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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

ähnlich besitzt. Petermann’s Studirstube enthielt die reichste Sammlung seltener, oft gar nicht käuflicher Kartenwerke, zahlreiche handschriftliche Skizzen und Entwürfe, die ihm von Behörden, Autoren und Reisenden überlassen waren. So enthielt die Sammlung beispielsweise das kartographische Material über Australien in einer Vollständigkeit, wie sie kaum in amtlichen englischen Sammlungen zum zweiten Male angetroffen werden dürfte.

August Petermann wurde am 18. April 1822 in Bleicherode bei Nordhausen am Harz geboren. Die Vermögensverhälnisse des Vaters, eines untergeordneten Gerichtsbeamten, gestatten diesem nicht, für den Unterricht seiner vier Kinder besondere Kosten zu verwenden. Erst im vierzehnten Altersjahre kam Petermann auf das Gymnasium zu Nordhausen, um vielleicht dereinst als Stipendiat Theologie zu studiren. Aber nur zwei flüchtige Jahre blieb er in der gelehrten Schule. So entbehrte der mittellose Knabe den besseren Unterricht einer höheren Schule. Ein guter Genius vergütete ihm das trübe Entbehren durch eine hohe Geistesgabe, durch ein seltenes Talent für die zeichnende Kunst. Schon seit früher Kindheit hatte der Knabe eine hervortretende Neigung zum Zeichnen, welche ihn später zur Kartographie führte.

Ein Zufall gab dem Lebenswege des sechszehnjährigen Jünglings eine glückliche Wendung.

Damals war es, daß auf Anregung Alexander von Humboldt’s mit Unterstützung König Friedrich Wilhelm’s des Dritten in Potsdam eine geographische Kunstschule eröffnet wurde. Humboldt, Ritter, Heinrich Berghaus, damals die Triumvirn der geographischen Disciplin in Berlin, hatten dieselben in fruchtbare Gährung gebracht, und Berghaus, der berühmteste Kartenzeichner jener Zeit, ward oberster Leiter der Kunstschule. Auf dem malerischen Brauhausberge gelegen, hatte die Schule in der Umgebung anmuthig-wechselnder Hügel- und Waldlandschaft, weiter schöner Havelseen die anregendsten, instructiven Vorlagen für Uebungen in der höhern Feld- und der Höhen-Meßkunst, in der graphischen Darstellung der Gewässer auf der Erdoberfläche (Hydrographie) und in der Bestimmung der Höhenverhältnisse nicht weit von einander entfernter Punkte (Nivellirung). Und hierbei sollten die Schüler vorzugsweise im Entwerfen, Construiren und Compiliren von Landkarten und selbst im Lithographiren und Kupferstechen geübt werden.

Die Bekanntmachungen der Eröffnung dieser Potsdamer Kunstschule und des Lehrplans hatten Ostern 1839 den Vater Petermann’s veranlaßt, dem Professor Berghaus Zeichnungen von seinem Sohne einzureichen, in denen der erfahrene Kartenzeichner das höchst beachtenswerthe Talent erkannte, und – A. Petermann wurde nicht nur Zögling der geographischen Kunstschule, sondern alsbald auch Haus- und Familiengenosse seines Lehrers, der die Arbeiten seines Schülers so zu verwerthen wußte, daß sie die für den Jüngling unerschwinglichen Unterrichtskosten mehr als vollständig deckten.

Petermann’s Fortschritte und Leistungen übertrafen alsbald die höchsten Erwartungen des Lehrers. So kam es, daß letzterer, als Humboldt ihm die Copirung und Vervollständigung seiner „Carte de l’Asie centrale“ auftrug, diese Arbeiten von Petermann ausführen ließ. Berghaus selbst berichtet hierüber in seinem Briefwechsel mit Alexander von Humboldt:

„Die schön und sauber ausgeführte Copie erntete Beifall. Ich nahm Gelegenheit, Humboldt zu erinnern, daß er unter die Karten zum Atlas seiner amerikanischen Reise die Namen der Zeichner, wie Friesen, Michaelis etc., gesetzt habe, als Anerkenntniß auch ihrer Thätigkeit an seinen Werken, und an diese Erinnerung die Bitte zu knüpfen, mit dem Anfertiger der Reinzeichnung der Carte de l’Asie centrale es ebenso halten zu wollen, was für den jungen Mann eine große Aufmunterung sein werde. Humboldt war ohne weiteres bereit, meinen Wunsch zu erfüllen; ich mußte ihm den Zeichner nennen, dessen Vor- und Zuname er sogleich aufschrieb. In dem erstern muß er mich mißverstanden haben, denn er hat auf der Karte aus August einen Karl Petermann gemacht!“

So hatte Petermann schon früh die Anerkennung Humboldt’s gefunden. Er war auch der thätigste Zeichner und Mitarbeiter an Berghaus’ berühmtem und epochemachendem physikalischen Atlas, der damals bei Perthes in Gotha erschien. Aber das Haus des väterlichen Lehrers war für ihn mehr als bloße Zeichenschule. Die reiche Bibliothek, die er unbeschränkt benutzen durfte, der lebhafte Briefverkehr Berghaus’ als Redacteur der „Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde“, der damals wichtigsten geographischen Zeitschrift in Deutschland, die vielseitige, äußerst gewandte schriftstellerische Thätigkeit, die er in nächster Nähe sah und zu der er herangezogen wurde, – alles dies übte auf das Talent, die Neigung und den Fleiß des jugendlichen Geographen einen fruchtreichen, begeisternden Einfluß. Petermann hatte im Hause Berghaus’ zu Potsdam die gediegenste Schule, das vielseitige Vorbild zu dem, was er in noch ausgezeichneterem Maße werden sollte. Und derselbe gute Genius, der ihn von der Schulbank zu Nordhausen nach Potsdam geführt hatte, führte ihn auch nach sechsjährigem Aufenthalt 1844 von hier noch England.

Berghaus’ physikalischer Atlas hatte nämlich auch in England so viel Beifall gefunden, daß Keith Johnson, der Besitzer einer kartographischen Anstalt in Edinburgh, im Jahre 1844 mit Berghaus zu einer englischen Ausgabe seines Werkes in Verbindung trat. Petermann ging zur Ausführung dieser Unternehmung dorthin.

Zwei Jahre fesselten ihn die Arbeiten an dem physikalischen Atlas in Edinburgh, während welcher Zeit er auch persönlich mit dem gelehrten geographischen Fachmännern in freundschaftliche Verbindung trat.

Anfang Juni 1847 ging Petermann indeß nach London. Ueberraschend schnell wurde er hier heimisch und der Sprache vollkommen mächtig, sodaß er nicht lange nach seiner Uebersiedelung eine Reihe von geographischen Berichten schrieb, die, hauptsächlich in dem Londoner „Athenäum“, der „Times“ und in anderen Journalen und Werken erschienen, ihm einen europäischen Ruf erworben und die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf ihn hinlenkten. Gleichzeitig bearbeitete er und gab auf seine eignen Kosten heraus zwei prächtige größere Kartenblätter der britischen Inseln, die eine zur Darstellung der hydrographischen Verhältnisse (Flußgebiete, Canalnetze, einschlägige klimatische Elemente, wie Regenvertheilung), die andere zur Darstellung der statistischen Verhältnisse, beides Musterblätter in ihrer Art und noch bis heute unübertroffen. Diese Arbeiten brachten ihm sofort die höchste Anerkennung bei den ersten wissenschaftlichen Männern Londons und auch bei Behörden. Darauf folgte sein Physikalischer Atlas in sechszehn Blättern, der beim englischen Publicum sehr vielen Beifall fand, so daß er ermuthigt wurde, in London eine von ihm mit Erfolg geleitete geographische Anstalt zu gründen. Bei solchen Leistungen kam es, daß dem deutschen Fremdling Petermann eine für einen Ausländer höchst ehrenvolle Stellung und reiche Verbindungen mit Regierungsbehörden, mit der königlichen geographischen Gesellschaft, den ersten Männern der Wissenschaft, den angesehensten Tagesblättern, Journalen und Verlagshäusern rasch zu Theil wurde.

Schon damals entbrannte seine Neigung, Entdeckungs- und Forschungsreisen zu fördern und in’s Leben zu rufen, und zwar waren es vor allen die nach Afrika und in die Polargegenden.

Petermann’s Ruf veranlaßte mehr die umsichtigen Besitzer der Buchhandlung von Perthes in Gotha, Wilhelm und Bernhard Perthes, ihn im Jahre 1854 nach Gotha zu berufen. Perthes’ geographisches Institut war schon damals das größte derartige in Deutschland. Die Arbeiten der bedeutendsten Geographen, wie die von Stiele, Berghaus, Stülpnagel, Sydow und von anderen waren schon aus demselben hervorgegangen.

Nach zehnjährigem Aufenthalte in England trat Petermann im zweiunddreißigsten Altersjahre am 1. August 1854 in das Gothaer Geographische Institut. Er kam mit fachmännischen Kenntnissen, reicher Erfahrung, einem geschärften Blick, voller Kenntniß der englischen Sprache und einem hochgeachteten Namen und fand in Gotha einen Boden, in welchem sich seine Bestrebungen schnell zu den Blüthen und Früchten entwickelten, die seinen Ruhm bei allen Culturvölkern verbreitet haben. Die in England angeknüpften Verbindungen brachten zahlreiche Briefe und Mittheilungen über die neuesten geographischen Ereignisse, und so reifte denn auch alsbald der Plan zur Herausgabe der „Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt“ etc. In dem Vorwort zum ersten Bande vom 15. Februar sagt Petermann:

„Unsere ‚Mitheilungen‘ sollen sich dadurch von allen ähnlichen Schriften unterscheiden, daß sie auf sorgfältig bearbeiteten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_698.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)