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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Familienlebens findet, den Andern im Dienste der Pflicht in öder Weite der Winternacht: Weihnachten im warmen Heim unterm leuchtenden, buntbehängten Baume, bei munterer Kinder herzerquickendem Jubel - Weihnachten da draußen auf der schneeverwehten Landstraße, unterm kalten Sternenhimmel, bei sausendem Winde.

Weil der lichterbesetzte Tannenbaum, wie überhaupt ein gut Stück unserer Weihnachtsbräuche, den Ueberlieferungen nordischen Natur- und Gemüthslebens seinen Ursprung verdankt, so dürfte der vollsthümlichste unter den nordischen Dichtern der Gegenwart, Fritz Reuter, als Weihnachtsgast bei schlichten Bürgersleuten des biederen Mecklenburg unsern Lesern für die Weihnachtsnummer der rechte Mann am rechten Fleck bedünken. Wir entnehmen das treffliche Bild der jüngst bei Bruckmann in München erschienenen Reuter-Gallerie von C. Beckmann, aus der wir schon in Nr. 49 eine Probe brachten. Fritz Reuter sucht in seiner Junggesellenunlust beim braven Schuster Linsener Weihnachtsfreude und Weihnachtstrost, und dort ist es, wo ihm die Ueberzeugung wird, daß es ein Ende haben muß mit dem leidigen Alleinsein, mit dem Unbeweibtsein. Wer da wissen will, wie das kam und wo das schließlich hinausging, der lese in des Dichters gesammelten Werten die Skizze nach „Woans ick tau ’ne Fru kamm“ („Wie ich zu einer Frau kam“) – es ist eine farbenreiche Schilderung voll realistischer Derbheit und weicher Herzensschönheit.

Und neben die traute Scene kleinbürgerlicher Weihnachtsfreude, wie unser Reuter-Bild sie zeigt, stellen wir als lebensvolles Gegenstück Ellminger’s „Weihnachten auf der Landstraße“. Wie sehnsüchtig mag der biedere Rosselenker auf der Fahrt durch Nacht und Schnee des festlich hellen Stübchens gedenken, wo er - daß auch gerade heute der Dienst ihn traf! - den Seinen fehlt! Die Braunen sind müde; der Weg ist lang, und nun muß ihm auch noch der Schlagbaum ein Halt gebieten und der schimmernde Baum in der Klause des Chausseewärters ihm sagen, was er entbehrt! „Den Schlagbaum auf!“ Endlich - und vorwärts geht’s mit Hussaruf und Peitschenknall, die Landstraße entlang, weiter und immer weiter, der fern winkenden Weihnachtsfreude entgegen.




Christabend.


Kindchen hat sich müd’ gewacht,
Hat den ganzen Tag
Ueber’s Christkind nachgedacht,
Wie’s wohl kommen mag:

Ob’s ein holder Engel wär’,
Trüg’ zwei Flügelein; -
„Heut’ entgeht’s mir nimmermehr!“
Denkt es - und schläft ein. -

Mutter bringt zu Tische schnell
Jetzt den Weihnachtsbaum,
Und die Kerzen flammen hell
In des Kindes Traum.

Und im Traume blendend bricht
Durch die Thür ein Schein;
Mit verklärtem Angesicht
Tritt ein Engel ein,

Schmückt ein Bäumchen wundernett,
Zündet’s an zum Schluß,
Und dann neigt er über’s Bett
Lächelnd sich zum Kuß.

Mutter, die am Bettchen sitzt,
Sieht ihr träumend Kind,
Sieht, wie sich das Mündchen spitzt,
Und sie küßt’s geschwind.

Und sie thut’s noch einmal drauf.
Kann nicht widerstehn –
Und zwei Aeuglein thun sich auf,
Wie zwei Sterne schön.

Ob auch erst das Kind erschrickt,
Als der Traum entflieht,
Still verständnißvoll es nickt,
Als den Baum es sieht.

Richtet sich empor in Hast:
„Ist kein Engel da?“
Und die Mutter es umfaßt:
„Sieh, ich halt’ ihn ja!“

Rudolf Sperling.





Bilder aus Elsaß-Lothringen. Originalzeichnungen von Robert Aßmus. Schilderungen von Karl Stieler. (Stuttgart, Paul Neff.) Wohl ist die Zeit vorüber, da die lange verhaltene Mutterliebe Deutschlands zu den einst so schnöde ihm vom Herzen gerissenen Kindern Elsaß und Lothringen in hellen Flammen aufschlug, die Zeit, da sie in heißem Ringen für den heimischen Kreis zurückgewonnen wurden. Aber ein ganz besonders warmes Interesse für jene beiden mit so viel Schönheit und Reiz gesegneten „Zuwider-Wurzen“ unter den deutschen Provinzen wird noch lange ungeschwächt dauern, jedenfalls so lange, wie die überlebenden Helden der Belagerung von Metz, Straßburg etc. noch unter uns wandeln. Wie sehr dieses Interesse sich durch das Verlangen bethätigt, die beiden Schwesterprovinzen genauer in Landschaft und Bevölkerung wie in ihrer geschichtlichen Vergangenheit kennen zu lernen, beweist ebenso der Zug von Reisenden welche alljährlich dorthin pilgern, wie die reiche Literatur, welche seit Anfang dieses Jahrzehnts Elsaß-Lothringen für das deutsche Publicum aufgeschlossen hat. Glänzender aber ist Letzteres nirgends geschehen als in dem Werke, welchem diese Zeilen gelten und zu dessen Herstellung sich ein gediegener Künstler und einer unserer besten Schilderer zusammengethan haben. Weder was den überreichen künstlerischen Bilderschmuck der Holzschnitte anlangt, noch hinsichtlich des Textes tritt das ebengenannte, auch äußerlich originell und reich ausgestattete Werk aus der Reihe der unsern Lesern jüngst zur Auswahl gestellten Prachtwerke heraus. Möge das stattliche Buch, in welchem jedes wie immer geartete Interesse an den neugewonnenen Provinzen seine Rechnung finden wird, auf das Wärmste empfohlen sein!





Kleiner Briefkasten.

Marie P. Was wir schon tausend Fragestellern vor Ihnen geantwortet, müssen wir leider auch Ihnen wiederholen: Zur Beurtheilung nicht druckfähiger Gedichte fehlt uns Beruf und Zeit. Ihre Verse wanderten als allzu unreif in den Papierkorb; denn - um dies noch einmal zu erklären - wir halten uns nicht für verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte kleinen Umfanges zu retourniren.

Abonnent in Wiesbaden. Man gewöhne sich, mit geschlossenem Munde einzuschlafen!

O. B. in B. Für unaufgefordert Eingesandtes übernehmen wir keine Garantie.

S. in Offenbach. Hat die „Gartenlaube“ nie publicirt.

O. in Th. Wagen Sie ein Jahr und 1500 Mark daran, ein Conservatorium (Weimar, Leipzig, Berlin) zu besuchen. Das Weitere wird sich finden - ob es nämlich des ferneren Studiums bedarf. Ein anderes Mittel kennen wir nicht.

Ch. D. in G. Adressiren Sie sich an die „Leipziger Theaterschule“ (Director Alfred Werner)!

E. F. in Huch. Unbrauchbar! Das Manuscript liegt für Sie bereit.

Alter Abonnent in Horn. Wenden Sie sich an die englische Gesandtschaft in Berlin.




Als schönstes Weihnachtsgeschenk

empfehlen wir ein Jahres-Abonnement auf den mit dem 1. Januar beginnenden Jahrgang 1879 der „Gartenlaube“. Wir sind in der angenehmen Lage, unseren Lesern sowohl auf dem Felde der Novelle wie auf allen anderen Gebieten Vorzügliches nach wie vor in Aussicht stellen zu können. Der Jahrgang wird den bereits früher angekündigten und wegen Krankheit der Dichterin leider bisher nicht zur Vollendung gediehenen Roman:

„Im Schillingshof“
von

nunmehr auf Grund ausdrücklicher Versicherung der Verfasserin mit Beginn des zweiten Quartals bringen. Außerdem:

„Irrend Sterne“ Das Haus in der Schlucht
von von
Georg Horn, Balduin Möllhausen,

welchen sich, so weit der Raum es erlaubt, „Der Hiob von Unterach“ von Karl Emil Franzos - „Felix“ von Karl Theodor Schultz - „Verheirathet“ von H. Wild und andere uns vorliegende fesselnde Erzählungen anreihen werden.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.




Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahres aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 852. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_852.jpg&oldid=- (Version vom 30.9.2016)