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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


(Skodra), Theile des Vilajets Janina, Saloniki und Kossowo (die Sandschakate Prisrend und Prischtina) mit einem Flächencomplex, der von 50,000 bis zu 91,400 Quadrat-Kilometer angegeben wird, und nach ebenfalls nur annähernder Schätzung mit 11/4 bis 12/3 Millionen Bewohnern. Die Kopfzahl der Albanesen überhaupt ist schwerer zu ermitteln. Man hat auf die Türkei 13/5 Millionen, auf Unteritalien 180,000, auf Griechenland 200,000 gerechnet, also zusammen 1,980,000 Köpfe, aber das mag wohl um einige Hunderttausende zu hoch gegriffen sein.

Die zahlreichsten, eigenartigsten, tapfersten und interessantesten der Albanesenstämme sind jedenfalls die Miriditen, welche eine Art Bund von Stämmen Nordalbaniens bilden. Miridit oder Mirdit heißt soviel wie „Tapferer“, was nach dem Sinne von wilden, kriegerischen Völkern immer auch den Begriff der Rechtschaffenheit in sich faßt. In einem Kriege vermögen sie unter Anführung eines Bairaktar (Fahnenträger) 9 bis 10,000 Bewaffnete zu stellen. Da sie weder Tribut noch den Charadsch (Kopfsteuer) zu zahlen haben, außerdem mit den anderen Skipetarenstämmen allein unter allen Rajahs der Türkei das Privilegium besitzen, in die türkische Armee einzutreten, so bewahren sie sich stets ein großes Selbstbewußtsein und die denkbar freieste Stellung gegenüber der Regierung, welcher an der Heerfolge dieser Freiwillig-Gouvernementalen jetzt mehr als jemals gelegen sein muß. An ihrem Oberhaupte, dem Prink oder Prenk, welcher in dem Städtchen Oros residirt, hängen sie mit unverbrüchlicher Treue. Er gilt übrigens auch als ein Nachkomme des ruhmvollen Nationalhelden Skanderbeg (Bey Alexander), ist ihr oberster Richter, ihr Feldhauptmann und übt eine nur durch die Kanton-Aeltesten und das geistliche Oberhaupt, den Erzbischof von Skutari, eingeschränkte Gewalt aus. Von allen Römisch-Katholischen der Balkanhalbinsel sind sie die eifrigsten und bigottesten. Die aus der Propaganda in Rom nach Albanien geschickten Geistlichen sprechen die Landessprache, versuchen die albanesischen Barbaren auf jede Weise zu civilisiren, belehren sie in Handwerken, im Oliven-, Obst- und Weinbau und bewähren sich vielfach als kluge Beherrscher wilder Volksleidenschaften, jedoch will es ihnen nicht gelingen, aus wilden Jägern, Räubern, Wegelagerern und Kriegern friedliche, arbeitsame Menschen zu machen. Unter anderen Völkern können diese römischen Priester durch ihre unbedingte Herrschaft über die Weiber freilich mehr ausrichten, als hier, wo das Weib zur schmachvollsten Niedrigkeit und Einflußlosigkeit herabgedrückt ist. Die Miriditen zeichnen sich durch Freiheitsliebe und Tapferkeit aus; auch wird von ihnen große Wahrheitsliebe und Offenheit gegen Fremde gerühmt, aber desto barbarischer und unrühmlicher ist ihre Hinterlist, Tücke und Grausamkeit gegen Feinde, die sich im Kampfe zu thierischer Blutgier steigert. Ihr Stammes- und Glaubenshaß richtet sich nach allen Seiten, weniger noch gegen die mohammedanischen Unterdrücker des Heimathlandes, die ihre besonderen freiheitlichen Privilegien nicht anzutasten wagen, als gegen die Griechisch-Katholischen in und außer Albanien, am meisten gegen die nördlichen Todfeinde, die Montenegriner, und auch gegen die Griechen.

Die Geschichte Albaniens und seiner Bewohner reicht in die dunkel-graue Vorzeit der Thrako-Illyrier, oder vielmehr noch weiter, bis zu den nördlichen Anwohnern der alten Hellenen, den Pelasgern, zurück. Nach alten griechischen Autoren hieß Südalbanien lange Zeit Epeiros (das heißt Festland), im Gegensatz zum gegenüberliegenden Kerkyra, jetzt Korfu (das heißt Inselland). Der spätere Name Albanien bedeutet Kreideland oder weißes Hochgebirgsland (so ähnlich wie in England und Schottland „Albion“, „Albain“ oder „Albanach“). Von der Zeit an, wo es (um 168 bis 176 vor Christo) durch die Römer erobert und römische Provinz wurde, bis 1430 wo es für alle weitere Zukunft unter die Herrschaft der zur Hülfe herbeigerufenen Türken kam, hat das Land viele stürmische Wechsel des Regiments und eine fast endlose Folge von wüsten Metzeleien und mörderischen Parteikämpfen erlebt. Während der langen Türkenherrschaft, welche Albanien zur Barbarenöde machte, haben nur zwei Perioden allgemeines historisches Interesse: die Freiheitskriege unter der ruhmreichen Führung des Miriditenhelden Georg Kastriota (geboren 1404, gestorben 1467) oder Skanderbeg (Fürst Alexander) und die blutige Vernichtung des albanischen Adels unter der grausamen Tyrannei des Paschas von Janina, Ali von Tepelen, des letzten epirotischen Gewaltherrschers am Ende des achtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Skanderbeg war erst türkischer Vasall, benutzte aber den glänzenden Sieg Hunyadi’s, des Ungarn-Feldherrn, bei Nisch (1443), der die Türken schwächte und demüthigte, zum Abfall. In dreißig Tagen trieb er die Türken aus dem Lande, besiegte sie wiederholt und wurde beim Regierungsantritt Mohammed des Zweiten als rechtmäßiger Fürst Nordalbaniens anerkannt. Auch später im Bunde mit den Venetianern hat er seinen Namen durch glänzende Siege über die so gefürchteten Türken mit unvergänglichem Ruhme bedeckt und wurde von allen späteren Dichtern des Albanesenvolkes als Heros gefeiert und besungen. Je weniger seine Nachkommen zu Ruhm und Glanz, zu Ehre und Macht gelangten desto überschwenglicher feierte man den einzigen großen Nationalhelden des tapfern Albanesenstammes. Wie sollte auch ein Freiheitsheld, ein zweiter Skanderbeg unter den Albanesen erstehen, da sie sich in der Gunst ihrer türkischen Herren sonnen und stolz sind auf ihre Söldingsrolle. Völlig einig mit den unverbesserlichen Vernichtern der Cultur des Südostens, werden sie mit ihnen in Reihe und Glied fechten und untergehen, weil sie es in ihrer halsstarrigen Verblendung nicht besser wollen.

Bis dahin aber werden sich die Sümpfe ihrer Thäler und die Schneegefilde ihrer Berge noch häufig roth färben von grausam vergossenem Blute, und es wird unser deutscher Landsmann Mehemed Ali nicht der letzte Friedensbote gewesen sein, welcher der verbrecherischen Wildheit dieser Halbmenschen zum Opfer gefallen ist.

B. S.




Aus Robert Blum’s Leben.
11. Gefangennahme. – Proceß. – Tod. – Schluß.

Am 3. November 1848 richtete Robert Blum zugleich mit seinen drei Frankfurter Collegen zuerst an den Feldmarschall-Lieutenant von Schowitz, dann an den Generalmajor Baron von Cordon, Geschäftsleiter der Stadthauptmannschaft, das schriftliche Gesuch:

„Die unterzeichneten Mitglieder der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main wurden seit dem 20. October, an welchem Tage sie Wien verlassen wollten, hier durch die Ereignisse zurückgehalten. Nach der nunmehr eingetretenen Wendung der Dinge erlauben sich die Unterzeichneten die gehorsamste Bitte um gütige Ertheilung von Passirscheinen zum Antritt der Rückreise auszusprechen, eventuell aber von Euer Excellenz die Gnade einer Audienz sich zu erbitten ... In der Erwartung, daß Euer Excellenz Gnade uns die Möglichkeit, unsern wichtigen Beruf wieder anzutreten, gütigst gewähren wird, zeichnen wir etc.“

Unterschrieben waren: Robert Blum aus Leipzig; Julius Fröbel „für den Wahlbezirk der Fürstenthümer Reuß jüngerer Linie“; Trampusch für Weibenau „in k. k. Schlesien“, und Moritz Hartmann „aus Leitmeritz“.

Auf die Rückseite dieser Eingabe schrieb Generalmajor von Cordon von der Centralcommission der k. k. Stadt-Commandantur noch am nämlichen Tage:

„Die Stadthauptmannschaft wird beauftragt, die angeblich (!) im Hôtel zur Stadt London wohnhaften Herren Robert Blum und Julius Fröbel in militärgerichtliche Verhaft zu nehmen, unter Beschlagnahme ihrer Papiere und Effecten.“

Dieser Verhaftsbefehl ist höchst charakteristisch. Also der Herr Generalmajor wußte, bis sich die Abgeordneten selbst meldeten, noch gar nicht, daß sie „angeblich“ in Stadt London wohnten. Er wurde auch nicht deshalb auf sie aufmerksam, weil sie sich als Mitglieder des höchst gefährlichen Frankfurter Parlaments bezeichneten, namentlich war das nicht der Grund des Haftbefehls. Am allerwenigsten wurde dieser erlassen, weil der Herr Generalmajor etwa eine Ahnung davon zu besitzen sich rühmen konnte, wer Robert Blum sei und was er in Wien gethan habe. Wären das die Ursachen des Haftbefehls gewesen, so hätten die Herren Trampusch und Moritz Hartmann unbedingt auch mit in „militärgerichtlichen Verhaft“ genommen werden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_744.jpg&oldid=- (Version vom 16.9.2016)