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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Bodens unablässig thätig. Wiederholt schon und auch für diesen Winter commandirte Graf Moltke einige Generalstabsofficiere nach der Ebene von Athen um dieselbe genau zu vermessen, aufzuklären, die Spuren alter Ansiedelungen festzustellen. Den einzigen genauen Plan des alten Athens, wie es zur Zeit seiner Blüthe gewesen, mit Ringmauern, Wasserleitungen, Straßen, öffentlichen Gebäuden, verdankt die Wissenschaft dem Inspector Kaupert vom großen deutschen Generalstabe. Die Karten der Ebene von Athen, besonders des Hafenstädtchens Piräus sind begonnen worden 1876 von dem Premierlieutenant von Alten, weitergeführt im nächsten Winter von dem Premierlieutenant Steffen und sollen in dem beginnenden Winter, wenn möglich, vollendet werden, wieder durch von Alten, den Hauptmann Siemens und den Lieutenant von Wedding, welche sämmtlich vom großen Generalstabe nach Athen commandirt sind. – Viel ist also geschehen von Deutschland aus, ohne daß es besondere Aufwendungen erfordert hat; aber an die vielversprechendste Aufgabe, welche die Wissenschaft dem Entdecker auf griechischem Boden stellte, konnte sich ein Privatmann nicht wagen. Es handelte sich um die Ausgrabung einer Stätte, die während vieler Jahrhunderte der Mittelpunkt des gesammten griechischen Lebens gewesen ist, um einen Ort, an dem die Bewohner der verschiedenen Landschaften alle Fehde, allen Streit unter einander ruhen ließen, wenn sie dort zu gemeinsamer Gottesverehrung, zu Festen, Spielen oder Berathungen zusammen kamen, – es handelte sich um den Tempelbezirk von Olympia. In einem Thale der peloponnesischen Halbinsel, das von dem größten Flusse derselben, dem Alpheios, durchströmt wird, hatte dieser heilige Bezirk gelegen. Man wußte aus den Aufzeichnungen alter Schriftsteller, daß dort dem obersten der Götter, dem Zeus, ein prächtiger Tempel mit mächtigen Säulen und kunstvoller Bildhauerarbeit errichtet worden war. In demselben thronte die Riesengestalt des Gottes, ganz von Gold und Elfenbein gebildet. Das heilige Gefilde war mit einer Mauer umgrenzt und innerhalb derselben hatten die Festgenossen auch anderen Göttern prächtige Tempel errichtet, so vor Allen der erhabenen Gemahlin des Zeus, der Hera. Den Ortsgottheiten und den Helden, die später unter die Halbgötter versetzt worden waren, huldigte man in heiligen Hainen. Das waren kleine, von Säulen oder einer niedrigen Mauer umgrenzte Anlagen, in denen Bildsäulen, Altäre, Erinnerungszeichens aufgestellt waren. Hier fand das gesammte griechische Volk sich alle vier Jahre zusammen zu Festspielen, Wettkämpfen, Wagenrennen. Sieger in diesen olympischen Spielen zu werden, galt für die größte Ehre, obgleich der Preis nur in einem Zweige des wilden Oelbaums bestand, der ihm als Kranz um’s Haupt gewunden wurde. Diese Volksfeste füllten die heilige Flur mit anderen Bau-Anlagen. Da entstand eine Festhalle, in der die Sieger feierlich bewirthet wurden; da errichtete jeder der vielen kleinen griechischen Gaue Schatzhäuser in Form von Tempeln, in denen die Kostbarkeiten aufbewahrt wurden; da brachten die Völker Weihgeschenke den Göttern dar, Bildsäulen, Thiere von Erz, Siegesgöttinnen, Marmorgruppen, kleine Tempel, die sich im Lauf der Jahre dicht an einander drängten und den ganzen heiligen Bezirk vollständig füllten. Verträge der einzelnen Landschaften unter einander, Friedensschlüsse und ähnliche wichtige Aufzeichnungen wurden mit griechischer Schrift in Erz gegraben und dann hier zum ewigen Gedächtniß aufgehängt. Zur Seite dehnten sich Rennbahnen, Ringplätze, Theater, Festräume aus. Unten am Ufer des Stromes lagen Schlachthäuser, Priesterwohnungen, Herbergen, Werkstätten der Künstler, die jene Marmor-Bildwerke für das Heiligthum meißelten. So war es zu griechischer Zeit. Als dann die Römer das Land unterworfen hatten, zerstörten sie nicht etwa diesen für das Gesammtleben des Volkes wichtigsten Ort. Sie erneuerten die Spiele, betheiligten sich an der festlichen Gottesverehrung, an den Wettgesängen, Wagenrennen und Ringkämpfen, an den Opfern, und vermehrten die Zahl der Prachtbauten, der Denkmale von Marmor und Erz durch neue und kostbare. An keinem Orte in ganz Griechenland mag solch eine Fülle stolzer Bauten, werthvoller Kunstwerke, wichtiger Urkunden und Aufzeichnungen, die in die innere Geschichte des Landes Licht bringen können, zusammengehäuft gewesen sein wie hier auf der Flur von Olympia. Allmählich ist sie verödet. Im früheren Mittelalter haben Barbarenvölker



Mutterfreude. Von R. Beyschlag.
Aus dem Prachtwerke „Album für Deutschlands Töchter“.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_812.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)