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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

der Schachtherstellung, an der Urquelle eine zweite, selbstständige Abteufung, und zwar beiläufig bis auf 60 Meter, unternommen werde. Der Ort dieser zweiten Abteufung ist nach den localen Umständen zu ermitteln; die Art der technischen Ausführung ist Sache einer weiteren Erörterung. Ich halte es jedoch für sehr dringend, daß auch diese Arbeit jetzt schon in Angriff komme. Es liegt die Versuchung nahe, eine Tiefbohrung weit über das angegebene Maß hinaus in Vorschlag zu bringen, durch welche nach meiner bestimmten Ueberzeugung eine heiße Springquelle von bedeutender Mächtigkeit erzielt werden könnte, aber sowohl die Rücksicht auf die speciellen medizinischen Anforderungen, welchen durch eine solche heiße Springquelle kaum entsprochen würde, wie auch die Befürchtung, ob nicht doch durch eine solche Tiefbohrung die Schönauer Quellengruppe trotz der Selbstständigkeit, welche dieselbe an der Oberfläche zeigt, in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, veranlassen mich, eine solche Tiefbohrung nicht anzurathen.

Es ist daher meine Ansicht, daß die schweren Besorgnisse über die Zukunft der Stadt Teplitz, welche da und dort geäußert wurden, durch die Natur der Dinge nicht gerechtfertigt sind, und daß die bestehenden Schwierigkeiten keineswegs unüberwindlich sind, wenn auch wahrscheinlich ein Theil der Teplitzer Thermen in künftigen Jahren einer Hebevorrichtung bedürfen wird.“

Die vom Professor Sueß vorgeschlagene Schachtarbeit hat begonnen. Am 22. Februar geschah der erste Spatenstich. Die Leitung der Abteufung ist dem Sprengtechniker Julius Mahler[WS 1] übergeben worden. Dem Gedeihen dieses Unternehmens wünschen gewiß viele Tausende mit uns ein herzliches Glück auf!

Schon seit Jahrzehnten ist übrigens – um dies zum Schluß noch zu erwähnen – unter der herrlichen Thalmulde zwischen Erz- und Mittelgebirg nicht Alles mehr beim Alten. Vor circa vierzig Jahren sprudelte plötzlich unfern des Dorfes Loosch zwischen Dux und Teplitz ein gewaltiger lauwarmer Quell, der sogenannte Riesenquell, hervor. Bis vor drei Jahren trieb er lustig ein Mühlwerk; ein stattliches Bad, die sogenannte „Grünze“, hatte sich in der Nähe angesiedelt, und kein Mensch dachte daran, daß er je ausbleiben könne; da ward er schwächer und schwächer, und heute gleicht sein Becken eher einem ausgebrannten Krater, als einem Quell. Unweit von Brüx, bei Kopitz, brach im Februar 1877 ein starker warmer Sprudel hervor, und den Bewohnern des Städtchens Waltsch fiel es schon längere Zeit auf, daß über einer Wiese in der Nähe der Stadt nie Schnee liegen blieb. Man grub nach, fand zwar kein Wasser, aber dafür bis auf 22 Grad Réaumur erwärmtes Erdreich. Dagegen entdeckte man vor fünf Jahren zu Tschausch beim Kohlenbohren starke warme Quellen. In zweifelloser Verbindung mit der Teplitzer Katastrophe stehen die Erdeinsenkungen bei Loosch, in der Nähe des eben erwähnten Riesenquells, welche am 13. und 14. Februar, also kurz nach der Teplitzer Katastrophe, niedergingen. Hier scheinen entweder große unterirdische Bassins zu liegen, oder es haben die sämmtlichen fraglichen Quellen hier ihren Quellherd. (Bei Loosch geht auch der mehrfach erwähnte Plänerrücken in ein mächtiges Kalksteinlager über, das stark abgebaut wird.) Der eingefügte Situationsplan giebt nähere Auskunft über Lage und Umfang dieser Einbrüche.

Teplitz, am 23. Februar 1879

Th. G.




Vergiftete Luft.


Lange bevor die Forscher im Besitze der Hülfsmittel waren, welche die Grenzen der Beobachtung heutzutage in ungeahnter Weise erweiterten, nannten schon die Italiener die Luft, welche zur wärmeren Jahreszeit aus den pontinischen Sümpfen aufsteigt oder über den feuchten Reisfeldern der Lombardei schwebt, die Malaria, das heißt: schlechte Luft. Die Erfahrung hat gelehrt, daß das Verweilen in solcher Luft böse Fieber zur Folge hat, die gar häufig mit dem Tode enden, und daher sucht man sie zu meiden, so weit es die Verhältnisse zulassen. Trotzdem aber fordert die Malaria alljährlich ihre Opfer, weder Hoch noch Niedrig verschonend. Italien ist jedoch nicht das einzige Land, dessen feuchte Niederungen die Malaria erzeugen, sondern fast überall, wo die Bedingungen zu Fäulniß organischer, namentlich thierischer Substanzen vorhanden sind, also in Sümpfen, austrocknenden Seen, moorigen Lachen etc., kann sich ein Gift bilden, das der Luft mitgeteilt und auf dem Wege der Athmung in den Körper aufgenommen wird, um daselbst eine Wirkung zu üben, die, je nach der Art des Giftes und der Disposition des Befallenen, sich in verschiedener Form äußert.

Im Gegensatz zu den Ansteckungsstoffen, welche ein erkrankter Organismus erzeugt, hat man die dem Erdboden entsteigenden Luftgifte mit dem Namen der Miasmen belegt, und eine Reihe hervorragender Forscher ist bemüht, das eigenartige Wesen derselben zu ergründen.

Diese Aufgabe ist nicht so einfach, wie sie beim ersten Anblicke erscheinen möchte; sie erfordert die peinlichste Sorgfalt und kritische Aufmerksamkeit, damit keine Täuschungen unterlaufen, die zu falschen Schlüssen Veranlassung geben. Beschäftigen wir uns einmal näher mit einer solchen Untersuchung der Luft auf fremde Bestandtheile, und zwar auf solche Bestandtheile organischer Natur, welche von den Medicinern als Krankheitserreger angesehen werden.

Wir haben zu diesem Zwecke nicht nötig, einen Abstecher nach den pontinischen Sümpfen zu machen, sondern die Luft dumpfer Felder bietet uns schon brauchbares Material; ja die Luft eines gewöhnlichen Zimmers oder die der Gasse wird sich bei genauer Prüfung selten als frei von gewissen Fremdkörpern zeigen, deren Unschädlichkeit berechtigtem Zweifel unterliegt.

Wie aber fangen wir nun die Fremdkörperchen, die so klein sind, daß sie selbst bei starker Vergrößerung durch das Mikroskop kaum wahrgenommen werden können?

Da wir noch kein Netz besitzen, dessen Maschen so fein sind, um damit Sonnenstäubchen aus der Luft zu fischen, müssen wir uns eines anderen Mittels bedienen, das zum erwünschten Ziele führt. Dieses Mittel ist – die Thaubildung.

In jeder Luft mittlerer Temperatur befinden sich reichliche Mengen von Wasserdampf, oder, wie wir ihn im täglichen Leben nennen, Wasserdunst. Bringen wir nun einen kalten Gegenstand in die wärmere, mit Wasserdampf geschwängerte Luft, so schlägt sich das Wasser in Gestalt kleiner Thautropfen an demselben nieder, wie zu seinem Aerger jeder Brillentragende erfährt, der im Winter aus dem Freien in ein warmes Gemach tritt. Der sich verdichtende Wasserdunst reißt dabei die winzigen Körperchen mit sich und überliefert sie in den Thautröpfchen dem Forscher zur weiteren Prüfung.

In der Praxis bedient man sich zum Fang der Sonnenstäubchen – so wollen wir die zahllosen Arten von Fremdkörpern nennen, welche in der Luft aufzutreten pflegen – kleiner trichterförmiger Glasgefäße, oder der bekannten röhrenförmigen Reagenzgläschen, die das unentbehrliche Handwerkszeug des Chemikers bilden. In ein solches Gefäß werden einige Gramme Glaubersalz gegeben, auf welches man, nachdem das Gefäßchen mit einem weichen Leder sauber abgetrocknet wurde, etwas Salzsäure gießt. Das Glaubersalz löst sich rapide in der Salzsäure und absorbirt bei diesem Vorgange die Wärme aus seiner nächsten Umgebung, und zwar in dem Maße, daß die Temperatur mehrere Grad unter den Nullpunkt herabsinkt. Sofort beginnt der Wasserdunst der Luft sich auf der Oberfläche des Glases in Gestalt von Tröpfchen – Thaubildung – niederzuschlagen; die Tröpfchen werden zum Tropfen, der sich an der Spitze des Gesäßes ansammelt und nun auf eine reine Glasplatte gebracht werden kann.

Die mikroskopische Untersuchung dieses Tropfens läßt hierauf mit Leichtigkeit die gröberen Verunreinigungen der Luft erkennen: Trümmer von Pflanzen und Thierkörpern, Blütenstaub, Sand und Gesteinstrümmer, Pflanzenfasern, Pilzsporen u. dergl. m., allein sie ist nicht im Stande, die feinsten Keime der mikroskopisch kleinen Organismen zur Wahrnehmung zu bringen, welche als die wahren Attentäter auf Gesundheit und Leben zu betrachten sind. Das etwaige Vorhandensein dieser Keime muß daher auf einem Umwege ermittelt werden, und zwar geschieht dies durch Aussaat und Cultur. Zu diesem Zwecke wird zerhacktes Fleisch oder Blutflüssigkeit, oder sonst eine passende organische Substanz mit Wasser gekocht und die erhaltene Flüssigkeit in dünnwandige Glasfläschchen filtrirt, die etwa bis zur Hälfte angefüllt sein dürfen. Der Hals


  1. Vorlage: Sprengtechniker Mahlmann, siehe Berichtigung
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_166.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)