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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


eines der dort üblichen wunderlichen Betten zu Theil, und den dicht über unserer Nase herabhängenden Bettquast anstierend, wir mögen wollen oder nicht, schlafen wir ein, um am anderen Morgen noch halb im Schlafe mit dem Gedanken zu erwachen: Herr Gott, raucht der Ofen! bis wir, zu voller Besinnung gelangt, zwar unseren Irrthum in Bezug auf einen Ofen erkennen, aber an dem Torfrauche, den man im ganzen Hause riecht und schmeckt, wahrnehmen, daß die Herdkuhle an der Zubereitung unseres Frühstücks des bereits beschriebenen Kaffees, thätig ist, den wir mit Resignation einnehmen, um alsbald unsern Wanderstab weiter zu setzen.




Wann lachen wir?
Eine Plauderei von Kuno Schlömilch.

Das Lachen ist nur dem Menschen eigenthümlich; denn was man an den Thieren davon beobachtet haben will, ist doch von dem herzlichen Lachen eines Menschen himmelweit verschieden. Es ist aber auch nur der Mensch, welcher Vernunft besitzt, das heißt die Fähigkeit, Begriffe zu bilden. Wo immer nur wir lachen, spielt ein Begriff seine Rolle dabei. Nun liegt es aber im Wesen des abstracten Denkens, daß die Begriffe niemals die Wirklichkeit in allen ihren Theilen zu decken vermögen. Wie dies zu verstehen ist, wird am besten gleich ein Beispiel erläutern. Der Begriff „Garderobe“ bezeichnet die Gesammtheit der Kleidungsstücke einer Person. Stehe ich vor dem geöffneten Schranke und betrachte alle meine Kleider, so habe ich ein Wirkliches – genauer: eine anschauliche Vorstellung – zu dem Begriff Garderobe, den ich schon vorher im Kopfe mit mir herum trug. Wie nun aber, wenn ich ein armer Teufel bin und nur einen Anzug, den ich auf dem Leibe trage, besitze? Dann giebt dieser die Gesammtheit meiner Kleidungsstücke ab, also kann ich mit gutem Rechte ihn „meine Garderobe“ nennen. Dabei wird freilich die eine wesentliche Beziehung am Begriff, die Gesammtheit von mehreren Anzügen nicht erfüllt, und von diesem Gesichtspunkte aus könnte dann geradezu Einsprache gegen die Anwendung des fraglichen Begriffs überhaupt erhoben werden. Läßt man ihn aber gelten, auch wenn man dies paradox nennen wollte, so sieht man, daß dann eine gewisse Verschiedenheit zwischen Begriff und realem Gegenstand eingetreten ist, welche „Incongruenz“ genannt werden mag. – Mit dieser Erläuterung sind wir nun schon fähig geworden dem Wesen des Lächerlichen näher zu treten, denn es besteht dies in nichts Anderem, als in der plötzlichen, unerwarteten Wahrnehmung einer solchen Incongruenz zwischen Begriff und Wirklichkeit.

Ueber das eben behandelte Beispiel existirt ja auch eine ganz hübsche Anekdote. Da lachte der König über einen Gascogner, den er bei strenger Kälte in leichter Sommerkleidung sah; dieser aber sagte zum König: „Hätten Eure Majestät angezogen was ich angezogen habe, so würden Sie es sehr warm finden.“ Auf die weitere Frage, was er denn angezogen habe, antwortete er: „Meine ganze Garderobe.“

Wo immer man Jemand lachen sieht, kann man die plötzliche Entdeckung einer entsprechenden Incongruenz nachweisen; und zwar wird eine solche um so mehr zum Lachen reizen, je größer dieselbe auf der einen Seite dem Entdeckenden erscheint; dann aber auch, je überraschender für ihn der Gegensatz auftritt, je mehr er neu für ihn ist. Da Beides sich für die verschiedenen Menschen verschieden stellt, so begreift es sich, warum häufig genug etwas den Einen zum Lachen reizt, wobei ein Anderer keine Miene verzieht.

Die Wirkung des Lächerlichen wird entweder durch das Wort vermittelt, oder sie ergiebt sich irgendwie durch unmittelbare Anschauung.

Wenn wir an die Spitze der ersteren Art des Lächerlichen die große Classe der Witze und Scherze stellen und behaupten, daß beide im Grunde nur dadurch verschieden sind, daß der besonders drastische Scherz als Witz bezeichnet wird, so sehen wir zunächst von dem Sprachgebrauch ab, auch Handlungen als „Scherz“ zu bezeichnen. Daß in jedem gegebenen Falle die Frage: ob Witz oder Scherz? von verschiedenen Personen verschieden beantwortet werden wird, ergiebt sich aus dem vorhin Gesagten. Die Fähigkeit zu beiden ist recht eigentlich ein Geschenk der Götter, womit nicht gesagt sein soll, daß sich diese Fähigkeit nicht, wie jede andere, bis zur Virtuosität ausbilden läßt. Der feine, formgeschliffene und zugespitzte literarische Witz oder Scherz ist am häufigsten das Product ernster Arbeit; in diesem Sinne gilt Mirza Schaffy-Bodenstedt’s „Gute Witze wollen erdacht sein“. Erfreulicher freilich ist immer jenes ungezwungen sich ergebende Funkenspiel von Scherz und Witz, welches unter Lichtglanz und Gläserklang als Würze heiterer Geselligkeit aufsprüht. In allen Fällen entspricht Witz und Scherz unserer aufgehellten Erklärung: bei beiden handelt es sich um die Aufstellung einer Incongruenz zwischen Begriff und Wirklichem. So, wenn – um nur ein Beispiel anzuführen – Saphir in einem Federkriege von dem „an Geist und Körper gleich großen“ Schauspieler Augeli sprach. Derselbe besaß, wie stadtbekannt war, eine winzige Statur, und so muß sich zur Heiterkeit des Lesers neben den Begriff „groß“ als Wirkliches geradezu das verhältnißmäßig Kleine stellen.

Während beim eigentlichen Witze oder Scherze die Gleichheit im Begriff liegt, die Verschiedenheit in der Wirklichkeit, ergiebt eine Umkehrung dieses Verhältnisses den Schlüssel zur Erklärung des sogenannten Wortspiels oder Wortwitzes. Beim Witz also werden zwei sehr verschiedene Gegenstände – in der ersterzählten Anekdote beispielsweise: einziger Rock und umfangreiche Auswahl von Anzügen des Königs – unter einen Begriff – Garderobe – gebracht, beim Wortspiel aber zwei verschiedene Begriffe unter ein Wort, unter den gleichen Wortlaut, der ein Wirkliches, ein Reales ist. Es stellt sich dabei eine ähnliche Incongruenz ein, wie oben, nur häufig matter, weil nicht im Wesen der Dinge, sondern im Zufall des Gleichklangs begründet. Verbindet sich mit dem äußerlichen Gleichklang zugleich eine entsprechende tiefere innere Beziehung, dann wird freilich das Wortspiel dafür doppelt wirksam. – Die Wortspiele stellen nun bei weitem das größte Kontingent der Belustigungen und Scherze, wenn auch in Deutschland noch nicht einmal in dem Maße, wie in England und Frankreich, wo auf den einzelnen Wörtern fast durchgehend mehr Bedeutungen gehäuft sind. Auch hier zur völligen Klarstellung einige Beispiele! Im Gespräche mit dem Kaiser über den Feldzug von 1859 soll der österreichische Feldherr Ghulai gesagt haben: „Bei Magenta habe ich gefehlt.“ Worauf der Kaiser: „Und ich bei Solferino.“ Gewandt parirte der Hofmann diese Selbstanklage seines Monarchen, indem er einwarf: „Nein, Majestät, Radetzky hat gefehlt.“ Mit demselben Worte „fehlen“ verbinden wir zwei ganz verschiedene Begriffe, nämlich „Fehler machen“ und „abwesend sein“. Der dadurch möglich gemachte Wechsel der Beziehungen, der momentan ein paradoxer ist, ergiebt eine lächerliche Wirkung.

Als ein König von Frankreich bei Tafel saß, fiel ihm auf, wie sehr verlangend sein Hofnarr nach Rebhühnern, die auf eine besondere Weise zubereitet waren, blickte, und gütig rief er ihm zu, daß ihm die Schüssel ganz allein gehören solle.

„Sire, mit den Rebhühnern?“

„Ja, mit den Rebhühnern,“ rief lachend der König, und bezahlte so mit dem Golde der Schüssel das improvisirte Wortspiel und die – Unverfrorenheit seines Lustigmachers. – „So lange sie mich nicht ansprach, hat sie mich sehr angesprochen, als sie mich aber angesprochen hatte, sprach sie mich nicht mehr an“ – ebenfalls ein Spiel der beiden Begriffe des nämlichen Wortes, wobei für den Augenblick Incongruenzen in gewissem Sinne sich einstellen. Das Wortspiel ist überhaupt die bequemste Form für die Zweideutigkeit, welche auch schwächeren Köpfen zu Gebote steht; schon darum braucht die größere Häufigkeit derselben uns nicht Wunder zu nehmen.

Von hier führt ein allmählicher Uebergang zu all den Räthseln, Sinnspielen, Bonmots, Kalauern, welche nicht immer eigentlich zum Lachen reizen, jedoch den Geist leicht und angenehm beschäftigen und in der Gesellschaft besonders beliebt sind.

Anstößige oder scandalöse Dinge sind in der Gesellschaft nur dadurch mitzutheilen, daß man sie durch allgemeine Begriffe ausdrückt. Da aber zu diesen sehr viele concrete Vorstellungen in Beziehung gebracht werden können, ergiebt sich häufig, daß das Wiederzugebende nicht nur eine Incongruenz zu jenen zeigt, sondern oft geradezu in einen Gegensatz zu denselben tritt; wie, wenn man von Einem, der sich betrunken, sagt: „Er hat des Guten zu viel gethan.“ Mit diesem Beispiel streifen wir schon an die Zweideutigkeit oder Aequivoke. Es werden dabei stets Begriffe genannt, welche an und für sich harmlos sind, in Beziehung jedoch zu dem gerade anschaulich Vorliegenden auf eine anstößige Vorstellung leiten. Die Zweideutigkeiten (Aequivoken) treiben sich in verschiedenen Gestaltungen herum; nicht selten auch in der Form des Räthsels. In den meisten Fällen werden sie zu bloßen Wortspielen, von welchen bereits früher die Rede war.

Versteckt sich der Scherz hinter den Ernst, so entsteht die Ironie. Man geht dabei mit scheinbarem Ernste auf die Meinung und Ansichten des Anderen ein, bis er endlich durch das Resultat der Auseinandersetzung an uns und vielleicht auch an sich selbst irre wird. In der Alltäglichkeit findet sich die Ironie häufig genug. Ist sie sehr scharf und ätzend, so wird sie zum Sarkasmus, in vollendeter Form mit didaktischen Zwecken zur sogenannten sokratischen Methode.

Dagegen entsteht die sogenannte gemeine Ironie, wenn mit plumper Absichtlichkeit ein anschaulicher Gegenstand unter den Begriff seines Gegentheils gebracht wird. Wie etwa, wenn ich von Regen triefend ausrufe: „Welch schönes Wetter heute!“ – oder wenn ich einen Spitzbuben einen „Ehrenmann“ nenne.

Es giebt eine sehr verbreitete Gattung des Lächerlichen, welche sich an diese gemeine Ironie unmittelbar anschließt. Es ist das die Parodie. Wo in den Vorgängen und Worten eines ernsthaften Gedichtes oder Dramas hohe Begriffe und große Motive bei hochstehenden Personen eintreten, schiebt die Parodie unbedeutende, niedrige Persönlichkeiten – oft sogar Thiere – oder kleinliche Motive ein, sodaß dadurch eine Incongruenz und mit ihr die lächerliche Wirkung erreicht wird, wenn auch nur bei Leuten mit besonderem Geschmacke. Man denke an die verschiedenen Parodien welche. z. B. Schiller’s „Lied von der Glocke“ hat erdulden müssen, oder an das „Wagalaweja“ des Schusterjungen, der Schläge bekommt. Es sind eine Menge Redensarten im Gange, welche den Charakter der Parodie tragen; so spricht man von einem „Schwabenstreiche“, wo Einer besonders täppisch gewesen, oder von „ungemischter Freude“, die keinem Sterblichen zu Theil wird, wenn man merkt, wie sehr Bier oder Wein verwässert worden ist.

Das Umgekehrte der Ironie der hinter den Scherz sich versteckende Ernst, ist der eigentliche Humor. Daher auch das unbestimmte Gefühl vom tieferen Werthe, welches alle guten Producte desselben erzeugen, und die instinctmäßige Gewißheit, daß man es bei ihnen mit nichts weniger als Späßen und Scherzen um ihrer selbst willen zu thun habe. Der Humor ist die Weise geistesfrischer, warm und edel fühlender Naturen, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 767. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_767.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)