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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

seiner Familie Unterhalt zu schneiden, wenn sich wirklich auch noch, was in den meisten Fällen kümmerlich genug bestellt ist, Cocosnüsse dafür vorfänden, oder um sein Haus und Feld zu bestellen? Es bleibt ihm keine Zeit dafür übrig, wie mir von den Eingeborenen schon so manchmal versichert worden ist und wovon ich auch genügend überzeugt bin; sein Yams- und Tarrofeld bleibt unbestellt liegen und er muß essen, was ihm eben in die Hand wächst. Das ist der Grund, warum auch nach und nach der große Ueberfluß an Schweinen und Geflügel von der Insel verschwunden ist; die Eingeborenen hatten eben nichts weiter zu essen, denn Brodfrucht wächst nicht überreichlich und nur zu einer gewissen Jahreszeit auf der Insel.

So lange die Cocosnußbäume das erforderliche Quantum Nüsse hergeben können, werden die Eingeborenen der Insel nicht verhungern, aber schon jetzt müssen sie, um den sich lawinenartig steigernden Forderungen ihrer Seelsorger nachkommen zu können, die halbreifen Nüsse von den Bäumen herunterreißen; sonst wurde keine Nuß angerührt, ehe sie von selbst vom Baume fiel. Lange kann es nicht mehr so fortgehen. Die Bewohner der reichen, einst so blühenden Insel werden bittere Noth leiden, und wer trägt dann die Schuld daran? Die Missionäre, die unter dem Deckmantel der Christuslehre, unter dem in alle Welt ausgeschrieenen Vorwande, die Seelen der armen unwissenden Eingeborenen retten zu wollen, ihr leibliches Wohl so schamlos untergraben.

Ueber Leben und Treiben der Missionäre auf den Südsee-Inseln könnten Bücher geschrieben werden, Niuafou ist nur eine von den Inseln, wie sie zu Hunderten in der Südsee unter solchem geistlichen Druck verbluten; zu hoffen bleibt, daß die unabwehrbare Civilisation auch hier im Kampfe mit einem habsüchtigen Priesterthum über kurz oder lang endlich doch den Sieg davon tragen, und dem gutmüthigen Eingeborenen, welchem Hab- und Gewinnsucht unbekannte Leidenschaften waren, für das zum Himmel schreiende, gegen ihn in Anwendung gebrachte Erpressungssystem die Augen öffnen wird.

Ist es zu verwundern, wenn zuweilen die Eingeborenen von Niuafou selbst nicht die verzweifeltsten Mittel scheuen, um solcher geistlichen Knechtschaft zu entrinnen? Ich habe mehr als einmal den Fall erlebt, daß sich Eingeborene in ihren gebrechlichen Canoes den Wellen preisgegeben haben, um womöglich von Wind und Strömung nach irgend einer andern Insel verschlagen zu werden. Aber wie vielen gelang es, eine rettende Küste zu erlangen? Wohl nur wenigen!


Blätter und Blüthen.

Internationaler Wettlauf im Central-Skating-Rink in Berlin. (Mit Abbildung S. 717.) Unter den vielen in Berlin durch die Neuzeit geschaffenen Etablissements nehmen die sogenannten „Skating-Rinks“ eine hervorragende Stelle ein. Es ist eine neue Form, in welcher unsere Jugend, männlichen und weiblichen Geschlechts, ritterliches Spiel übt, und mag man nun über das „Skaten“ denken, wie man will, man wird zugestehen, es ist zugleich eine schöne Form, ein Kühnheit, Sicherheit und Grazie erweckendes Spiel.

In der ersten Zeit nach der Einführung des „Skating-Rinks“ – oder warum setzt man nicht im Sinne unseres deutschen Postmeisters: „Rollschuhbahn“? – war für die aristokratische und elegante Welt eine Bahn unmittelbar am Thiergarten errichtet, die Träger der klangvollsten Namen der Berliner Gesellschaft rollten dort auf den Holzrädern einher und trieben fröhlich Spiel und Tanz. (Siehe unser Bild in Nr. 27, 1876.) Das ist vorüber – haben die prinzlichen und fürstlichen Herrschaften den Geschmack daran verloren, oder woran liegt es? Die Bahn ist leer; ich glaube sogar, sie ist ganz eingegangen. Dagegen sind andere Bahnen aufgetaucht, und von diesen ist eine der glänzendsten der sogenannte „Central-Skating-Rink“ in der Bernburgerstraße. Ohne „Central“, „General“, „Haupt“ geht es ja doch nun einmal nicht, versäumt doch der gewöhnlichste Budiker nicht, „Hauptniederlage“ über seinen Keller zu schreiben. Kurz, hier tummelt sich allabendlich beim Klange eines großen Orchesters in weiten glanzvollen Räumen eine Welt von jungen Herren und Damen, und solchen die es sein möchten, auf knarrenden Räderschuhen. Hier hat auch der Sport schon seine schönsten Blüthen getrieben und rollende Künstler auf dem Gebiete des „Skatens“ erstehen lassen.

Was Wunder also, wenn sich hier auch das Wettlaufen entwickelte! Eine Anzahl der allezeit wettlustigen Söhne Albions ist nun jüngst herüber gekommen, um sich mit deutschen oder speciell Berliner Läufern zu messen. Das ist auch geschehen. Eine kreisförmige, etwa 600 Meter lange Bahn war der Rennplatz für’s Schnelllaufen, ein abgetheilter Ring derjenige für den Kunstlauf. Bei aller Harmlosigkeit des Spiels hatte es doch etwas Aufregendes, dem Beginne und dem Verlaufe des Rennens zu folgen.

Preisrichter, Starter etc. waren regelrecht am Platze. Fünf Paare, je ein Engländer und ein Deutscher, liefen nach einander und dann die fünf Sieger gemeinschaftlich um den Ehrenpreis. Ich kann nur von einem Abende berichten, aber an diesem wurden die Engländer im Schnelllaufe sämmtlich von den Deutschen (Berliner Bürgersöhne) auf’s Glänzendste geschlagen; tadellos und ohne Unfall ging das immerhin gefährliche Spiel von Statten. Bei dem folgenden Kunstlauf siegten dagegen die Engländer. Tusch, Bravos und Lorbeerkränze belohnten hier die Fremdlinge. Stolz auf den eigenen Sieg, anerkannte man doch auch neidlos die Vorzüge der Gegner. H. L


Schwindel für ganz Dumme. Sollte man es glauben, daß ein Curpfusch-Brief, wie der nachstehende, den wir zum Vergnügen unserer Leser buchstabengetreu abdrucken müssen, noch Menschen findet, die dem Schreiber desselben ihre Gesundheit anvertrauen? Und doch wird uns versichert, daß namentlich der Regierungsbezirk Kassel und die Provinz Westfalen einträgliche Domänen für solch einen Schwindel seien. Der uns vorliegende Brief ist gedruckt, und geschrieben ist nur das durch gesperrte Schrift Hervorgehobene:

„Römershausen, den 16ten Merz 1877.     

 Meine lieben Freunde!

Ihren Brief habe ich erhalten und daraus ersehen, daß Sie meiner erfahren haben, was mich sehr erfreut hat, und was Sie von mir verlangen, das werde ich Ihnen jetzt schreiben. Ich habe auf den Taufnamen gemessen, und mich ganz genau überzeugt; da hat sich eine Länge von Gicht herausgestellt von Trei virdels zol das ist zu bedauern. Wenn Sie sich nun nach meinem Schreiben richten, und Sie haben einen festen Glauben an meine Kur, dann gedenke ich Sie mit Gottes Hilfe auf Zeit Lebens von Ihren Leiden zu befreien, hier gebe ich Ihnen die Tage wann ich brauche, den 29. 30. 31. Merz. und den 28 29 30ten Aprill. – Ehe aber diese Tage kommen, werde ich dem Schmerz vorgebeugt haben, dieses sind die Verhältnisse in den angezeigten Tagen: den Kaffee nicht zu weiß getrunken, kein Scheinefleisch gegessen, über kein Wasser schreiten und mit keinem Wasser sich beschäftigen und dann recht warm gehalten, das muß aber im Bett geschehen, desto weiter thun wir mit der Besserung kommen. Das Uebrige, was noch nöthig thut, das werde ich mit Gottes Hilfe besorgen. Wassertrinken darf geschehen, es muß aber durch einen anderen Menschen geschöpft werden.

Vorerst aber lesen Sie meinen Brief, was der verlangt, das müssen Sie pünktlich halten und richten Sie sich nur nach meinem Brief. – Nach dieser Zeit möchte ich zehn Tage vor dem 26. Mey. Antwort haben, wie es geht und steht. Tragen Sie keine Sorgen um ihre leiden in Ordnung zu bringen das über laßen Sie mir ich halte So gott will mein versprechen richten Sie sich nur nach mein Brief was er verlangt das müssen Sie Pünktlich halten. Meine liebe Freunde, über lessen Sie mein Brief. daß Sie in den angezeichten Tage Kein Fehler machen, und folgen Sie mir nach und bleiben Sie von Herrn docktorn ich halte so Gott wil mein versprechen. Meine Liebe Freunde Sie werden mir es nicht vor übel nehme weil weil ich mir von ersten Brüf etwas auf Abschlag 2 Mark Post vor schuß entnehmen weil ich spahre das ich mit unter undank bahre Menschen habe was ich mir nicht gedacht hätte. Da Kan ich schlecht mit bezahlen.

Meine Attresse an Hartmann Hesse in Römershausen Kreis Frankenberg R. Bezirck Cassel.


Die Noth in Tirol! In Nr. 38 der „Gartenlaube“ brachten wir eine Schilderung des grausigen Unglücks, welches durch Bergstürze und Ueberschwemmungen über verschiedene Gegenden Tirols, vor Allem aber über das schöne Tauferer Thal, hereingebrochen ist. Wir knüpften an jenen Aufsatz die Bitte um milde Gaben für die so plötzlich verarmten Opfer jener Naturereignisse. Die Nachrichten, die uns seitdem aus dem Tauferer Thal zugegangen sind, bestätigen nur, wie unmittelbar dringend der dortigen, ohnehin überaus armen Bevölkerung die Hülfe guter wohlthätiger Menschen Noth thut. Rührend sind die Berichte, welche wir durch Herrn Dr. Deimer, den Arzt in Taufers-Sand, empfingen. Die übermenschlichsten Anstrengungen gehörten dazu, um die ganz oder theilweise verschütteten Häuser wieder zugänglich zu machen. „Krankheiten und Hungersnoth stehen zu erwarten und vermehren noch unsere Sorgen. Wie dies Alles enden wird, ist gar nicht abzusehen“ – so schließt einer jener Berichte.

Wo vielleicht Industrie oder ergiebiger Ackerbau Gelegenheit bieten, erlittene Verluste im Laufe der Zeit wieder auszugleichen, da wird die Noth weit weniger schwer empfunden, als in jenen Gegenden, deren Bewohner auch in sogenannten guten Jahren die Lebensbedürfnisse nur mit Anstrengung aller Kräfte zu erringen vermögen. Jetzt aber, wo Jahre lang alle Kräfte aufgeboten werden müssen, um nur erst wieder dem kargen Boden seinen ehemaligen bescheidenen Ertrag abzugewinnen, bedürfen jene Armen dringend der Unterstützung wohlthätiger Menschen, und aus diesem Grunde bitten wir unsere freundlichen Leser in der Nähe und der Ferne wiederholt recht herzlich, ihr Scherflein zur Linderung der Noth der Verunglückten uns zukommen zu lassen.

D. Red.


Kleiner Briefkasten.

Georg Theodor de Leel. Der Stoff ist schon zu oft behandelt worden. Geben Sie gütigst Ihre Adresse zur Rücksendung des Manuscriptes nebst Bildern an!

A. E. in Berlin. Ungeeignet! Verfügen Sie gefälligst über das Eingesandte!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_720.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)