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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


einmal durchgeführt werden soll, darf der Patient sich auch gar nicht beschäftigen; so lange man sich beschäftigt oder aufmerksam im Zimmer umsieht, ist es gewiß besser, dies bei hellem Lichte zu thun, als im Halbdunkel.

Und nun das Wasser!

Das ist, Gottlob, wirklich recht billig zu haben, und doch werden so oft fast die Tropfen davon gezählt. Ist es nicht lächerlich, wie peinlich in manchen Häusern mit dem Wasser gespart wird? Ich habe es erlebt, daß Mütter ihren Kindern verbieten, sich am Tage öfters die Hände zu waschen, damit Abends nicht noch einmal die Krüge gefüllt zu werden brauchen. Nun, bei uns zu Hause ist es so eingerichtet, daß jedes „Waschen“ füglicher ein „Baden“ heißen könnte. Wenn ich einmal in einem Gasthofe übernachten muß, ist mein Erstes, den zierlichen Wasserkrug, der in dem trockenen, statt neben dem gefüllten, Waschbecken zu stehen pflegt, in dieses auszugießen und dann der Kellnerin zu sagen: „So, liebes Kind! Und jetzt bringen Sie mir noch drei solche Krüge Wasser!“ Ich frage Euch, Mütter, fängt diese Wassersnoth nicht schon beim Baden unserer neugeborenen Kinder an? Die „weisen“ Frauen nehmen gerade so viel Wasser in die Wanne, daß sie zur Noth den Schwamm damit tränken können. Welche Wonne dann, zum ersten Male solch ein armes Kindchen selber zu baden! Halbvoll zum mindesten muß dann die Wanne sein; da plätschert das kleine Ding lustig herum und streckt mit Behagen seine Glieder in der lauen Fluth und schwimmt uns fast unter den Händen davon – aber seid unbesorgt! – ertrunken ist mir keines meiner acht Kinder, die ich in Summa ungefähr sechstausendmal eigenhändig gebadet habe. Nein, es ist keines davon ertrunken; sie befinden sich allesammt wohl, wie die Mücken, die da draußen im Sonnenscheine tanzen; nur Eines steht zu befürchten: Sie sind Alle eben solche Verschwender geworden, wie ihre Mutter, und um’s Achtfache wächst meine Rechnung für verbrauchte Luft-, Licht- und Wassermengen in dem großen himmlischen Schuldbuche. Das ist freilich eine bedenkliche Sache.

(Fortsetzung folgt.)




Madonna Violanta.
Einem altvenetianischen Chronisten nacherzählt von Karl Frenzel.

Sonntag, den 25. Juli des Jahres 1574 war ein verhängnißvoller Tag für das edle Haus Venier. An diesem Tage erblickte Francesco Venier, damals der letzte Sproß des erlauchten Geschlechts, zum ersten Male die Signora Violanta, die Tochter des Messer Marcantonio Giustiniani. Diese Begegnung sollte den Beiden zu großer Freude, aber auch zu schwerem Leide gereichen. Es geschah aber auf folgende Weise, daß Messer Francesco die schöne siebenzehnjährige Donna Violanta sah, da doch sonst die Töchter der Patricier streng im Hause ihrer Eltern gehalten und nur von ihren Verwandten besucht werden. An jenem Sonntag jedoch gab die Republik, wie Jeder, dem diese Blätter einmal zu Gesicht kommen werden, wissen wird, dem Könige Heinrich dem Dritten von Frankreich, der die Stadt mit seinem Besuche beehrte, im Dogenpalaste ein herrliches Fest. Zweihundert Patricierinnen, Frauen und Mädchen, hatten an den Wänden des großen Rathssaales auf niedrigen, mit rothem Sammt gepolsterten Bänken Platz genommen. Sie alle waren in Weiß gekleidet und hatten Perlen um den Hals und Perlen in den Haaren. Der Senat hatte für diesen Tag die Gesetze, welche den Damen den übermäßigen Schmuck in Gewändern und Kleinodien verboten, aufgehoben und gestattet, daß eine jede sich so herrlich kleide, wie sie es vermöge.

Man kann sich vorstellen, welche Kostbarkeiten da zum Vorschein kamen. Die Wände des Saales waren mit seidenen Stoffen in Gelb und Türkischblau behängt, und ein prächtiger Teppich aus Persien bedeckte den Boden. Da wo sich sonst der Stuhl des Dogen erhebt, war ein Thron für den König errichtet mit goldstoffenem Baldachin und Vorhängen, die von der Decke bis zum Fußboden des Saales reichten. Rechts und links davon befanden sich Estraden für den Dogen und die Signoria, das Gefolge des Königs und die Gesandten der fremden Mächte. Als nun der König eintrat, blieb er und Alle, die ihn begleiteten, wie vor einem Wunder stehen. Denn dieser gewaltige Saal mit seiner vergoldeten Decke und den herrlichen Gemälden Giovanni Bellini’s, Tintoretto’s und Tizian’s an den Wänden, von diesen edlen Frauen und Mädchen, den Sternen der Schönheit, belebt, bot in dem hellen Sonnenschein, der durch die Fenster fiel, einen unvergleichlichen Anblick. Bevor der König auf dem Throne sich niedersetzte, sagte er, daß er den Duft dieses Blumenbeetes einathmen wolle, und schritt die Stufen hinab in die Mitte des Saales. Bei seinem Nahen erhoben sich die Damen und erwiderten seinen Gruß mit höflicher Verneigung. Zwei und zwei ordneten sie sich dann, bei den Klängen der Musik, zu Gruppen und vollführten einen kunstvollen Tanz, in dem jede Gruppe vor dem Throne des Königs schwebenden Schrittes vorüber zog. Nachher, beim Bankett in dem Saal, wo sonst die Wahlstimmen gesammelt werden, bedienten die jungen Patricier den König, den Dogen und die Schönen.

Unter diesen Schönen nun war Madonna Violanta eine der schönsten, und Messer Francesco Venier verlor bei ihrem Anblick das Herz an sie. Er gehörte zu den vierzig jungen Edelleuten, welche die Republik dem Könige zum Ehrengefolge während seines Aufenthaltes in Venedig bestimmt, und so konnte er in aller Freiheit und ohne daß sich Jemand von den Verwandten des Mädchens darüber hätte aufhalten dürfen, dasselbe während des ganzen Festes betrachten und, hinter dem Schemel Violanta’s stehend, bei dem Bankett ihr die Schüsseln reichen und den Wein in das Glas gießen. Dabei wurde es ihm möglich, einige zärtliche Worte flüsternd mit ihr zu wechseln, und was er wegen der Nähe der Andern nicht zu sagen wagte, das sagten statt der Lippen seine Blicke, welche die Jungfrau unter dem leisen Erröthen ihrer Wangen und dem Pochen ihres Herzens nur zu wohl zu deuten verstand. Wie viel nun aber auch zwischen ihnen unausgesprochen blieb, ihre Augen hatten, sich begegnend, eine Brücke zwischen ihnen geschlagen. Ganz tiefsinnig und schweigsam stieg die Jungfrau nach dem Schlusse des Festes mit ihrer Muhme die Riesentreppe in den Hof des Palastes hinab und schritt über die Piazzetta nach dem Ufer zu, wo unter den andern ihre Gondel lag. Das Gespräch ihrer munteren Verwandten zerstreute sie nicht, und als dieselbe nun gar den guten Anstand und die ritterliche Höflichkeit Messer Francesco Venier’s rühmte, hüllte sie sich in ihren Schleier, damit die Röthe ihres Antlitzes sie nicht verrathe.

Auch der Jüngling war in der heftigsten Bewegung, als wäre eine himmlische Erscheinung ihm zu Theil geworden. Am liebsten wäre er ihr gefolgt oder hätte in einer Gondel in der Nähe ihres Hauses Posto gefaßt, zu erwarten, ob sie auf den Balcon hinaustreten würde, die Frische des Abends einzuathmen. Aber er mußte der Pflicht und dem Dienste des Königs gehorchen und ihn im feierlichen Aufzuge nach seiner Wohnung im Palaste Foscari, da, wo der Canal die Biegung macht und man links nach dem Rialto und rechts nach dem Kloster der regulirten Chorherren und der Kirche Santa Maria della Carità sieht, geleiten. Und auch dann war er noch nicht frei, denn der König, der Geschmack an ihm gefunden, behielt ihn zum Ballspiel bei sich und fragte ihn nach dem Namen und den Verhältnissen der einen und der andern Schönen, worauf Messer Venier, so weit er es vermochte, bescheidene Auskunft gab. Erst spät am Abend entließ ihn der König aus seiner Gesellschaft, und einen weiten dunklen Mantel umnehmend, der sein Festkleid verbarg, fuhr der Jüngling an das andere Ufer des Canals, um einsam durch die Gassen und Gäßchen nach dem Platze von San Marco zu schlendern.

Mancherlei Gedanken bestürmten seine Seele; ging auch, wie die Verliebten sagen, der Schatten des schönen Mädchens neben ihm her, und sah er auch oft seufzend, wie jene zu thun pflegen, zu dem Monde empor, der am dunklen Himmel herrlich aufgegangen war, so ließen doch ernste Betrachtungen keine ungetrübte Freude in ihm zum Ausbruch kommen. Denn er bedachte, daß seit zwanzig Jahren ein erbitterter Streit die Familien Venier und Giustiniani trennte. Ursprünglich war es ein Rechtshandel zwischen den Geschlechtern wegen einer Besitzung im vicentinischen Gebiet gewesen, politische Gegensätze hatten den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_010.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)