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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

geworden sind. Die Frauen und Mädchen der Zulus sind während der Kindheit und Jugendblüthe oft wahre Bildhauermodelle in Anmuth und Eleganz des Körperbaues und leichter, fester Haltung, welche letztere durch die Gewohnheit, die schwersten Lasten auf dem Kopfe zu tragen, sehr gewinnt. Aber die ihnen aufgelegte harte Sclavenarbeit läßt sie schnell altern, und dann ist ihr ganzes Dasein nichts als Mühe und Arbeit bis zum Tode. Sie sind außerordentlich geschickt im sauberen Zusammennähen von Fellen und im Anfertigen von bunten Perlenstickereien womit sie die unbehaarte Seite ihrer Fellmäntel und Felldecken in den geschmackvollsten Mustern verzieren. Auch die Zulumänner sind in manchen Künsten der Civilisation wohl erfahren. So giebt es unter ihnen geschickte Töpfer, Korbflechter, Holzschneider, Eisenschmelzer und Nähter, und sie haben schöne Kochkessel und Brautöpfe, Pickäxte, Feldhacken und Nähnadeln ihrer eigenen Fabrikation. Auch brauen sie aus Kafferkorn ein vorzügliches Bier (Leting), welches einige Aehnlichkeit mit dem russischen Kwaß hat.

Die Zulus sind nicht die ursprünglichen Bewohner von Natal. Sie haben das Land erst in den Jahren 1816 bis 1828 unter ihrem Könige Chaka, einem südafrikanischen Attila, erobert und die ehemalige zahlreiche und glückliche, sehr civilisirte schwarze Bevölkerung zum größten Theile getödtet und vertrieben. Später (1838) nahmen die holländischen Boers ihnen das Territorium wieder ab; die Herrschaft derselben dauerte jedoch nicht lange, da die Engländer 1842 das Land in Beschlag nahmen. Zu dieser Zeit war das letztere in Folge der langen verheerenden Kriege so entvölkert, daß eine englische Zählung im Jahre 1843 nur zehntausend Schwarze ergab. Sobald aber die englische Regierung Ordnung und Sicherheit in’s Land gebracht hatte, äußerte dieser neue Culturzustand eine solche Anziehungskraft auf alle umwohnenden Schwarzen, daß die Zahl der schwarzen Bevölkerung der Colonie fortwährend lawinenartig zunahm, im Jahre 1848 schon 50,000, 1865: 200,000 betrug und heute sogar die Höhe von 350,000 Köpfen erreicht hat! Hunderttausend davon mögen auf die allmählich aus den Nachbarländern zurückgekehrten Reste der früheren Kaffernbevölkerung kommen, die vor der fürchterlichen Zuluarmee nach allen Windrichtungen hin aus einander gestoben, auch theilweise von jener in die Sclaverei nach Zululand geschleppt worden waren; die übrigen sind reine Vollblut-Zulus , die nach und nach aus dem eigentlichen Zulukönigreiche jenseits des Tugelastromes so zahlreich über die Grenze herüberströmten, weil sie dem despotischen und blutigen Regierungssysteme ihrer Heimath, namentlich aber den strengen Heirathsgesetzen oder dort verwirkten Strafen entgehen wollten, während sie unter dem Schutze der englischen Flagge die größte persönliche Sicherheit und Freiheit zu erwarten hatten.

Diese so große Masse von Schwarzen (die jetzt sämmtlich die Zulusprache adoptirt haben) würden nun kein besonderes Bedenken einflößen können, wenn sie ein friedliches und arbeitsames Volk und dabei willige und gehorsame Unterthanen der englischen Regierung wären. Es würde dann Natal zwar immerhin in der Hauptsache eine schwarze Colonie, aber die Sicherheit der kleinen Minorität von zwanzigtausend weißen Ansiedlern deshalb noch nicht gefährdet sein. Das Schlimme ist aber, daß jene schwarze Bevölkerung sich wenig aus der nominellen Oberherrschaft der englischen Regierung macht, indem sie nur ihre eingeborenen angestammten Häuptlinge als ihre unumschränkten Herren betrachtet, deren Befehlen sie unweigerlich Folge leistet.

Angesichts der absoluten Gewalt der eingeborenen Häuptlinge, die dem englischen Regierungsorganismus gegenüber einen festgegliederten Staat im Staate bilden, ist die Lage der weißen Colonisten von Natal eine immer bedenklichere geworden; sie ist heute, wo England sich in offenen Krieg mit Ketschwayo, dem Könige des benachbarten selbstständig-nationalen Zulureichs, gestürzt und jüngst die durch die Zeitungen gemeldete schwere Niederlage bei Roorkes-Drift erlitten hat, geradezu dem Lager auf einem Pulverfasse vergleichbar. Bei einer vorherrschenden anti-englischen Stimmung der zahlreichen die Colonie Natal bewohnenden eingeborenen Häuptlinge würde ein Aufruf des stammverwandten Zulukönigs genügen, um sofort über das ganze Land das Horn des Aufruhrs ertönen zu lassen. Da die unentschuldbare Nachlässigkeit der englischen Regierung es einer großen Anzahl von gewinnlüsternen weißen Flintenhändlern gestattet hat, die sämmtlichen Eingeborenen der Colonie allmählich mit europäischen Gewehren zu versehen, so könnten bei einem allgemeinen Aufstand der Kaffern von Natal in diesem Lande allein sehr bald eine Zahl von 50,000 Zulus und anderen schwarzen Stammesgenossen unter den Waffen stehen, die sich dann natürlich den 40,000 bis 50,000 geschulten Kriegern Ketschwayo’s anschließen würden. Nicht genug damit: der Funke des Aufruhrs könnte dann auch leicht unter die stammverwandten schwarzen Bevölkerungen von Transvaal und Kaffrarien und zu den Basutos hinüberspringen, sodaß, die Zulu-Unterthanen des Königs Ketschwayo mitgerechnet, zusammen schließlich eine schwarze Bevölkerung von mehr als anderthalb Millionen Köpfen an dem Kriege gegen die englische Regierung sich beteiligen würde. Eine solche Volkszahl könnte recht gut ein Kriegsheer von 200,000 Kaffern hergeben, wenn König Ketschwayo es verstehen würde, alle diese Elemente sich unterzuordnen und militärisch zu organisiren. Was würde unter solchen Umständen aus der Handvoll weißer Ansiedler werden, die, zusammen kaum 60,000 mit höchstens achttausend waffenfähigen Männern, über ein Landgebiet von 6240 deutschen Quadratmeilen meistens ganz einzeln verstreut sind? Die einzige Rettung, wenn der Aufstand die sämmtlichen Kaffern ergriffe, würde für die weiße Colonistenbevölkerung die eiligste Flucht aus dem Lande sein, entweder nach der Seeküste hin, wo sie sich unter den Schutz der kleinen regulären Armee begeben und sich mit dieser so lange verschanzen könnte, bis hinreichende Truppenverstärkungen aus Indien und England ankommen, oder über die Berge hinüber nach dem Oranje-Freistaat und der Capcolonie, wo von der dortigen schwarzen Bevölkerung wenig mehr zu fürchten wäre. Alle diejenigen weißen Familien, die nicht zeitig genug diese sicheren Gegenden erreichen könnten, würden von den grausamen und blutdürstigen Wilden ohne Gnade niedergemetzelt werden. Die Lage ist nach dem Siege der Zulu-Armee bei Roorkes Drift also eine äußerst ernste.

Es ist unglaublich, wie rasch in Südafrika eine Nachricht durch eingeborene Läufer von Ort zu Ort gebracht wird; sie eilt auf diese Art so schnell über die weitesten Ländergebiete, als geschähe es durch den geregeltsten Postverkehr. Die Botschaft von der Vernichtung einer englischen regulären Truppenabtheilung von 1400 Mann mußte über ganz Südafrika hin in allen Kaffern-Kraals die ungeheuerste Aufregung hervorrufen. Der Nimbus des stolzen Kriegsheeres der „Umlungu“ hat einen mächtigen Stoß erlitten; von dem Augenblicke an, wo der Weiße vom Kaffern nicht mehr gefürchtet wird, können wir das Schlimmste erwarten. Alles kommt jetzt darauf an, erstens, daß die englische Regierung nicht mit den sofort abzusendenden Truppenverstärkungen knausere (wie sie es leider so sehr liebt), und zweitens, daß es ihr gelinge, den Grundsatz: „Theile und herrsche!“ auch ferner noch zur Geltung zu bringen und die Eifersucht und die Stammes-Rancune der einzelnen Kaffernfürsten und Kaffernstämme geschickt zur Theilung des Feindes zu benutzen Nach den in den früheren Kaffernkriegen gemachten Erfahrungen dürfte ihr das Kunststück wohl auch dieses Mal glücken, denn der Gedanke einer nationalen Einheit ist noch nie in einem Kafferngehirne gereift, und von einem Kaffernpatriotismus, der die Antipathien der einzelnen Stämme gegen einander überwunden hätte, hat die bisherige Geschichte dieser Völkergruppe noch nicht zu berichten. Dazu kommt noch, daß eine der hervorragendstem Eigenschaften eines Kaffernfürsten stets die Habsucht zu sein pflegt. Durch kluge Geschenke von Geld und Geldeswerth in Vieh, Wagen und anderen Dingen, die der Kaffer liebt, dürften die englischen Regierungsbeamten vielleicht mehr erreichen als durch bloße Einführung von neuen Regimentern, da ja in dem menschenleeren und unwegsamen Südafrika die Frage der regelmäßigen Verproviantirung der letzteren eine so äußerst schwierige ist.

Mag nun die gegenwärtige weiße Colonistenbevölkerung der drohenden Katastrophe erliegen oder durch weiterhin günstigere Erfolge des kleinen Vertheidigungsheeres vor solchem Loose bewahrt bleiben – das Schicksal des Königs Ketschwayo und seines Zulureiches dürfte für die Zukunft besiegelt sein. Ein Reich wie England, das jetzt in 5 Welttheilen 290 Millionen Unterthanen zählt und außerdem einen unerschöpflichen Fonds von Capitalien zu seiner Verfügung hat, wird nicht vor einem wilden Negerkönig die Flagge streichen und ihn weitere Triumphe feiern lassen, die den Respect vor dem britischen Namen bei der gesammten eingeborenen Bevölkerung Südafrikas vollständig vernichten würden.

Wenn aber einst das kriegerische Zuluheer entwaffnet, Zululand den Ländern der englischen Krone hinzugefügt und damit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_207.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)