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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Meisterwerke wunderbarster Art reifen in seinen letzten Lebensjahren. So weist das Jahr 1826 das „Rondo brillant“ für Clavier und Geige, Op. 70 die Streichquartette in D-moll und G-dur, das B-dur-Trio und den ersten Theil der „Winterreise“, das Jahr 1827 den zweiten Theil der letzteren, das Es-dur-Trio und die „Deutsche Messe“, das Jahr 1828 endlich die große Symphonie in C, das Streichquintett in C, die Messe in Es, die drei letzten Claviersonaten und den sogenannten „Schwanengesang“ auf, als die letzten Vermächtnisse des Künstlers, mit denen er seine Mission hienieden vollendete.

Die „Winterreise“, ein Liedercyclus gleich der früher entstandenen „Schönen Müllerin“, unterscheidet sich von der rein lyrischen, mehr volksliedartigen Weise der letzteren durch eine ungleich größere Mannigfaltigkeit der Form und Kühnheit der Tonsprache, eine gesteigerte Leidenschaft und Dramatik und demgemäß eine lebendigere Betheiligung des tonmalerischen Elementes. In tiefste Schwermuth getaucht ist jeder einzelne der vierundzwanzig Gesänge. Der letzte Sonnenschimmer ist verglommen; aus der sanften Melancholie der „Müllerlieder“ ist hier Trostlosigkeit, friedlose Resignation und Verzweiflung geworden. Freundlichere Bilder machen sich in den „Schwanengesang“, die letzte Liederreihe, die nicht mehr von des Componisten Hand, sondern erst nach seinem Tode von seinem Verleger zusammengestellt wurde. Von hohem Werthe sind zumal die Heine’schen Lieder „Der Atlas“, „Die Stadt“, „Am Meer“, „Der Doppelgänger“, in denen Schubert jene mehr declamatorische Weise anschlägt, die Schumann zu weiterer Vollendung führte. Mit dem Schlußgesange, der „Taubenpost“, sagte er dem Lied für immer Lebewohl.

Als er im November 1828 die letzten Druckbogen seiner „Winterreise“ corrigirte, war auch für ihn der Winter herbeigekommen und der Sommer seines Lebens dahin. Müde lag der Sänger, der die schwermuthvollen Lieder wohl in Vorahnung seines nahen Abschieds gesungen hatte, auf dem Krankenlager, von dem es keine Genesung für ihn gab. Die Mittel, die er früher gegen sein altes Leiden, Kopfschmerzen und Schwindel, angewendet hatte: Bewegung in freier Luft und Zerstreuung in der Arbeit, fruchteten jetzt nichts mehr. Ein Nervenfieber war ausgebrochen. Er sprach noch von Opernplänen und rief in seinen Fieberphantasien nach Beethoven – die Musik in seiner Seele schwieg noch nicht. Aber bald darauf, am 19. November, ward es still in und um ihn – nun lauschte er himmlischen Harmonien.

Zwei Tage später, am 21. November bettete man ihn auf dem Währinger Kirchhof, in nächster Nachbarschaft seines Meisters Beethoven, wie er’s gewünscht hatte, in sein frühes Grab. Der Denkstein, der dasselbe schmückt, trägt seine Büste, um, gleich dem 1872 im Wiener Stadtpark errichteten Denkmal, sein Bild der Nachwelt zu überliefern. Es ist nicht schön, dieses Bild, auch an seinen Zügen wie an seiner Gestalt hatte das Schicksal seinen Segen gespart. Unter der Büste lesen wir außer dem Datum seines Geburts- und Sterbetages Grillparzer’s Worte: „Der Tod begrub hier einen reichen Besitz, aber noch schönere Hoffnungen.“ – So durfte die Klage der Mitlebenden lauten, denen die Werkstätte dieses wundersamen Geistes noch ein unentschleiertes Geheimniß war. Wir aber wollen fünf Jahrzehnte nach des Meisters Tode nicht ungenügsam mehr sprechen von gestorbenen Hoffnungen, sondern in immer erneuter Dankbarkeit uns des Tonsegens freuen, den er in verschwenderischer Fülle über uns ausgestreut. Erfüllt, herrlich erfüllt, wir wissen es heute, hat der Frühvollendete seine Sendung, und Wahrheit geworden ist sein einstiger Ausspruch: „Wenn das Wort Kunst ausgesprochen wird, ist von mir die Rede.“



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Seeminen und Torpedos.

Die ersten Versuche mit Seeminen und Torpedos sind älter, als man gewöhnlich annimmt; sie datiren über hundert Jahre zurück. Der amerikanische Capitain Bushnel baute bereits 1776 ein unterseeisches Torpedoboot. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit desselben war jedoch von vornherein nicht groß, und als sich dieses Boot bei dem Angriffe gegen ein englisches Schiff nicht bewährte, ließ man damals die Sache gänzlich fallen.

Nachdem sich auch Anfangs dieses Jahrhunderts Fulton, der Erfinder der Dampfschiffe, vergeblich bemüht, seinen verbesserten Torpedos und Seeminen Eingang zu verschaffen, gerieth diese mörderische Waffe der Neuzeit fünfzig Jahre hindurch in völlige Vergessenheit; jedenfalls hörte man ihrer nur noch sehr selten Erwähnung thun. Von besonderem Interesse für uns dürfte es deshalb sein, daß gerade Deutschland es war, welches zuerst wieder 1848, im Feldzuge gegen Dänemark, Seeminen zur Verwendung brachte. Einem unserer jetzt hervorragendsten Männer, dem Dr. Werner Siemens, der damals preußischer Artillerielieutenant war, gebührt, in Gemeinschaft mit seinem Schwager, dem Professor der Chemie Dr. Himly, die Ehre dieses ersten erneuerten Versuchs.

Um das Naheherankommen dänischer Kriegsschiffe, und somit das von diesen beabsichtigte Bombardement der Stadt Kiel zu verhindern, sperrten beide den dortigen Hafen durch Seeminen ab. Wasserdicht verpichte Fässer, später mit Kautschuk überzogene Säcke, die eine Sprengladung von je 20 Centnern Pulver enthielten, wurden circa 20 Fuß unter die Oberfläche des Wassers versenkt und verankert. Durch Leitungsdrähte standen dieselben mit einer galvanischen Batterie auf dem Lande in Verbindung. Wenn nun auch diese Seeminen nicht zur Action kamen, erfüllten sie doch indirect ihren Zweck. Eine derselben explodirte aus Versehen, und zwar im Gesichtskreise des vor dem Hafen kreuzenden Feindes, und hielt durch ihre gewaltige, weithin vernehmbare Wirkung die dänischen Kriegsschiffe fortan von näherem Herankommen ab. Auch zum Absperren des Hafens von Venedig bediente man sich während des Feldzugs 1859 ähnlicher Seeminen. Doch erst in ihrer ursprünglichen Heimath, in Amerika, fanden sie im Laufe des Krieges von 1861 bis 1865 bleibende Verwendung- und fortgesetzte Vervollkommnung.

Es sei hierbei erwähnt, daß die stationären Vertheidigungsminen, welche zur Absperrung der Häfen, Landungsplätze etc. dienen und somit vor Anker liegen, allgemein als „Seeminen“ bezeichnet werden. Die anderen Zerstörungswaffen dieser Gattung, welche, sei es zum Angriff, sei es zur Vertheidigung, bewegende Kraft erhalten, also in beiden Fällen offensiv wirken, nennt man Torpedos; sie zerfallen, je nach ihrer Construction und Verwendungsweise, in Spieren-, Schlepp-, Fischtorpedos etc.

Die amerikanischen Südstaaten, bei Beginn des Krieges fast ohne Flotte, traten dem weit überlegenen Feinde vermittelst Torpedos erfolgreich entgegen und zwangen diesem schließlich dieselbe Waffe in die Hand. Beide Staaten überboten sich nun in Verbesserungen und neuen Erfindungen auf diesem Gebiet. Es kamen beiderseits neu construirte unterseeische Torpedoboote sowie Spierentorpedos zur Verwendung. Für letztere nimmt allerdings Rußland durch seinen Ingenieur General Tiesenhausen die Priorität der Erfindung in Anspruch (anderthalb Jahre früher), jedenfalls fanden die Spierentorpedos aber erst, wie bereits gesagt, im amerikanischen Kriege dauernde Verwendung.

Die Panzerschiffe mit ihrer gefährlichen Ramme verdanken ebenfalls jenen Kriegsjahren und den Amerikanern ihre Entstehung, aber auch sie zeigten sich den Torpedos nicht gewachsen. Fielen im Laufe des Krieges den verschiedenen Arten dieser Höllenmaschinen doch nicht weniger als sieben Panzerschiffe und elf andere Dampfer zum Opfer!

Die hölzernen ungepanzerten Fahrzeuge wurden gänzlich aus der Reihe der Schlachtschiffe gestrichen. Sämmtliche Flottenstaaten richteten von da ab in erster Linie ihr Augenmerk auf die Herstellung von Monitors und erprobten außerdem die Seeminen und Torpedos. Es begann ein vollständiger Wettkampf zwischen der immer stärker werdenden Panzerung und den immer kolossaleren Dimensionen der neu construirten Geschütze, deren Monstregeschosse schließlich auch die dicksten Panzerplatten durchschlugen. Besonders England und Frankreich betheiligten sich lebhaft an diesen Versuchen; aber auch kleinere Seestaaten nahmen von Anfang an daran Theil.

So war die zuerst ungestrafte Annäherung des dänischen Monitors „Rolf Krake“ im Feldzuge 1864 den preußischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 798. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_798.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)