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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

der linken Seite des Bildes, putzt sich die Flaggensylphe, Steganurus Underwoodi, welche ebenfalls schillernd grün gefärbt ist. Der kleine, neben dem Schwertschnabel befindliche Colibri heißt Acestura Heliodori; der Rumpf des reizenden Thierchens ist grün: die Kehlfedern sind blutroth, glänzend, und die feinen Schwanzfedern schwarz.

Obgleich eine Reihe von ausgezeichneten Beobachtern, wie Audubon, Gosse, Gould und Andere, ausführliche Schilderungen der Colibris oder Schwirrvögel gegeben haben, glaube ich doch den Lesern der „Gartenlaube“ eine nicht uninteressante Unterhaltung zu bieten, wenn ich die seit einer langen Reihe von Jahren gemachten eigenen Beobachtungen bezüglich der am häufigsten nach Deutschland gebrachten Colibriart mittheile, welche im Allgemeinen auf alle bis jetzt bekannten Arten passen. Zur Zeit kennt man nahe an vierhundert verschiedene Arten dieser lebenden Juwelen im Reiche der Vögel.

In dem Theile von Illinois, den ich seit fast einem Vierteljahrhundert bewohne, beobachtete ich zwei Arten von Colibris. Die auf S. 104 abgebildete Art (Trochilus colubris), ungefähr drei Zoll lang, wovon aber der nadeldünne, etwas gekrümmte schwarze Schnabel ungefähr ein Drittel ausmacht, ist auf dem Kopfe, der Brust und dem Rücken glänzend smaragdgrün mit purpurrothem oder blauem Schimmer, je nachdem das Licht auf den Vogel fällt, am Halse brennend rubinroth; die kurzen Flügelchen sind schwärzlich und unten am Bauche weißlichgrau.

Die andere Art, deren wissenschaftlicher Name mir unbekannt (Selasphorus rufus? D. Red.), ist durchaus kupferroth mit glänzendem Metallschimmer. Die erste Art ist sehr häufig, kommt schon im Mai und verläßt uns erst in der Mitte des Monats October. Die kleinere rothe Art ist hingegen selten, und ich habe sie nur sehr vereinzelt in der heißesten Zeit des Sommers zu Gesicht bekommen, auch einen Unterschied in den Lebensgewohnheiten beider Arten nicht bemerken können. Sie ernähren sich von den fast mikroskopisch kleinen Kerbthieren, die sich in den Blumenkelchen aufhalten, und das bischen Honig , das dabei mit aufgesaugt werden mag, kann nur als Zuspeise gelten; wenigstens war der Magen, den ich bei einigen getödteten Exemplaren untersuchte, fast gänzlich mit kleinen Insecten und deren Ueberresten angefüllt. Meine Annahme wird noch dadurch verstärkt, daß sie alle Blumen, von denen doch viele giftig sind, ohne Unterschied besuchen. Freilich zeigen sie für einige Blumen, wie z. B. Bignonien, Ipomäen, Malvaceen, besondere Vorliebe, dies mag aber durch deren röhren- und trichterförmigen Bau besagter Blumen, welche deswegen leichter zugänglich und durchsuchbar sind, verursacht sein. Hierbei ist zu bemerken, daß alle Bignonienarten mehr oder weniger giftig sind.

Beide Colibriarten scheinen nicht hier zu brüten; wenigstens habe ich trotz der sorgfältigsten Nachsuchungen noch kein Colibrinest aufzufinden vermocht und ebenso wenig von Anderen gehört, daß sie in Aufsuchung solcher erfolgreicher gewesen wären. Auch unsere luchsäugigen amerikanischen Jungen, denen ich eine Belohnung für die Auffindung eines Nestes zusicherte, sind nicht glücklicher gewesen. Die Stimme der Colibris ist ein leises Zirpen, welches sie nach ihren verschiedenen Affecten außerordentlich zu moduliren wissen, sodaß man bei einiger Aufmerksamkeit und Erfahrung leicht erkennen kann, ob sie damit Wohlbehagen, Schmerz, Furcht oder Zorn ausdrücken wollen. Die kleinen Bursche sind nämlich gar nicht wenig zornmüthig, aufbrausend und streitsüchtig, und nicht nur daß sie unter sich selbst gar häufig in Hader und Streit sind: sie scheuen sich nicht im Mindesten, Händel mit zehnfach größeren Vögeln anzufangen, die sie auch gewöhnlich in die Flucht jagen, da sie ihnen sowohl durch blitzschnelle Manöver wie durch die mit den nadelspitzigen Schnäbeln gegen die Augen gerichteten Angriffe überlegen sind.

Nur höchst oberflächlich und cursorisch wurde in allen Schriftwerken, die ich über die Colibris las, deren Flug besprochen, und in keiner der mir zur Hand gekommenen Beschreibungen ist derselbe richtig geschildert worden. Ihre Leistungen in dieser Beziehung sind ganz außerordentliche, und sie können als wahre Virtuosen in der Kunst des Fliegens betrachtet werden. Weder irgend ein anderer Vogel, noch ein fliegendes Insect hält einen Vergleich mit ihnen aus; am meisten ähnelt der Flug des Colibris dem der großen Abendfalter, wenn dieselben Nahrung suchend die Blumen umschwirren. Sie sind im Stande, mehrere Minuten lang an einem Platze in der Luft still zu stehen. Der kleine Körper bleibt dabei vollkommen in der Ruhe, und nur die Flügelchen bewegen sich mit so enormer Schnelligkeit, daß man sie nur schattenhaft erkennen kann, und mit einem Geräusch, welches dem einer schnarrenden Spindel gleicht. Dabei können sie sich langsam oder schnell ganz beliebig nach allen Richtungen rechts oder links, aufwärts und abwärts, ja sogar rückwärts bewegen, ohne den Kopf dahin richten zu müssen, wohin sie zu kommen beabsichtigen. Diese Flugweise wenden sie aber nur dann an, wenn sie, die Blumenkelche durchsuchend, sich von einer Blüthe zur nahestehenden andern bewegen, und sie wissen trotz der immensen Schnelligkeit des Flügelschlags auf Haarbreite genau vor der Blume still zu stehen, die sie gerade durchsuchen wollen. Für weitere zu durchmessende Entfernungen fliegen sie wie andere Vögel mit dem Kopfe voran, aber mit der ihnen eigentümlichen Schnelligkeit. Auch vermögen sie fast schnurgerade senkrecht zu beträchtlicher Höhe zu steigen.

In der Gefangenschaft sind sie äußerst schwierig am Leben zu erhalten. Ich habe es nur ein einziges Mal versucht, als sich vor mehreren Jahren ein Colibri von der seltenen kleinen Art zwischen unsere amerikanischen Schiebfenster verflog und wir ihn, um ihn nicht zu beschädigen, mit dem Schmetterlingsnetze erhascht hatten. Da nun die Frau meines Hausmiethers ausnahmsweise gerade kein kleines Kind hatte, so wurde der vacante großmaschige Wiegenkorb mit einem Muskitonetze überdeckt und unser kleiner Gefangener in dieses improvisirte Vogelbauer gesetzt. Zur Nahrung wurden ihm jeden Tag zwei- bis dreimal große frische Blumenbouquets sowie ein Näpfchen mit stark verdicktem Zuckerwasser in seine luftige Wohnung gegeben. Er schnurrte und summte den ganzen Tag um die Blumen, sein Schnäbelchen bald hier und bald dort in deren Kelche tauchend, ohne je das Zuckerwasser zu berühren, und setzte sich nur des Abends bei einbrechender Dämmerung auf eine hervorstehende Weidenruthe in seinem Korbe, aber schon am vierten Morgen fanden wir ihn ganz erschöpft und wie todt mit ausgebreiteten Flügeln am Boden liegen und beschlossen, ihm lieber die Freiheit wieder zu geben, als ihn elend in der Gefangenschaft verkommen zu lassen. Wir trugen den Korb alsbald in’s Freie, und kaum daß wir das Muskitonetz hinweg gezogen hatten, so schoß er mit fröhlichem Zirpen kerzengerade in die Höhe und war im Moment unsern Blicken entschwunden. Uebrigens sollen schon zu verschiedenen Malen Damen in St. Louis Colibri’s von der größeren grünen Art unter ähnlicher Behandlung, wie ich sie eben angab, einige Monate in der Gefangenschaft am Leben erhalten und sie gegen Ende des Sommers frei gelassen haben.

Auf der Südseite meines Hauses am Garten ist die Veranda von einer mächtigen Bignonia radicans ganz übersponnen und vom Juli bis September mit deren großblumigen orangerothen Blüthenbüscheln übersäet. Nun pflege ich während der heißen Sommerzeit in diesem stillen Schattenplätzchen manchen lieben Tag lesend und studirend zuzubringen oder rauchend im dolce far niente zu verträumen. Da schwirren und schweben nun meine kleinen Lieblinge vom frühen Morgen bis zum späten Abend um diese Blüthen, emsig beschäftigt, jede derselben nach kleinen Insecten zu durchsuchen. Manchmal ist ein ganzes Dutzend auf einmal da. Jeder Einzelne hält sich jedoch sein eigenes Revier von ein paar Quadratyards, und so lange sich keiner einen Uebergriff in die Domäne des Nachbars erlaubt, oder kein Vogel anderer Art sich die Freiheit nimmt, zu nahe an ihnen vorbeizufliegen oder sich gar in ihrer Nähe auf einen Zweig zu setzen, herrscht die schönste Eintracht unter ihnen.

Leider kommen jene Zwischenfälle gar häufig vor, und dann hört auch augenblicklich alle Gemüthlichkeit auf. Mit gesträubtem Gefieder und wuthblitzenden Augen fährt der im ruhigen Genuß Gestörte auf den frevelnden Nachbar los; blitzschnell steigen sie in die Höhe und hoch in den Lüften entbrennt der erbitterte Kampf, daß die ausgerauften Federchen lustig fliegen, bis endlich der Besiegte das Weite sucht. Ein fremder Eindringling aber, und sei es auch, wie gesagt, ein zehnmal größerer Vogel, wird von einem Colibri allein, manchmal auch von dem ganzen Völkchen mit vereinten Kräften angegriffen und jedesmal in die schmählichste Flucht geschlagen. Nach einer solchen Haupt- und Staatsaction dauert es stets geraume Zeit, bis sie sich wieder gänzlich beruhigen, und wenn sie auch schon nach einigen Minuten zu ihrer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_106.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)