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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Bartolph:

„Herr, auf ein Wörtchen! – (Beiseit) Von Schimmelig und Bullenkalb hab’ ich drei Pfund, um sie loszulassen.“

Und Falstaff:

„Genug, gut! – – Lebt wohl, Ihr herrlichen Herren! – Vorwärts, Bartolph, marschire mit den Leuten ab!“

Unser zweites Bild führt uns in eine Straße Londons, wo (in der zweiten Scene des ersten Aufzugs von „Heinrich der Vierte“, zweiter Theil) Falstaff mit einem Pagen aufritt, der ihm Degen und Schild trägt. – Ueber das Größen-Verhältniß Beider spricht sich Falstaff so aus:

Da wand’re ich hier vor Dir her, wie ein Mutterschwein, das seinen ganzen Wurf aufgefressen hat bis auf eins. Ich will nicht meine Sinne beisammen haben, wenn Dich der Prinz in einer anderen Absicht bei mir in Dienst gab, als um recht abzustechen gegen mich. Du verwittertes Alräunchen, es wäre passender, ich steckte Dich an meine Mütze, als daß Du hinter meinen Fersen hertrippelst. Ich – – gedenke Dich Deinem Herrn wieder zuzuschicken, Dich Juwelchen dem Jüngelchen, dem Prinzen, dessen Kinn noch nicht flügge geworden. Ich sehe mir eher einen Bart aus der flachen Hand wachsen, als er einen auf die Backe kriegt, und doch hat er die Keckheit zu sagen, sein Gesicht sei ein Königskronengesicht. Nun, Gott kann’s fertig machen, wenn’s ihm beliebt etc. etc. –

Endlich kam die Zeit, wo dem Heinz doch der Bart gewachsen und das Königskronengesicht fertig war. Da kam der tragikomische Schluß der Herrlichkeit des alten Hans. Vergeblich rief er dem gekrönt einziehenden König Heinrich in alter traulicher Weise zu:

„Heil Dir, mein Heinz! Mein königlicher Heinz!
Gott schirm’ Dich, Herzensjunge!
Mein Herr! mein Zeus! Dich ruf ich an, mein Heinz!“

Der König aber sprach:

„Ich kenne Dich nicht, alter Mann! Geh’ beten!
Wie schlecht steht Possenreißern weißes Haar! – – –
Gieb auf Dein wüstes Schlemmerleben! Wisse,
Das Grab gähnt dreimal weiter Dir als Andern.
Antworte nicht mit einem Narrenscherz
Und denke nicht, ich sei, was ich gewesen!“ – –

Der alte Camerad wird aus zehn Meilen im Umkreis von London verbannt und mit seinen Gesellen auf so lange Zeit eingesperrt –

„Bis sie in Red’ und Handeln vor der Welt
Sich weiser und geziemender benehmen.“

Welche Zumuthung für einen Sir John Falstaff! Er sollte sich bessern, anders werden. – Shakespeare selbst konnte nicht an die Möglichkeit solcher Wandlung seines alten John glauben, und darum erlöste er ihn von dem unbilligen Zwang und versetzte ihn, kraft der poetischen Gerechtigkeit, nach Windsor, wo er mit den lustigen Weibern fortlebt – für alle Zeiten.

F. H.



Für den Journaltisch des Hauses. Zu der literarischen Hinterlassenschaft Ernst Keil’s und zu den Unternehmungen, denen er seinen thatkräftigen Schutz und eine besondere Fürsorge angedeihen ließ, gehört auch die Zeitschrift „Europa“. Zwar hat er dieses Blatt nicht begründet und auch an der Redaction desselben nicht speciell sich betheiligt, ihm aber andauernd und in der alleruneigenützigsten Weise Bestand, freie Bewegung und Fortgang gesichert, seitdem er es vor länger als zwölf Jahren aus drohendem Schiffbruch gerettet und in die Reihe seiner Verlagsartikel gestellt. Unter der vortrefflichen Redaction Friedrich Steger’s, und nach dem leider vorzeitigen Tode dieses rüstigen Publicisten unter der fleißigen geschmack- und umsichtsvollen Leitung Hermann Kleinsteuber’s hat denn auch die „Europa“ immer mehr der ihr von ihrem Verleger gegebenen Bestimmung entsprochen: ein sogenanntes literarisch-kritisches Journal nicht blos für Literaten und Gelehrte, sondern zugleich auch für möglichst weite Kreise der gebildeteren, geistig angeregten und bildungsbedürftigen Laienwelt zu sein. Wenn dies jetzt auch die Feuilletons der politischen Zeitungen leisten wollen, so reichen sie doch wegen der Beschränktheit ihres Raumes und ihrer meistens unmethodischen Art für alle Diejenigen nicht aus, denen es um einen regelmäßigen und lebendigeren Zusammenhang mit dem allgemeinen Culturgang und um eine vollständige und rechtzeitige Kenntniß seiner vielseitigen Ereignisse und Erscheinungen zu thun ist. Wer in dieser Hinsicht stets auf dem Laufenden erhalten und möglichst lückenlos unterrichtet sein will, dem muß dafür ein eigens zu diesem Zwecke hergestelltes Organ geboten sein. Das ist die Aufgabe, welche die „Europa“ sich gestellt hat und die sie bisher mit so viel Geschick und Emsigkeit zu lösen suchte, daß sie weit und breit in Deutschland einem zahlreichen Stamme treuer Leser eine unentbehrliche Lectüre geworden ist und namentlich vielen Freunden der „Gartenlaube“ als eine willkommene Ergänzung von Specialitäten gilt, welche diese, ihrer volksthümlichen Tedenz gemäß, von ihrem Programm ausschließen muß. Trotzdem wissen Manche, die eine solche Gabe zu schätzen wüßten, von der Existenz derselben noch nichts, und darum erscheint es uns als eine Pflicht, daß hier einmal ausdrücklich an das Vorhandensein, und ungestörte Forterscheinen dieser achtungswerthen Leistung erinnert werde.

Auf drei Bogen oder achtundvierzig Spalten bietet die „Europa“ in jeder Woche einen ungemein reichen und mannigfaltigen Inhalt. In Originalartikeln, sowie vielfach in sorgfältig gewählten und gut verarbeiteten Auszügen aus neuen Werken, auf welche dadurch zugleich die Aufmerksamkeit gelenkt werden soll, bietet der erste Haupttheil der Zeitschrift eine ganze Reihe von mehr oder weniger ausführlichen Schilderungen und Darlegungen aus allen Gebieten der Wissenschaft, der Kunst und des öffentlichen Lebens, besonders der Geschichte und Naturbeschreibung, der Länder- und Völkerkunde, der Literatur-, Cultur- und Sittengeschichte, dies Alles meist im Hinblicke auf die Zeitströmungen und immer in ansprechend-eleganten und anregend-unterhaltenden Formen. Der fernere Raum ist sodann der in der literarischen Welt hinlänglich bekannten „Europa-Chronik“ gewidmet, die unter den vier Rubriken „Literatur“, „Bildende Kunst“, „Musik“ und „Theater“ stets eine Fülle von Mittheilungen über die neuesten Erscheinungen und Vorgänge auf allen diesen Gebieten nebst kritischen Besprechungen des Geleisteten in wohlgeordneter Uebersicht vorüberführt. Namhafte Mitarbeiter wenden dem einen wie dem anderen Theile regelmäßig eine fleißige Thätigkeit zu, und man braucht nur einige Nummern anzusehen, um sich zu überzeugen, daß dieses Ganze mit derartiger Promptheit nur an einem Mittelpunkte des Buchhandels und literarische Verkehrs geschaffen werden kann, wie es Leipzig ist.

Daß es bei einem solchen Unternehmen nicht aus Erzielung geschäftlichen Gewinnes abgesehen ist, wird jeder irgend Sachkundige leicht ermessen können. Freilich kann aber auch bei dem erforderlichen Umfange des Blattes und der Begrenztheit seines Absatzes der Abonnementspreis kein so geringer sein, wie die auf große Kreise berechneten Blätter ihn zu stellen vermögen. Wo jedoch dieser Umstand hinderlich ist, da können doch Minderbemittelte zu einem gemeinsamen Abonnement sich vereinigen, wie dies in der That schon hier und dort geschieht.

Zur Sache sei schließlich noch Folgendes bemerkt: Unstreitig ist das Publicum berechtigt, eine Hinweisung auf Bestrebungen zu fordern, die seinem geistigen Bedürfniß entgegenkommen. Ebenso unbedingt aber hat das Publicum auch die Pflicht, diesen seinen Bildungsinteresse, seinem edleren Nutzen und Genuß dienenden Bestrebungen nicht fern und fremd zu bleiben, sondern ihnen durch ermunternde Theilnahme einen fortschreitenden Aufschwung zu erleichtern. Neben andern beliebten Journalen sollte auch ein gemeinverständliches literarisches Blatt wie die „Europa“ auf allen Lesetischen gebildeter deutscher Familien zu finden sein und zwar auch als Geistesnahrung für Frauen und Töchter.



Ein patentirtes Perpetuum mobile. Dem rechtschaffenen Physiker und Mechaniker, der darauf schwört, daß eine Kraft ebenso wenig aus Nichts erzeugt, wie in Nichts verwandelt werden kann, geht jedesmal ein gelindes Grauen an, wenn er hört, daß da und da wieder Jemand, der von den Kraftgesetzen nichts versteht, ein sogenanntes Perpetuum mobile erfunden haben will. Bis jetzt hat uns unsere Erfahrung nur mit einem einzigen Perpetuum mobile bekannt gemacht, das ist die Welt selbst, mit ihre immer kreisenden Weltkörpern und ihren Wärmeprocessen, welche Luft, Wasser und Erde in Bewegung bringen, aber auch diesem anscheinenden Perpetuum mobile wollen die modernen Physiker keine ewige Dauer zugestehen. Indessen sind Andere entgegengesetzter Meinung, und so lange diese Streitfrage nicht ausgetragen ist, dürfen wir wohl den Kosmos als solches betrachten. Die reelleren Perpetuum mobile Fabrikanten sind daher diejenigen, welche es versuchen, an diesem gewaltigen Gehwerk ihr kleines anzukoppeln und es von ihm treiben zu lassen, bis an’s Ende der Dinge. In diesem Sinne ist jede Wassermühle, deren Strombett immer Wasser hat, die Tommasi’sche Ebbe- und Fluthmaschine, so jedes Barometer und Thermometer ein Perpetuum mobile. In demselben Sinne hatte es auch der altberühmte Bürgermeister von Magdeburg, Otto von Guericke, verstanden, als er die Figur, die auf der Quecksilberkuppe seines Barometers auf- und niederstieg und mit ihrem Prophetenstabe das Wetter auf einer daneben befestigten Scala bezeichnete, Meister Immermobil (Perpetuum mobile) oder Semper vivum taufte. Diesem ersten Wetterglas oder Guericke’schen Perpetuum mobile in der Idee ähnlich ist das unter Nr. 1696 vom kaiserlichen Patentamte in Berlin kürzlich registrirte Perpetuum mobile des Herrn Gustav Riedel in Havelberg beschaffen. Jedes Thermometer führt bekanntlich jahraus jahrein innerhalb vierundzwanzig Stunden, von den kleineren Schwankungen abgesehen, eine ansehnliche Bewegung aus, und wenn man den Quecksilberbehälter sehr groß, und das Steigerohr verhältnißmäßig enge sein läßt, so wird die Niveauveränderung des Quecksilbers durch die Temperaturschwankungen groß genug, um eine kleine Maschinerie im Gange zu halten. Der Genannte hat nun eine geistreiche Einrichtung erdacht, um diese Bewegung im Thermometerrohr zur Spannung einer Feder zu benutzen, die eine Uhr oder ein anderes Gehwerk treiben kann, so lange die Sonne fortfährt, des Morgens auf- und des Abends unterzugehen. Man könnte auf diese Weise Thurmuhren herstellen, die niemals aufgezogen zu werden brauchen, oder vielmehr von der Sonne aufgezogen werden. Obwohl nun, wie wir sahen, der Name eines Perpetuum mobile für die durch die kosmischen Einflüsse verursachten Bewegungen des Quecksilbers in einer Röhre eine gewisse historische Berechtigung hat, so konnte das kaiserliche Patentamt selbstverständlich seine Unterstützung nicht dem Wahne leihen, als ob hier wirklich ein Perpetuum mobile erfunden sei oder jemals erfunden werden könnte, und hat der hübschen Erfindung den Namen eines „Thermometrischen Aufziehwerkes“ beigelegt.




Kleiner Briefkasten.

J. B. F. in München. Beileibe nicht! Das Mittel gehört zu den ärgsten Auswüchsen modernen Humbugs. Einen ausführlichen Artikel über den Gegenstand werden Sie in einer der nächsten Nummern finden.

C. R. jur. in Hagen. Wir können Ihnen eine Aufklärung aus der Feder einer Autorität zukommen lassen. Zuvor ist aber die Angabe Ihrer vollen Adresse nöthig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_668.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)