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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Blätter und Blüthen.

Noch einmal die Unglücklichen des Zillerthals. Aus Augsburg gehen uns die nachfolgenden Zeilen zu, welche wir in warmer Theilnahme für den Unglücklichen, mit dem sie sich beschäftigen, unsern Lesern nicht vorenthalten wollen:

„Schon oft hat Ihr geschätztes Blatt wahrhaft Bedürftigen Hülfe gebracht. Gestatten Sie mir, Ihnen aus der entsetzlichen Katastrophe im Zillerthale einen Einzelfall mitzutheilen, wie er schrecklicher nicht gedacht werden kann, um zugleich für den armen Betroffenen die Mildthätigkeit der Leser der ‚Gartenlaube‘ anzurufen.

Jacob Wechselberger hatte vor etwa zwei Jahren nach dem Tode seines Vaters dessen Anwesen, ein Wirthaus nebst Alpe, mit Hypotheken belastet, übernommen. Durch eisernen Fleiß und Bravheit ist es ihm gelungen, sich nicht nur Achtung im ganzen Zillerthal zu erwerben, sondern sich auch eine Summe zur Tilgung seiner Schuld zu ersparen. In jener schreckensvollen Nacht, welche für so Viele verhängnisvoll wurde, hört er Geräusch und findet sein Haus derart umfluhtet, daß Entfliehen unmöglich. Er rettet sich, Frau, Kind und Mutter in den oberen Stock. Kaum nach einer halben Stunde bricht dieser zusammen, und die ganze Familie stürzt in die mit Wasser gefüllten unteren Räume. Er selbst liegt unter Balken und kann sich nur schwer frei machen. Als dies endlich gelungen, tappt er im Dunkeln um sich, erhascht einen Gegenstand - es war seine junge Frau, die in seinen Armen verscheidet. Er legt sie an eine erhöhte Stelle, sucht in Todesangst weiter und findet sein Kind sterbend. Nachdem er es zu seiner Frau gelegt hat, gelingt es ihm, seine Mutter noch lebend aus den Fluthen zu ziehen. Er holt ein Kleidungsstück, um die Erstarrende zuzudecken - als er zurückkehrt, ist sie weggeschwemmt, mit ihr die Leichen seines Kindes und seiner Frau. Letztere wurde eine halbe Stunde entfernt an einem Baume hängend gefunden, die beiden anderen unterhalb Zell sechs Stunden entfernt aus dem Schlamme ausgegraben.

Da das Haus ganz einzustürzen droht, flieht er verzweifelnd auf einen Felsen, an welchen das Haus angebaut ist; zuvor hat er noch seine Brieftasche mit 600 Gulden gefunden. Dort nun erwartet er den Tag. Seine Nachbarn werfen ihm ein Seil zu; er hascht mit der Hast der Verzweiflung nach demselben - da entfällt seiner Hand die Brieftasche mit dem letzten Reste seiner Habe, und als er gerettet ist, muß er mit ansehen, wie sein Haus vom Erdboden verschwindet, wie sein Feld mit Steinen und Geröll überschüttet wird, und bald erhält er die Nachricht, daß seine Alphütte ebenfalls weggeschwemmt sei. - Und nun, da die Katastrophe vorüber ist, kommen die Gläubiger und belegen, was ihm geblieben, mit Beschlag - er ist ein Bettler und hat Alles verloren was ihm lieb und theuer war.

Muß es nicht jedem Wohlhabenden eine Freude sein, in solchem Falle sein Scherflein zur Linderung des Jammers und zur Begründung einer neuen Existenz für den Unglücklichen beitragen zu können?

Ich für meine Person werde den Betrag von 100 Mark an Herrn Oberförster Hochleitner in Mayerhofen, Zillerthal, absenden, an welche Adresse auch eventuell Beiträge am besten zu adressiren wären.

Indem ich mir erlaube, Ihnen die Angelegenheit des armen, braven Mannes recht dringend an’s Herz zu legen, bin ich Euer Wohlgeboren ergebener

O. F.




Ein frisches Kleeblatt. (Zu dem Bilde S. 797) Wen überkommt nicht unwillkürlich ein Lächeln, wenn er die von Gesundheit strotzenden, wohl im Sonntagsstaat prangenden heiteren Landschönen von jenseit der Mainline in’s Auge faßt, welche auf unserer Abbildung eine intime Conferenz abhalten? Es ist mutmaßlich ein Stück unfreiwilligen Humors, welchen der Brief zusammt dem Riesenbouquet repräsentirt; das Lachen der sitzenden Schönen hat etwas so sieghaft Triumphirendes, daß man versucht ist, auf das Unterwerfungsschreiben eines zur Capitulation genöthigten Männerherzens zu rathen, welches vielleicht nicht einmal die Genugthuung erfährt, nun auch dem Scepter der Siegerin wirklich unterstellt zu werden. Daß der Inhalt des Schriftstücks Beziehung auf jenen heimlichen Guerillakrieg hat, der seit Adam und glücklicher Weise überwiegend zum Heil der Menschheit zwischen Männer- und Weiberherzen geführt wird, darf umsomehr mit Gewißheit behauptet werden, als er uns unerfindlich scheint, welcher andere Stoff in Briefform drei jugendliche Repräsentantinnen der Haute-volée irgend eines Dorfes in so außerordentlichem Maße interessiren sollte, wie das hier offenbar der Fall ist. Wie dem auch sei - der talentvolle Schüler Gussow’s, dem wir das Bild verdanken, hat mit dieser Composition einen glücklichen Griff gethan. Ernst Philipp Fleischer ist ein Breslauer Kind; seine Studien hat er in Dresden und Weimar, endlich in Italien gemacht, von wo er Gussow, dem Meister seiner Wahl, nach Berlin folgte. Er zählt hier zu den entschiedenen Jüngern jener Richtung, welche auf treue und genaue Wiedergabe der Natur den Hauptnachdruck legt und dadurch in so hohem Maße befruchtend auf die deutsche Malerkunst der Gegenwart eingewirkt hat.




„Abseits vom Wege“, Gedichte eines Laien mit Illustrationen von Paul Thumann (Berlin, Alexander Dunker). Wir beginnen unsern Hinweis auf dieses Bändchen Lyrik mit einer Anklage, indem wir den Verfasser einer sträflichen Unwahrheit zeihen: unser Anonymus ist nicht der „Laie“, für welchen er sich ausgiebt; er ist in des Wortes ganzen Umfange - ein Dichter. Frisches, warmes Empfinden, eine keck fabulirende Phantasie und jene echt künstlerische Feinfühligkeit für die Musik dichterischer Formen, welche erst eigentlich den Poeten macht, geben seinen Gedichten den Duft wirklicher Blüthen vom Baume der Poesie. Nächst dem Liede ist die Ballade, nicht selten mit Heine’schen Reminiscenzen verquickt, die eigentliche Domäne unseres Ungenannten. Paul Thumann hat dem auch äußerlich ansprechend ausgestatteten und darum für den Weihnachtstisch sehr geeigneten Buche neun meisterhafte Illustrationen beigefügt. Poet und Zeichner sind verwandt geartete Geister: Beiden ist der Zug zum Sinnig-Zarten und zugleich ein vornehm feiner Kunstsinn eigen, sodaß der Bund des Dichters mit dem Illustrator dem gemeinsamen Werke trefflich zu Statten gekommen ist. Mögen diese „abwärts vom Wege“ tagesüblicher Lyrik gepflückten Liederblüthen Eingang finden in die Herzen Vieler!




Kleiner Briefkasten.

B. P. in L. Allerdings! Der in unserm Artikel Seltsames Phänomen aus dem Leben der Wandervögel (Nr. 42, Blätter und Blüthen) als Verfasser der „Reisen im Orient“ erwähnte H. Petermann ist nicht, wie dort irrthümlich angegeben wird, der berühmte Geograph, sondern der im Jahre 1876 verstorbene hervorragende Orientalist Professor Heinrich Petermann in Berlin. - Was übrigens das berichtete Phänomen selbst betrifft, so schreibt man uns aus Ostpreußen, daß dort eine ähnliche Ansicht, und zwar speciell bezüglich der Bachstelze, ganz allgemein verbreitet ist, was wohl als Bestätigung des in unserem Artikel Ausgesprochenen gelten darf.




Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!

Verlag von Ernst Keil in Leipzig.

Gottschall, Rudolf, Janus. Friedens- und Kriegsgedichte Prachtband. 4 Mk. 50 Pfg.
Horn, Georg, Bei Friedrich Karl. Bilder und Skizzen aus dem Feldzuge der zweiten Armee. 2. Bände. Eleg. brosch. 9 Mk.
Marlitt, Gold-Else. Volks-Ausgabe 12. Auflage. Eleg. brosch. 3 Mk.
Marlitt, Gold-Else. Salon-Ausgabe. Illustriert von P. Thumann. 2. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschnitt 10 Mk. 50 Pfg.
Marlitt, Das Geheimniß der alten Mamsell. 8. Auflage. 2 Bände brosch. 6 Mk.
Marlitt, Reichsgräfin Gisela. 5. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 8 Mk.
Marlitt, Haideprinzeßchen. 4. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 9 Mk.
Marlitt, Die zweite Frau. 4. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 7 Mk. 50 Pfg.
Marlitt, Im Hause des Commerzienrathes. 2. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 8 Mk.
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Prutz, Robert Buch der Liebe. Gedichte 4. Auflage. Prachtband. 5 Mk. 25 Pfg.
Rittershaus, Emil Neue Gedichte. 4. Auflage. Prachtband. 6 Mk. 50 Pfg.
Scherenberg, Ernst Gedichte. Prachtband. 5 Mk. 25 Pfg.
Scherr, Joh. Goethe’s Jugend. Eleg. geb. 4 Mk. 50 Pfg.
Traeger, Albert Gedichte. 12. Auflage. Prachtvoll geb. mit Goldschnitt 5 Mk. 25 Pfg.
Werner, E. Gartenlaubenblüthen. Inhalt: Ein Feld der Feder. - Hermann. 2. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 6 Mk.
Werner, E. Am Altar. Roman. 2. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 6 Mk.
Werner, E. Glück auf!. Roman. 2. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 7 Mk. 50 Pfg.
Werner, E. Vineta. Roman. 2. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 7 Mk. 50 Pfg.
Werner, E. Gesprengte Fesseln. Roman. 2. Auflage. 2 Bände Eleg. brosch. 7 Mk.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_800.jpg&oldid=- (Version vom 12.1.2023)