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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

überraschend glücklichen Resultaten gewidmet hatte. Diesem Gefühl eines ungemein herzlichen Dankes entsprang in ihm der Vorsatz, dem Publicum auch einmal das Bildniß des Mannes vorzuführen, dem es möglich geworden, ihm endlich, entgegengesetzt allen anderweitigen erfolglos gebliebenen Versuchen, wirklich gründliche Befreiung von einem Leiden zu bringen, das unter allen Völkern und zu allen Zeiten unzählige Gemüther verschüchtert und herabgedrückt und peinigende Störung in unzählige Lebenswege geworfen hat. Der leider so schnell hereingebrochene Tod Ernst Keil’s verhinderte diesen an der Ausführung seiner Absicht, und die jetzige Redaction übernimmt es, durch Veröffentlichung des nebenstehenden Portraits zugleich pietätsvoll dem Wunsche des Verstorbenen und der noch von ihm getroffenen Anordnung zu entsprechen, um so lieber, als

Rudolf Denhardt.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

ihr eine außerordentliche Zahl dankbarer Zuschriften von Lesern der „Gartenlaube“ zugegangen sind, welche auf die gegebene Anregung hin an der nämlichen Stelle Hülfe gesucht und gefunden haben. Die zahlreichen Freunde Denhardt’s, denen er geholfen, oder die sein rüstig liebreiches Wirken gesehen, werden hier gern seine Züge erblicken, in Anderen, zu denen bisher sein Ruf noch nicht gedrungen, werden sie unzweifelhaft das Vertrauen in die Persönlichkeit erwecken, dessen der Helfer vor Allem bedarf. Bemerkt sei hier nur noch, daß wir auch in einem seit längerer Zeit vor uns liegenden Programme eine lange Reihe schöner Zeugnisse gefunden, in denen nicht blos Privatpersonen, sondern auch Regierungen, Behörden und berühmte medicinische Autoritäten der verschiedensten Länder bekunden, daß es eine durchaus wissenschaftlich-rationelle Methode ist, durch welche Rudolf Denhardt, ohne Operationen und Medicamente, Stotternden jeden Alters binnen Kurzem zu fließendem Gebrauch ihrer Sprache verholfen hat.




Cichorien-, Gesundheits- und Feigenkaffee. Wir lesen jetzt alle Tage in den Anzeigen der illustrirten Blätter, daß der Liebhaber einer ausgezeichneten Tasse Kaffee, wie man sie in Karlsbad und Wien zu trinken bekommt, sich diesen Genuß einzig mittelst eines kleinen Zusatzes von Feigenkaffee verschaffen könne. Schon lange, ehe der Feigenkaffee in Aufnahme kam, waren die böhmischen Bäder wegen ihres guten Kaffees bekannt, dessen Vorzüge man ehemals lediglich dem Freibleiben von Surrogaten, der guten Bereitung und einem ganz kleinen Zusatze von doppelt-kohlensaurem Natron zuschrieb. Schreiber weiß nicht, ob das richtig ist, aber so viel weiß er, daß Norddeutsche, die an einen guten Kaffee gewöhnt sind, wenn sie in Tirol oder in der Schweiz mit „Feigenkaffee“ bewirthet werden, sich gar sehr nach ihren Hamburger Kaffeetöpfen zurückzusehnen pflegen. Wer wirklich ein Feinschmecker im Kaffee ist, der wird sich schwerlich jemals mit Surrogaten befreunden, die im Allgemeinen einen ganz anderen Zweck haben, als die Geschmacksverbesserung. Kaffee ist, wenn er gut sein soll, ein theures Familiengetränk, und daher hat man seit der Zeit, in welcher sein Genuß allgemeiner wurde darnach gestrebt, einen billigeren Familienkaffee herzustellen, die Bohnenbrühe, wie der Volksmund sagt, „langzuziehen“. Es geschieht dies bekanntlich, indem man kochendes Wasser mit einer beliebigen bitterlich schmeckenden gerösteten Masse so dunkelbraun färbt, wie ein guter Kaffee-Aufguß sein soll, und dabei, um den Schein zu retten und das Gewissen zu beruhigen, ein klein wenig echten, wirklichen Samen vom Kaffeebaum mit in den Färbebeutel thut. Das Aussehen thut eben viel, und die Hausherren, welche dunkle Biere wegen ihres größeren „Gehalts“ den hellen vorziehen, sollten nicht über ihre lieben Schönfärberinnen in der Küche schelten, denn die dunklen Biere sind eben auch nur gefärbte helle Biere, und mit den nährenden und berauschenden Bestandtheilen des Bieres hat die dunkle Farbe ebenso wenig unmittelbar zu thun, wie die rote des Rothweines. Um nun dem unbestreitbaren ökonomischen Vorzuge der Surrogate ein Mäntelchen umzuhängen, hat man seit jeher behauptet, der Kaffee sei ein bedenkliches Gift und die Surrogate seien viel gesünder.

Schon die wohlthätigen Erfinder der Cichorien-Fabrikation, Major von Heine und C. G. Förster, welche um’s Jahr 1763 den Cichorien-„kaffee“ einführten, und am 1. October 1770 ein ausschließliches Privilegium für den Anbau der Cichorie und die Verarbeitung ihrer Wurzel im preußischen Staate erhielten, betonten diesen Punkt ganz besonders. Die aus ihrer Berliner Fabrik hervorgehenden Cichorienpäckchen trugen neben der Firma das Bild eines deutschen Mannes, welcher mit der einem Hand Cichorien säet und mit der anderen mehrere von den in der Ferne sichtbaren Kaffee-Eilanden hersegelnde Kaffeeschiffe zurückweist, indem er ausruft: „Ohne Euch gesund und reich!“ Es ist ja ganz sicher, daß für manche nervös leidende Personen der Kaffee nicht gesund ist, ja daß es sogar vielleicht ganz im Allgemeinen besser wäre, wenn wir, wie die alten Deutschen, des Morgens unsere Hafergrütze äßen, allein der Mensch hat einen wahren Heißhunger nach Erregungsmitteln, die ihm die Misèren des Lebens erträglicher machen, und unter ihnen ist der Kaffee lange nicht das Schlimmste. Es giebt sogar auf der anderen Seite Gesundheitsräthe, welche die Cichorie für noch bedenklicher als den Kaffee halten, da sie die Verdauung stören soll, und die in ihr und dem Branntwein den wahren Quell der Socialdemokratie suchen. Mit dem Branntwein mögen sie zum großen Theil Recht haben, mit dem Cichorienkaffee ist das wohl nicht ganz so schlimm. Das in allen solchen Wurzeln und Samen beim Rösten entstehende und also auch im Kaffee selbst nicht fehlende Röstbitter scheint die Verdauung etwas zu verlangsamen, eine Eigenschaft, die wohl mit dazu beiträgt, daß Kaffee den Hunger stillt. Das Einzige, was man diesen färbenden Bitterstoffen mit Recht vorwerfen kann, wäre, daß ihr Ursprung oft so dunkel wie ihre Farbe ist: neben den Cichorienwurzeln kommen Runkelrüben und Schlimmeres zur gelegentlichen Verwendung, das Surrogat wird selber surrogirt. Ja, was sollen die armen Cichorien-Fabrikanten machen, wenn die blaue Blume mal nicht geräth?

Nicht viel besser mag es mit den gebrannten Eicheln und den gebrannten Feigen zugehen, denn auf dem abschüssigen Wege des Surrogatprincips kommt es natürlich einzig darauf an, daß das Präparat kräftig färbt und nicht gar zu übel schmeckt. Einem Berliner Fabrikanten warfen die Zeitungen kürzlich vor, daß er seinen „Feigenkaffee“ vorzugsweise aus Lupinensamen brenne, und wenn die Lupinenbohne auch nach einer neuern Auslassung nur den geringeren Surrogaten hinzugefügt wird, um ihnen „Consistenz“ zu verleihen, so giebt das schon einen Vorgeschmack davon, was alles in dieser schwarzen Kaffeefarbe sein Ende findet. Die Feigen, welche man in Wälschtirol erntet, haben gegen süditalienische, griechische und kleinasiatische Feigen den Nachtheil, sich nicht so gut zu halten. Man hat daher schon alles Mögliche versucht um sie zu verwerthen, z. B. Branntwein daraus gebrannt, und nun ist man darauf gekommen, sie zum Kaffeefärben zu verbrauchen. Die Verwerthung schlechter Feigen ist somit der vornehmste Zweck des Feigenkaffees. Das Vorhaben, den Geschmack guten Kaffees damit zu verbessern, kommt unseres Erachtens auf dasselbe hinaus, als wenn man das feine Arom guten chinesischen Thees mit Vanille, oder gar, wie es früher Mode war, mit Sternanis erstickt. Die geröstete Feige giebt dem Kaffee eine Weichlichkeit, die ja Manchem angenehm sein mag, Anderen entschieden unangenehm ist und jedenfalls eine Fälschung des reinen Kaffeearomas herbeiführt. Indessen über Geschmack und Mode läßt sich nicht streiten. Denjenigen, die den Kaffee nicht vertragen können und doch der süßen Gewohnheit des schwarzen Trankes nicht entsagen wollen, möchten wir rathen, sich selbst Roggen oder Weizen zu rösten und ihn als „Gesundheitskaffee“ zu verbrauchen; sie wissen dann wenigstens, was sie trinken.



Wie schwächere Thiere von der Kraft und Geschicklichkeit stärkerer Nutzen ziehen. Nr. 42 des vorigen Jahrgangs dieser Zeitschrift brachte unter dem Titel „Seltsames Phänomen aus dem Leben der Wandervögel“ die höchst interessante Beobachtung, daß kleinere Singvögel mit geringerem Flugvermögen, insbesondere Bachstelzen, die großen Reiherarten, namentlich Störche, als Luftschiffe benutzen und sich von diesen über’s Meer tragen lassen. Diese überraschende Thatsache war allerdings auch meines Wissens bisher der Wissenschaft noch unbekannt, der Bericht verdient aber, wie ich hier hervorheben möchte, volles Vertrauen, da noch viele andere schwächere Thiere auf ähnliche Weise aus der Kraft

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_091.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)