Seite:Die Gartenlaube (1878) 732.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Flokate, eine Art Ueberjacke aus Wollenzeug ohne Aermel, welche die Brust unbedeckt läßt, ist hauptsächlich die Tracht des toskischen Stammes der Albanesen. Dieselbe wird eng anschließend getragen, und mit derselben hängt unten ein weites vielfaltiges Stück zusammen, das bis zu den Unterschenkeln herabreicht; das Ganze hält ein rother breiter Gurt zusammen. In Südalbanien trägt man auch reich mit Stickereien, Knöpfen und Rosetten verzierte Gamaschen.

Die Frauen der Albanesen zeigen in ihrer Tracht viel Aehnlichkeit mit den freilich viel fröhlicheren und anmuthigeren slavischen (montenegrinischen und dalmatinischen) Schönheiten. Meist ist das Kleid von geringen Stoffen und einem Hemde ähnlich, darüber tragen sie aber eine bunte, mit Zierrath überhäufte kurze Jacke und über dem Busen ein Tuch; sie umhüllen sich mit einem langen, ärmellosen Ueberkleide. Auch die Frauen setzen mit Vorliebe einen Fez auf, gewöhnlich aber bedecken sie den Kopf mit einem Tuche, unter welchem das geflochtene und mit kleineren Goldmünzen geschmückte Haar versteckt bleibt. Eigentlichen Schönheiten begegnet man höchst selten, auch sorgt die Barbarei der Männer schon dafür, daß sie niemals ihr Haupt froh und frei erheben, sondern fast stets unter der Last eines bejammernswerten Daseins verkommen. Gleich den niedrigsten Mägden geplagt und verachtet, finden sie nirgends Erholung, fröhliche Feste und gesellige Vergnügungen, wie die lustigen und koketten Slavinnen oder Griechinnen, denen die Lust des Kolos oder anderer Tänze lacht. Alle Feld-, Haus- und sonstige Arbeit ist ihnen aufgebürdet, und dazu sind sie allezeit dem gröbsten Undank und rohester Begegnung von Seiten der Männer ausgesetzt. Ueberhaupt stellen sich die Albanesen hinsichtlich der Mißachtung weiblicher Anmuth, Würde, Tugend und Ehre tief unter andere Barbarenvölker.

Bis zur Geburt des ersten Kindes darf eine Hausfrau nicht einmal den Mann in Gegenwart von Gästen mit seinem Namen anreden. Wie lästig für eine so arme erniedrigte Frau der Besuch von Freunden und Verwandten sein muß, kann man sich vorstellen, wenn man sie Allen nach der Reihe die höchst unappetitlichen Hände küssen sieht, wie es ihres Amtes ist. Da darf um aller Heiligen willen Keiner übersehen werden! Nur in Südalbanien hat sich noch ein winziger Rest ritterlicher Galanterie erhalten, der freilich sonderbar genug mit der empörenden Behandlung der Hausfrauen contrastirt. Dort widmet nämlich der Hausherr seinen Schwägerinnen seine durch die Landessitte geheiligte Huldigung, indem er dieselben wiederholt und nach Kräften reichlich beschenkt oder überhaupt durch Aufmerksamkeit auszeichnet.

Die höchst unwürdige Stellung der albanesischen Frauen entspringt offenbar aus dem uncivilisirten, halb türkischen Herkommen, die Frauen ohne jede Mitgift zu kaufen. Da die jungen Frauen keinerlei Besitz, nicht einmal ihre eigenen Kleider in die Ehe bringen, so werden sie eben nur als Arbeitssclavinnen und nothwendige Uebel geschätzt. Meist schon im dreizehnten Jahre werden diese Opfer der Tyrannei den gänzlich gemüthlosen Eltern abgekauft, um an der Seite eines mehr als rauhen Mannes ihre Jugend zu vertrauern und vor seiner beim geringsten Anlaß hervorbrechenden Grausamkeit zu zittern.




Tempi passati!
Eine Herzensgeschichte aus der Stadt der Weltausstellung.

Ich kam vor Kurzem gelegentlich der Ausstellung von Newhaven über Dieppe nach Paris und nahm in der Rue de Rome Wohnung, in einem kleinen, aber sehr anständigen Hôtel garni, in welchem ich vor dem Kriege längere Zeit gewohnt hatte. Die Besitzer waren nicht mehr dieselben, aber im Café nebenan fand ich alte, bekannte Gesichter. Die Frau am Comptoir erkannte mich sofort und begrüßte mich herzlich.

„Wir haben schlimme Zeiten erlebt, seit wir uns nicht gesehen haben,“ sagte sie. „Ich glaubte, Sie würden einmal früher gekommen sein, aber es ist wahr, was kann Ihnen an Paris gelegen sein ohne Pauline!“

„Ohne Pauline?“ unterbrach ich sie rasch, „ist sie nicht mehr hier?“

„Ich habe sie nicht mehr gesehen,“ lautete die zögernde Antwort.

„Und ihr Bruder?“

„Er ist verheirathet und augenblicklich als Ingenieur im Marinedepartement der Ausstellung beschäftigt. Die Mutter, wenn ich nicht irre, lebt noch immer in der Avenue de Clichy.“

Ich dankte, zahlte und ging, ließ darauf durch den Hausknecht meine Sachen holen und begab mich, nachdem ich etwas Toilette gemacht hatte, sofort in einem Fiaker zur Avenue de Clichy. Daselbst angekommen – ich fand nichts verändert – stieg ich aus; die Oertlichkeit war mir nur zu sehr bekannt, und ich überschritt bald die Schwelle des Hauses, welches vor Jahren den Gegenstand all meines Sehnens und Hoffens geborgen hatte. Mit klopfendem Herzen stieg ich die wohlbekannten Stiegen hinan. Im dritten Stock zog ich die Glocke, auf deren Ton sonst ein liebliches Wesen oft stundenlang und ach! nie vergebens gewartet hatte. Wie ein Dolchstich drang er mir jetzt durch’s Herz. Ein kleines Mädchen von etwa sieben Jahren öffnete. Ich verlangte Madame Lefèvre zu sehen.

„Wen soll ich melden?“ fragte das artige Kind.

„Einen alten Freund.“ Ich getraute mir nicht, meinen Namen zu nennen. Bald stand ich vor der alten Dame. Sie hatte sich sehr verändert; der liebe gutmüthige Zug war einem schneidenden Ausdruck von Härte und Kälte gewichen.

„Wer sind Sie, und was wünschen Sie?“ war ihre Frage.

„Kennen Sie mich nicht?“ Ich war näher getreten und bot ihr eine vor Aufregung zitternde Hand. Doch sie wich zurück.

„Welche Kühnheit!“ sagte sie, wie zu sich selbst. „Monsieur,“ fuhr sie mit eisiger Kälte fort, ich „kenne Sie nicht, wenn ich Sie aber je gekannt habe, so verfluche ich den Tag, der Sie in mein Haus gebracht, bis an mein Lebensende. Gehen Sie! Claire, führe den ‚Deutschen‘ hinaus!“

Mit diesen Worten war sie verschwunden und ließ mich stehen; ich konnte kaum meinen Ohren trauen – diese Frau hatte mich vormals Sohn genannt!

„Sind Sie ein Preuße? Großmama liebt die Preußen nicht,“ sagte nun das Kind, indem es die Thür öffnete.

Ich entfernte mich traurig. Das ist die Mutter – wie wird es mir bei der Tochter ergehen, und wo werde ich diese ausfindig machen? Ich muß den Bruder aufsuchen. Ich bin ja gekommen, um empfangene Beleidigungen zu verzeihen und dem Patriotismus die gebührende Ehre zu geben, dem damals die geschworene Treue zum Opfer fiel.

Pauline – –

Ich hatte sie auf einem Volksfeste in St. Cloud kennen gelernt. Sie war damals in Gesellschaft ihres Bruders, der Braut desselben und eines andern jungen Mannes, der mit dem Bruder befreundet war. Ich lag mit einigen Bekannten auf dem grünen Rasen da oben, wo das herrliche Panorama der schönen großen Stadt sich den bewundernden Blicken bis in unabsehbare Ferne hinaus entfaltet. Meine Freunde machten mich auf das schöne Mädchen aufmerksam. Sie lag auf dem Boden ausgestreckt; der Kopf mit dem ausdrucksvollen Gesichtchen, welches von dem durch Spiel und Tanz aufgelösten dunkelbraunen Seidenhaare halb verdeckt wurde, ruhte in den Armen der sie liebkosenden Freundin; ihre Arme suchten von rückwärts diese schäkernd zu umfassen und gaben eine unvergleichliche Büste den Blicken preis. O! der Anblick war schön und in meiner Brust pochte es gewaltig. Ich war jung, von heißem Blute und fühlte den Hauch der Liebe mit versengender Gluth die tiefsten und geheimsten Gefühle meines Innern aufwühlen.

War einer meiner heißen Blicke von dem ihrigen aufgefangen worden? Hatte er gezündet? Sie errötete unter demselben wie eine erschlossene Lotosblume und nahm alsdann eine bescheidene Stellung ein. Es wurde auf dem Platze getanzt, und sie schien müde zu sein; sie gab dem sie begleitenden jungen Manne mehrmals einen Korb. Aber ihr Blick streifte mich schüchtern noch einmal; er sagte „komm!“ und ich ging; ich fürchtete keinen Korb und erhielt auch keinen. Wir tanzten, und als ich zu ihr redete,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_732.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2016)