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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Unterhaltung zu tragen. Unsere beiden Narren, welche der treffliche Düsseldorfer Gehrts so geistreich gezeichnet hat, nehmen offenbar in lustigem Wortgefecht den Zuhörern die Mühe ab, in Reimen, Räthselsprüchen und Vexirfragen die eigene geistige Schlagfertigkeit und Findigkeit zu erproben.

Ein beliebtes Unterhaltungsspiel für beide Geschlechter war das Schachspiel (Schachzabel). Ein Schachbret gehörte zum Inventar eines jeden wohlanständigen Hauses. Es hing oft an einer Kette befestigt an einem Pfeiler des Saales; die Figuren waren von großem Umfange, sodaß sie auch einmal, wie im „Parcival“ erzählt wird, als Schleudern gegen einen andringenden Feind gebraucht werden konnten. Anfangs waren sie von Holz. Später trieb man mit ihnen viel Luxus; nicht blos das Elfenbein, auch Silber und Gold lieferten das Material dazu, und aus den plumpen und einfachen Gestalten wurden künstlerische Compositionen, bei denen man den ursprünglichen Charakter der Figur oft kaum wieder herausfindet.

Aber auch das Würfel- und Knöchelspiel (Topel- und Bickelspiel) wurde von den Damen nicht verschmäht, zum Aergerniß der Dichter, die nicht begreifen können, „wie eines Würfels todtes Bein ein lebend Herz bethört, daß es mit jedem Sinn allein zu eigen ihm gehört“. Es war sogar, wie wir aus Conrad von Würzburg’s „Trojanerkrieg“ erfahren, ein beliebter Zeitvertreib für „junge Mägde“. Die Würfel hatten, nach Exemplaren aus dem Germanischen Museum zu urtheilen, oft recht wunderliche Formen, besonders diejenigen von hockenden Männern. Oft spielte die Tochter des Hauses mit dem einkehrenden Gaste zusammen, und da geschah es wohl, daß dieser, wie Rudlieb’s Neffe in dem Gedichte „Rudlieb“, Ring und Herz zugleich verspielte. Auch das Pfalzgraftöchterlein Agnes von Hohenstaufen und Heinrich von Braunschweig, Heinrichs des Löwen Sohn, saßen am Morgen nach der heimlich zur Nachtzeit erfolgten Trauung ruhig beim Schach, als der nichts ahnende Pfalzgraf eintrat und staunenden Auges entdeckte, was geschehen war. Die Spielkarten kamen frühestens im dreizehnten Jahrhundert in Gebrauch; auch ihrer bemächtigten sich die Frauen und hielten gleich unseren modernen Spielkränzchen ihre „Karthöfe“ ab.

Das Vorlesen von Erzählungen und Gedichten aus den oft mühsam erborgten Handschriften wurde zu einem beliebten Unterhaltungsmittel für kleinere und größere Gesellschaften, und dieses Amt fiel vornehmlich den Frauen zu, weil ihnen die alleinige oder doch größere Schriftkunde zur Seite stand.

Eine ritterliche Frau finden wir selten ohne ihren Lieblingshund, meist ein schmeidiges Windspiel, das in der Kemenate bei der Arbeit zu ihren Füßen lag oder ihr leichtfüßig in Hof und Feld folgte. Auf den Teppichbildern und Holzschnitten bildet er die ständige Zubehör der Frau; sie hat ihn oft mit eigenem Mühen abgerichtet. Auch schnarrende Papageien und sprechende Staare befinden sich in ihrer Umgebung, und vor Allem der edle Falke, das Lieblingsthier der vornehmen Frauenwelt. Die Edelfrau hüllte ihren Leibfalken in seidene, golddurchwirkte Decken und wob ihm bunte Kappen. Sie trug den an den Füßen mit seidener Schnur Gefesselten auf der Faust herum nicht blos zur Jagd, sondern auch beim bloßen Spazierritte, bei Besuchen und selbst in der Kirche. An der Falkenjagd nahm sie den regsten Antheil, und manche edle Frau büßte wie Maria von Burgund ihr Leben dabei ein durch einen Sturz vom Pferde. Bei den großen Jagden auf das wilde Gethier war die Frau nur als Zuschauerin und Wirthin thätig. Dabei bestand das eigentümliche, auch im „Tristan“ erwähnte Recht, daß, „wer einen weißen Hirsch erlegte, von den anwesenden Jungfrauen eine küssen konnte, welche er nur wollte.“

Auch das Ballspiel bildete einen Zweig der geselligen Unterhaltung. Man übte es im Freien oder in bedeckten Hallen. Zwei Parteien, die werfende und die fangende, standen sich gegenüber, gewöhnlich, wie überlieferte Holzschnitte zeigen, die Männer auf der einen, die Frauen auf der andern Seite, so beim Palmenspiele, bei welchem man länglich-runde Bälle mit drei Handhaben benutzte. Das Ballspiel wurde sehr oft in den Tanz eingeschlossen. Dies führte dazu daß ein solcher Tanzabend den Namen „Ball“ erhielt, eine Bezeichnung, die auch noch verblieb, als man in den Tanzpausen nicht mehr das Ballspielen trieb.

Der vom schönen Geschlechte mit nicht geringerer Leidenschaft wie heutzutage gepflogene Tanz hatte doch zu jener Zeit mehr ein innerliches, als ein äußeres Gepräge. Der in den höfischen und vornehmen Kreisen gebräuchliche Tanz beschränkte sich auf ein paarweises Herumgehen in schreitender oder schleifender Bewegung (die sogenannte Carole), wobei der Tänzer die Tänzerin züchtiglich an der Hand führte. Voran schritt die Musik: ein Zusammenklang von Zinken, Trommetten, Posaunen, Schwegel- und Querpfeifen. Bei feierlichen Gelegenheiten gingen Fackelträger vorauf. Schon auf dem Turnier zu Trier 1019 tanzten die Grafen Endres von Neuenburg und Gerlach von Hohen-Cassel dem Herzoge Magnus von Sachsen und der Kaiserin mit Windlichtern vor, was andere Grafen am andern Tage wiederholten. Wir wissen, daß ein Ueberbleibsel dieses Fackeltanzes sich noch bis in die Gegenwart hinein erhalten hat. Zur Musik gesellte sich gleichzeitig der Gesang. Das den Reigen anführende Paar – Vortänzer und Vortänzerin – stimmte ein Tanzlied an, und die übrigen Tänzer wiederholten den Refrain oder auch wohl die Verse selbst.

„Die Ritter tanzten und sprungen
Mit den Frauen und sungen
Zum Tanz manch hübsches Lied“

heißt es in einem alten Gedichte. Selbst Fürsten und edle Herren, so Herzog Friedrich der Streitbare von Oesterreich, verschmähten nicht das Vorsängeramt, und berühmte Minnesänger dichteten Tanzweisen. So singt Walther von der Vogelweide in einer solchen:

   „,Nehmt, Herrin, diesen Kranz!’
Sprach ich jüngst zu einem Mägdlein wunderhold,
   ,So zieret Ihr den Tanz
Mit den schönen Blumen, die Ihr tragen sollt;
   Hätt’ ich viel Gold und Edelsteine,
   Sie müßten Euch gehören,
   Kann ich redlich schwören,
   Vertraut mir, daß ich’s ernstlich meine!’

   Sie nahm, was ich ihr bot,
Einem Kinde gleich, dem Freundliches geschieht;
   Ihre Wänglein wurden roth
Wie die Rose, da man sie bei Lilien sieht.
   Ihr Auge schämte sich, das lichte:
   Ein holdes Gegengrüßen
   Ward mir von der Süßen
   Und bald noch was ich nicht berichte.“

So wurde der Tanz zur verkörperten Minnepoesie. Zu einiger Abwechselung bildeten die Tanzenden wohl auch einen Kreis und gingen singend und den Gesang mit Gesten begleitend in der Runde, aus welchem Rundgange die von unseren Großvätern und Großmüttern her noch wohlgekannte „lange Reihe“ entstand, indem man Hand in Hand dem Vortänzer folgte, der sich in mancherlei Wendungen und Bewegungen erging. Besonders zeichnete sich, wie Wolfram von Eschenbach uns lehrt, Thüringen, das auch noch jetzt viel durchtanzte, durch Erfindung neuer Tanzweisen aus. Neben dem gemessenen Schleiftanz entwickelte sich schon bald der Sprungtanz, der im Gegensatze zu jenem den Namen Reihentanz führte. Bei den Rittern und Edelfrauen konnte derselbe schon darum nicht zur rechten Entfaltung kommen, weil die langen Schnabelschuhe beider Geschlechter und die langen Schleppen der Frauenkleider in dieser Richtung ein beschränkendes Nichtweiter auferlegten. Die eigentlichen Pflanzstätten für den Reihentanz waren die Tanzpläne der Handwerker und Dörfler. Doch gebehrdete sich der wilde losgelassene Naturtrieb des Volkes oft sehr unbändig, sodaß Kirche und Rathhaus öfter ihr Veto einlegten. „Sie sprang,“ heißt es in einem alten Liede von einer tanzenden Dorfschönen, „mehr denn eine Klafter lang und noch höher.“

Noch im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts ging der Schleif- und Reihentanz allmählich über in den Rund-. und Drehtanz. An die Stelle der sogenanntem deutschen Führung, des Geleitens Hand in Hand, trat unter wälschem Einflusse das dadurch bedingte engere Umfassen der Tanzenden, nicht ohne energischen, aber doch vergeblichen Widerstand der sittenstrengen Obrigkeit, die sich bis zu einer Strafe von fünf Pfund Heller gegen die freveln Pfleger der neuen Mode verstieg. So entstand unter harten Geburtswehen der deutsche Walzer und die ganze Reihe der vielfach aus dem Auslande importirten Rundtänze.

Während die edleren Geschlechter in den Sälen der Schlösser und Rathhäuser tanzten, benutzte das Volk zur Sommerszeit als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_032.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)