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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

seine Echtheit in Frage stellte, nicht auf die Einwohner des Alten Hofes?

Die Mönche des Klosters Chorin trugen den Mantel auf beiden Schultern. Die Altenhofer würden mehr der Wahrheit die Ehre gegeben haben. Oder siegte auch hier in der Brust des Heimgekehrten, der ja in früheren Jahren die Mark zu so großem und hohem Ansehen gebracht hatte, wie kein Fürst aus dem Hause der Askanier vor ihm - die Liebe zum Vaterlande, die ihn heimgeführt hatte, um das Elend desselben zu beseitigen, über das eigene Interesse, das eigene Ansehen, selbst über die eigene Ehre, sodaß er lieber die Schmach, als ein Betrüger zu gelten, auf sich nahm, als er sah, daß sein Abtreten die Noth des Landes eher mindern würde, als sein Verweilen? Waldemar war in seiner Jugend ein romantisch-hochherziger Charakter. Er trat, wie die Geschichte es verzeichnet hat, freiwillig ab. Er entsagte der Mark und entband seine Unterthanen ihres Eides. Still und unangefochten ist er zu Dessau gestorben. Spricht auch dieses nicht für die Echtheit des Heimgekehrten? Johann von Buch aber, der sich ganz dem Baier zugewendet hatte, sagte, als er die Worte vernahm: „Er ist größer im Scheiden als im Kommen – und im Entsagen herzgewinnender als im Fordern. Wer ihn für den Rechten hält, muß ihn bewundern und achten, und wer das Gegentheil glaubt, wird ihm Beides auch nicht versagen können.“

Schloß Werbellin ist längst gefallen. Der Ort, wo es gestanden, heißt bis auf den heutigen Tag noch der Schloßberg. Die Linde, die damals an der Grundmauer gestanden, ist längst dahin, aber aus der Wurzel sprossen noch heut junge Schößlinge auf. Man hat von dem Berge aus eine köstliche Aussicht über den ein und eine halbe Meile langen, meist achtunddreißig Meter

Der Werbellin-See.
Nach der Natur aufgenommen von Wilhelm Claudius.[WS 1]

tiefen See, in dessen Fluthen sich die waldbestandenen bergigen Ufer spiegeln.

Jetzt hat, wie verlautet, Prinz Karl von Preußen den Schloßberg gekauft. Wird auf demselben ein neues Schloß entstehen? Soll auch nach dieser Richtung hin die Zeit des so lange Verkannten zu neuen Ehren gebracht werden, die Erinnerung eine Rose auf ein überwuchertes Grab legen?

Der Schimmer der Romantik liegt über der Zeit der Askanier, ihre Burgen und Schlösser sind zerfallen - aber die Sage lebt fort.

Wie ein Gottesauge glänzet,
D’rüber dunkle Brauen glüh’n,
Liegt, von Berg und Wald umkränzet,
Märchenhaft der Werbellin.

Und das Nebelkind, die Sage,
Schmücket ihn mit Blüth’ und Kranz
Längstvergess’ne schöne Tage
Steigen auf in vollem Glanz.

Aus der Fluth, in Abendfeier,
Schwimmt ein Schifflein sonder Eil’,
Braungelockten Haar’s am Steuer
Lehnet Otto mit dem Pfeil.

Heilwig, seines Herzens Minne,
Schaut ihn blauen Auges an,
Und es geht ihm durch die Sinne,
Was sie einst für ihn gethan;

Wie sie ihn aus Haft und Banden
Jüngst befreit durch Muth und List,
Fürst und Held er seinen Landen,
Dichter ihr geworden ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Otto Vollrath (korrigiert nach: Berichtigung, Heft 41, Seite 688). Von Otto Vollrath stammt der Holzschnitt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 641. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_641.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)