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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Ein wahrhaft rührendes Beispiel solch still genährter Liebessehnsucht ist der provençalische Troubadour Joufras Rudel, Prinz von Blaia, jener Rubello, dessen Schicksal Ludwig Uhland in seinen Romanzen von Sängerliebe besingt. Pilger aus dem Morgenlande hatten es ihm zugetragen, wie dort die Krone aller Frauen lebe, in der Gräfin von Tripolis. Zu ihr in Liebe entbrannt, zieht er als Kreuzfahrer nach dem gelobten Lande. Unterwegs fällt er in schweres Siechthum und kommt halb schon dem Tode verfallen, nur von der Sehnsucht noch am Leben erhalten in Tripolis an. Die Gräfin, der man die Kunde seiner rührenden Neigung vertraut, eilt an das Lager des Sterbenden und in ihren Armen haucht er die treue Seele aus, Gott preisend, daß er ihm noch vergönnt hat, die Ersehnte zu schauen.

Hatte der Ritter die Gunst der Herrin tatsächlich gewonnen, so trug er fortan ihre Farben, auch wohl ein besonderes von ihr erkorenes Wappenzeichen und die empfangenen Zeichen ihrer Geneigtheit, Ring, Gürtel, Haarband, Schleier oder Aermel, auf Schild, Lanze, Wams befestigt. Selbst ganze Gewänder fertigte die Frau mit eigner Hand für den Geliebten. Mit diesen Liebeszeichen zog er zum friedlichen Wettstreit des Turniers oder zu ernster Fehde. War der Aermel oder das Gewandstück, das er über der Rüstung trug, von Lanze und Schwert zerstochen und zerstückt, so brachte er es der darob froh entzückten Herrin zurück und sie trug es nun selbst als ihre schönsten Schmuck. („Parcival“ I, 14.)

Ziel und Gegenstand der Sängerliebe war oft genug eine bereits verheiratete Frau. Kam hier die Liebe bis zum Stadium der Erhörung – nach der provençalischen Liebeskunst ging ihm als erstes Stadium das schüchterne blöde Sehnen, als zweites das Geständniß vorher – so erhielt der ausharrende Sänger, im Beisein des Gatten der geliebten Frau, wohl das Zugeständniß eines Kusses und die Erlaubniß, ihre wirkliche oder vermeintliche Schönheit noch weiter in Liedern zu feiern, somit überhaupt das platonische Verhältniß fortzusetzen. Es war auf der Seite der Frau sowohl wie ihres Gatten ein gutes Stück Eitelkeit dabei im Spiele, besonders in dem Falle, wenn der Galan ein gefeierter Dichter war. Auch bestand wohl auf allen Seiten das Bewußtsein, daß das ganze absonderliche Bündniß nur ein äußerliches, in der Phantasie, nicht im Herzen begründetes war. Die Dichter mieden geflissentlich, den Namen der Geliebten in ihre Gesängen zu nennen. Die Geschichte des deutschen Minnelebens führt auch kein Beispiel einer ernsten Eifersucht auf, wie etwa jenes des Grafen Raimond von Roussillon, der seiner Gattin Margaride das gebratene Herz ihres Sängers und Buhlen Guillem de Cabestaing vorsetzte und damit diese selbst in den Tod trieb.

Auch der größte deutsche Minnesänger, Walther von der Vogelweide, der in seinen Liedern nicht blos von der Minne sang, sondern auch tapfer wider Rom für Kaiser und Reich stritt, hat ein solches minnigliches Verhältniß zu einer ritterliche Frau durchlebt, das so wenig zu seinem Ruhme endete, daß er die Liebe zu allem Weiblichen verschwor und fortan nur der Gottesminne lebte.

In der That vergalt die Frau nicht immer den Preis der Verehrung und des Lobes mit gleicher Münze. Ihre so sehr in’s Wachen gerufene Eitelkeit weckte auch die alte Evanatur auf. Verwöhnt und launisch gemacht, begann sie den treuen Ritter oft arg zu quälen und ihm allerlei mögliche und unmögliche Aufgaben aufzubürden, die den verheißenen Herzenslohn immer wieder in weite Fernen rückten. Da soll er, wie der Ritter und Minnesänger Tannhäuser, derselbe, dessen wildes Leben ihn zum Träger der Tannhäusersage gestempelt hat, parodirend singt, ihr den Rhein wenden, daß er nicht mehr nach Coblenz läuft, soll er dem Monde seinen Schein nehmen und von Galiläa den Berg ihr bringen auf dem Herr Adam saß.

Vielleicht ist in keinem ähnlichen Falle die Grenze zwischen dem Erhabenen und Lächerlichen enger gezogen gewesen als hier. Sie wurde zuletzt in der That auch überschritten. Zur Genüge ist beispielsweise der Lebenslauf jenes deutschen mittelalterlichen Don Quixote’s bekannt, des Ritters Ulrich von Lichtenstein, der aus liebender Verzückung das Waschwasser der Dame seines Herzens trank, um ihretwillen seine verwachsene Oberlippe wegschneiden ließ und ihr den abgeschnittenen Finger in einem reichverzierten Kästchen zuschickte, ohne in seiner verliebten Thorheit des Spottes inne zu werden, den sie beständig mit ihm trieb.




Der Schatzgräber von Troja.

Während die zur Herausgrabung verschütteter Kunstschätze und Culturdenkmäler des griechischen Alterthums vom deutschen Reiche ausgesendete wissenschaftliche Expedition ihre bisher mit glänzenden Erfolge gekrönte Thätigkeit auf dem Boden Olympia’s unermüdet fortsetzt, ist auch unser deutscher Landsmann Dr. Heinrich Schliemann, bekanntlich ein geborener Mecklenburger, wieder auf den classischen Stätten des alten Hellas erschienen, um seine einige Zeit hindurch unterbrochenen Entdeckungsarbeiten von Neuem aufzunehmen. Wie die Zeitungen melden, ist Schliemann am 18. September von Athen nach dem durch ihn so berühmt gewordenen Hügel Hissarlik abgegangen. Vorher hat er bereits elf Tage lang Ithaka durchforscht und soll dort unter furchtbarem Sonnenbrand und ganz ungewöhnlichen Terrainschwierigkeiten von der uralten und längst verschwundenen Hauptstadt dieser homerischen Insel 190 mehr oder weniger gut erhaltene Häuser cyclopischer Bauart gefunden und festgestellt haben. Die gelehrten und verdienstvollen Forscher in Olympia arbeiten unter dem Schutze und den hinlänglich gewährten Geldmitteln eines mächtigen Reiches; Schliemann betreibt sein schönes, der Cultur und Wissenschaft dienendes Werk ganz aus eigenem Antriebe und auf eigene Hand. Je seltener im Laufe aller Zeiten derartige Erscheinungen sind, um so mehr wird es den Lesern der „Gartenlaube“ willkommen sein, einmal einiges Näheres und Bestimmte über den Mann zu hören der in der kurzen Zeit von sechs oder sieben Jahren durch die beispiellosen Erfolge seiner Ausgrabungen auf dem Hügel Hissarlik und dem Burgfelsen Mykene das Interesse der civilisirten Welt auf sich gezogen hat.

Die ganzen Jahre her haben sowohl die Tagesblätter wie die wissenschaftlichen Journale sich immer und immer wieder in die Nothwendigkeit versetzt gesehen, von den überraschenden und zum Theil so merkwürdigen Funden zu sprechen, die Schliemann mit seinem rastlosen Eifer aus dem Schooße der hellenischen Erde geholt. In der That sah sich die Welt hier einem Phänomen gegenüber, das im höchste Grade die Neugierde erregte und mit allem Reize eines geheimnißvollen Zaubers auf die Geister und Gemüther wirkte. Wie ist es möglich – so mußte man sich fragen – daß ein einzelner Privatmann ohne jede Unterstützung fertig bringen konnte, was sonst nur Sache und Aufgabe ganzer Nationen ist? Allerdings blieb es nicht unbekannt, daß die Glücksgöttin erhebliche Reichthümer in seine Hände gelegt. Aber man erfuhr auch, daß sie ihm trotz seiner vorwiegend geistigen Neigungen den Weg einer regelmäßigen Schul- und Universitätsbildung versagt und ihn so von vornherein nicht in die Kreise sattelfester Zunft- und Fachgenossen der Alterthumswissenschaft gestellt hatte. Unter solchen Umständen, bei so günstiger Vermögenslage, hätte wohl jeder andere wohlhabende Mann an der Muße behaglichen Privatlebens, an den Freuden stillen und ungestörten Studiums vollauf sich genügen lassen. Warum hat Schliemann einer so friedlich-idyllischen Existenz, welche er leicht sich schaffen konnte, die aufreibend ruhelose und entbehrungsvolle, so vielen Stürmen und Angriffen ausgesetzte Bahn des Entdeckers vorgezogen? Und wie – so wird ferner gefragt – wie konnte er, der viele Jahre hindurch ein emsiger Kaufmann gewesen, es über sich gewinnen, so gewaltig tief in seinen Beutel zu greifen und alle großen Kosten seiner idealen Unternehmungen aus der eigenen Tasche zu bezahlen? Besonders dieser letztere Punkt ist es, der Aufmerksamkeit erregt, weil er für das Wesen des Mannes bezeichnend ist. Aus seinem eigenen Munde glauben wir vernommen zu haben, daß ihn z. B. seine Ausgrabungen in Troja viel über 100,000 Thaler gekostet. Obwohl ihm aber von Liebhabern der Sammlung bereits das Dreifache dieser Summe wiedergeboten worden ist, kommt es ihm doch nicht in den Sinn, die troische Sammlung bloßen Gewinnes halber an das erste beste Museum zu verkaufen, wie dies Andere in ähnlichen Fällen trotz ihres hohen Standes und Namens thun

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 712. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_712.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)