen hatte. Die Ordensgeistlichen wurden daher einer nach dem andern für gewisse Zeit zur Verrichtung der geistlichen Amtsgeschäfte in die Pfarreien eingesetzt, und auch unsern Diwisch traf das Loos. Er erhielt die Pfarrstelle zu Brenditz. Nachdem er eine Zeitlang während des ersten schlesischen Krieges die Verwaltung des nahen Klosters Bruck, dessen Prior von Friedrich dem Großen in Haft genommen worden, in dieser schwierigen Kriegslage glücklich geführt hatte, kehrte er zu der liebgewordenen Pfarre zurück. Er hat dieselbe bis zu seinem Tode innegehabt.

Die Pflichten eines Seelsorgers sind in dem kleinen Orte nicht beschwerlich, und so konnte Diwisch bei seinem bewundernswerthen Eifer in langen Jahren die vielseitigsten und eingehendsten Forschungen vornehmen. Man weiß, daß er schon im Jahre 1727 oder 1728 selbstständig experimentirte, daß er sich seit 1740, das ist seit seiner Zurückgezogenheit in Brenditz speciell mit der Erforschung der Elektricität beschäftigt hat, und man muß annehmen, daß er an gründlicher Kenntniß auf diesem Gebiete die meisten Zeitgenossen überragte. Dafür spricht auch, daß Kaiser Franz der Erste, der Gemahl der Maria Theresia, Diwisch nach Wien einlud. 1750 veranlaßte ihn der gelehrte Jesuitenpater Franz, seinen Experimenten mit der Elektrisirmaschine beizuwohnen, und wirklich erregte die Kunst des Paters das Interesse seiner Zuschauer, da er es vermochte, förmliche Ströme von Feuer aus verschiedenen Gegenständen zu locken. Plötzlich wurden die Experimente durch eine geheimnißvolle Einwirkung unseres Diwisch unterbrochen, und Pater Franz war nicht mehr im Stande, seinen Conductoren auch nur den kleinsten Funken zu entlocken. Diwisch hatte sich auf die Experimente wohl vorbereitet und in die Stirnhaare seiner Perrücke zahlreiche sehr spitzige stählerne Stifte verborgen, welche er den geladenen Körpern entgegenhielt, indem er sich den Anschein gab, als wolle er die Apparate aufmerksam betrachten. Der Jesuit war geschlagen.

Die Aehnlichkeit des electrischen Funkens mit dem Blitze war für Diwisch unzweifelhaft. Versuche, wie der vorstehende, mußten ihn auf den Gedanken bringen, ob das Experiment nicht auch dem Himmel gegenüber ausführbar sei, aber er hatte nicht die Absicht, wie es später Franklin that, einen einzelnen zufällig niedergehenden Blitz aufzufangen, sondern er trug sich mit der weit umfassenderen und später (ohne Erfolg) in den vermeintlichen Hagelableitern nachgeahmten Idee, ein ganzes herannahendes Gewitter im freien Felde, wo es keinen Schaden anrichten könnte, förmlich aufzulösen. Verweilen wir einen Augenblick bei den Grundbedingungen, welche für die Wirksamkeit von Wetterstangen in Betracht kommen!

Die freie Elektricität hat wie ein Gas, dessen Theilchen sich gegenseitig abstoßen, das Bestreben, den Körper, auf dem sie sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_625.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)