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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


mannigfaltiger, und auch der glänzendste Carneval der Jetztzeit mag, wie wir aus der folgenden getreuen Schilderung entnehmen

Die Schembarthölle vom Jahre 1539.

können, den Nürnberger Schembart des sechszehnten Jahrhunderts nicht übertreffen. Mit dem allgemeineren Gebrauch des Schießpulvers entstand eine Specialität des Nürnberger Schembarts: der Feuerkolben. Derselbe bestand aus einem hölzernen Kolben in der vergrößerten Form eines Tannenzapfens, mit Wintergrün umwunden; in seinem Innern barg er eine kleine Rakete, welche der Schembartläufer unter lustigen Sprüngen abbrannte.

Da das Schembartlaufen nur oben genannten Zünften zustand, so kauften ihnen die nicht minder lebenslustigen Söhne der „Geschlechter“ später fast alljährlich die Erlaubniß zu freier Ausnutzung ab, und erst jetzt, da sich die Reichen und Wohlhabenden an dem Feste betheiligten, entfaltet sich das Schembartlaufen zu einem jener Volksfeste, welche durch ihren bunten, mittelalterlichen Farbenglanz und ihren fast unbändigen Volkshumor unserer nüchternen Zeit beinahe wie ein seltsames, fremdartiges Räthsel erscheinen.

Zu nachstehender Schilderung benutzen wir, wenn auch in anderer Form, das Manuscript des Ulrich Wirschung, eines Handlungsdieners jenes Viatis, dessen Nachkomme das prachtvolle, später Peller’sche Haus auf dem Egidienberge baute.

Es ist um die Fastnachtszeit des Jahres 1523. Eine vorzeitige Frühlingssonne hat Straßen und Plätze des weiten, damals schon längst gepflasterten Nürnbergs getrocknet – lustig drehen sich im warmen Thauwinde die vergoldeten Fähnlein auf den Firsten und Thürmchen der hochgiebeligen Häuser; aus den zierlichen, in reicher Steinmetzarbeit ausgeführten Erkern hängen bunte, weit hinausstrahlende Teppiche; den größten Schmuck dieser mit buntfarbigen Fenstern versehenen Vorsprünge und Nischen aber bilden die frischen, von blonder Flechtenfülle umrahmten Mädchenköpfe, welche lachend auf das fröhliche Treiben in den Straßen hinabschauen, denn ein Schembartlaufen findet heute statt, und Patricier sowie Zünfte wollen dabei ihr Bestes thun. In dem mit bunten Fresken bemalten Hause des reichen Viatis an der Barfüßerbrücke

Metzgertanz beim Nürnberger Schembart von 1449.
Nach einem alten Original.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_149.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)