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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Dienerschaft, und in noch späterer Zeit, besonders im städtischen Hause, zum bloßen Vorsaale.

In der weiteren Entwickelung wurden die von der Halle getrennten Nebengebäude, namentlich das Frauenhaus, wieder in enge Verbindung, unter ein Dach mit ihr gebracht. Dies markirte zugleich eine Veränderung in der gesellschaftlichen Stellung der Frau. Sie kam dadurch wieder in nähere Beziehung zu dem Manne, von dessen Gesellschaftskreise sie so gut wie ausgeschlossen war. Aus diesem gemeinsamen Verkehre heraus erwuchs dann die Blüthe der ritterlichen Romantik.

Anfangs wurde der Zusammenhang des Frauenhauses mit der Halle nur durch eine außerhalb der Mauer befindliche Stiege vermittelt, bald aber die Stiege in’s Innere verlegt, und das Frauengemach erhielt Thür und Fenster nach der Halle zu, so daß der Frauen Beobachtung und Theilnahme nichts mehr entging von dem, was im Mittelpunkte des Hauses sich bewegte. Später, zunächst aus Vertheidigungsrücksichten, rückte auch die Halle, jetzt Saal oder Pallas genannt, eine Etage höher hinauf, behielt aber gleichwohl durch eine Freitreppe, welche im Andrange der Gefahr abgebrochen werden konnte, den alleinigen Zugang von außen. Das untere Stock diente dann zu Rüstkammern, Wohnungen der Dienstleute und Vorrathskammern, das zweite zu Familien-, Gast- und Schlafzimmern.

Jetzt wurde auch das freilodernde Herdfeuer in besondere steinumschlossene Räume verwiesen. Solch heizbare Stätten wurden im mittelalterlichen Latein caminata genannt, und da es besonders Frauen waren, welche im Gegensatz zu dem, seinen Schwerpunkt wesentlich außerhalb des Hauses verlegenden Manne, nach der behaglichen Wärme begehrten, so fanden sich solche zuerst nur in den Frauengemächern und gaben diesen selbst den Namen der Kemenate. In der Halle blieb noch lange der in der Mitte aufgemauerte Feuerplatz mit seinem großen eisernen, rostartigen Boden, auf dem die mächtigen Holzblöcke ruhten. Oefen kamen trotz ihrer größeren Wärmekraft, die bei dem Kamin für das winterliche deutsche Klima nur eine dürftige war, erst vom fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert ab allgemeiner in Gebrauch.

Nun drang in das Haus auch das Licht der Fenster, freilich noch nicht durch jene bleigefaßten bunten Glasscheiben, die wir jetzt auf allen restaurirten mittelalterlichen Burgen schauen und die dem Gemach ein so magisches, anheimelndes Zwielicht verleihen. Diesen Luxus konnten sich nur große Kirchen und reich ausgestattete Klöster erlauben. In den Häusern der Privaten, selbst auf den vornehmen Edelsitzen, wurde der offene Fensterraum, wenn er Schutz heischte wider Wind und Wetter und die Unbilden der Nacht, von außen mit einem hölzernen Laden, innen mit Teppichen verdeckt. Höchstens daß mit Wachs überzogene dünne Leinwand, ölgetränktes Papier oder dünn geschabtes Horn einen dürftig schützenden Rahmen bildeten. Nur in ganz seltenen Fällen wurde matt schimmerndes Marienglas, durch kleine viereckige Stücken zu einem Gitterwerke verbunden, benutzt. Erst im fünfzehnten Jahrhundert wurde die Fassung mit Fensterglas allgemein, zuerst in kleinen runden, bleigefaßten Butzenscheiben.

Werfen wir nun einen weiteren Blick in das Innere der deutschen Wohnung. Treten wir zuerst in die „Halle“, den Saal, ein, so finden wir zunächst, daß die Decke der alten Halle, welche noch durch das Dachgebälke gebildet war, jetzt entweder durch den Fußboden des oberen Gemaches hergestellt wird, bei welchem die ganze Balkenlage im Plafond noch sichtbar bleibt, oder es ist eine hölzerne Zwischendecke eingeschoben. An ihren vorspringenden Kanten finden sich geschnitzte laubartige Ornamente, an Trägern und Consolen allerhand figürliche Verzierungen, in denen namentlich die Zeit der Gothik, die ihre reichen Formen selbst dem geringsten Geräthe aufpreßte, besonders brillirte. Die Wände waren vom Boden auf mit braunem Holze getäfelt, sodaß nur ein schmaler Raum noch zwischen der Holztäfelung und der Decke verblieb. Diese friesartige Kante war nicht selten mit figürlicher Malerei geschmückt.

Den früheren Estrich des Fußbodens finden wir jetzt durch Steinfliesen ersetzt, schachbretartig, in verschiedenen Farben schillernd. Später wurde der Fußboden mosaikartig hergestellt, und dazu viereckige Blättchen aus glasirtem Thone verwandt, auf denen allerhand Figuren, wie Hirsche, Reiter u. dergl. m. eingebrannt waren, wie deren aus dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert, von Ulm und Cadolzburg stammend, das Germanische Museum noch aufweist. Selbst auf den dort aufbewahrten alten Dachziegeln findet man einzelne Arabesken, Namenszüge und Jahreszahlen eingebrannt. Auch zur Bekleidung der Wände wurden derartige Mosaikblättchen benutzt. Die Holzmosaik entstand erst weit später – im fünfzehnten Jahrhundert – übertrug sich dann aber rasch auf alle Arten von Möbels, Tische, Schreine, Thüren und Wanddecken, und vervollkommnete sich bis zur Herstellung ganzer Gemälde. Im nördlichen Deutschland ging der Fliesboden des rauheren Klimas wegen bald in den einfachen Fußboden über.

Wie einfach war das Mobiliar! An den Langseiten der Wände lief eine breite hölzerne Bank hin, an dieselbe befestigt und gleichsam mit dem Holzgetäfel der Wand in Eins verschmolzen. Ihr verschlossener Sitz diente gleichzeitig als Truhe oder als Vorrathsraum. In früheren Zeiten war die Bank wohl noch aus Stein. Noch lange war dies der Fall in den in die dicken Mauern eingelassenen Fensternischen, den sogenannten Lauben. Die Steinsitze dieser lauschigen Lauben waren die Lieblingsplätze der Frauen. Sie belegten die Sitze mit Polstern und sperrten sie durch Teppiche von dem Saale ab. Bei den städtischen Gebäuden erweiterten sie sich zu jenen in die Straßen vorspringenden Erkern, welche weiblicher Neugier einen noch willkommeneren Vorschub leisteten. Später zogen sich die Bänke auch in die Nischen mit hinein.

An der Stirnseite der Bank befand sich der Ehrensitz des Hausherrn oder Lehnsherrn, oft über einem etwas erhöhten Gestell, geschnitzt und mit grotesken Zierrathen versehen, auch wohl vergoldet. Dann wurde derselbe zu einem beweglichen Sessel, über den in der gothischen Zeit sich ein baldachinartiges Dach wölbte. Lange war es der einzige Stuhl im Hause. Stühle waren im Mittelalter selten; die Bank war das einzige Sitzmöbel. Es trug eben alles Mobiliar noch den Charakter des Festen, des unmittelbaren Zusammengehörs mit dem Hause selbst. So waren auch Schränke und Kasten meist in die Wände eingelassen, und auch die Schwerfälligkeit der Tische wies denselben einen ständigen Platz an. Die Mitte des Gemachs füllte oft eine eichene über Schragen gelegte Tafel aus. Sie, wie die andern Tische, waren von schwerer, aber dauerhafter Construction, Urväterhausrath, nicht Träger eines nur ephemeren Daseins. Anstatt von vier schwächlichen Füßen, wurde die derbe Platte von einem breiten Untergestell getragen, das auf vier geschnitzten Thierköpfen ruhte und auf das sich die Füße des Davorsitzenden bequem stützen konnten. Nur eine leichte Stuhlart ist aus dem Mittelalter bekannt und in einem Exemplare im Germanischen Museum vertreten. Es sind dies die sogenannten Faltstühle, deren Form in einer Art unserer Gartenstühle noch fortlebt. Sie bestehen aus zwei sich in der Mitte kreuzenden zusammenlegbaren Theilen; auf dem oberen Kreuz befindet sich das Sitzbret. Ein an derselben Sammelstelle befindlicher drehbarer Lehnsessel gehört der spät mittelalterlichen Zeit an. Keins der Sitzmöbel war gepolstert, dagegen befanden sich sowohl auf Bank wie Stuhl Cultern (Matratzen) oder Plumiten (Federkissen). In früherer Zeit, im zehnten und elften Jahrhundert, wo die Schnitzkunst noch weniger geübt war, waren die Möbel mit bunter Farbe bemalt; nur die Pfosten und Beine zeugten von der Kunst des Drechslers. Dagegen überschüttete die Gothik alle Möbel mit ihren durchbrochenen, krausen, geästelten Ornamenten. Einzelne leere Stellen im Saale füllten vordem niedere Betten im Stile unserer Divans aus, ohne Pfühl und Oberdecke. Des Nachts dienten dieselben thatsächlich auch als Schlummerlager. An den Lehnen der Bänke hingen Rücklaken, von der Hand der Hausfrau oft mit wahrhaft künstlerischem Geschicke gewebte oder gestickte Decken. Die schmaleren enthielten das mit bunter Wolle gestickte oder gewirkte Wappen des Hauses oder der verwandten Geschlechter.

Andre zeigten auf rothem Grunde Blumen, Arabesken, den Lieblingshund der Damen des Hauses und Anderes, größere gar eine ganze am Speisetisch versammelte Gesellschaft sammt Geiger und Lautenschläger, ja den ganzen Verlauf einer mittelalterlichen Hochzeit in fünf Abtheilungen. Da sehen wir den Bräutigam und Brautvater die Boten aussenden, um zur Hochzeit zu laden, sehen auf dem zweiten Felde den Priester, wie er das Paar mit den auf einem darüber hinlaufenden Spruchbande befindlichen Worten einsegnet: „Gott mög Euch viel Glück und Ehre geben und nach Eurem Tode das ewige Leben!“ Wir sehen dann weiter die Gäste beim Hochzeitsmahle, wo aus dem Munde der glücklichen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 775. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_775.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)