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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

in Italien und Spanien und überhaupt im nördlichen Umkreise des Mittelmeeres üblich sind. Pläne und Modelle dieser Einrichtungen waren in der letzten großen Ausstellung von Paris zu sehen.

Aus gutem Portlandcement werden große, länglich viereckige Kasten aufgebaut, welche Nischen enthalten, groß genug um einen Sarg aufnehmen zu können. Ein solcher Kasten enthält zum Beispiel zehn Nischen in einer Flucht, deren Oeffnungen auf beiden Langseiten sich befinden. Man kann drei, ja fünf solcher Stockwerke über einander aufstellen, ohne den Dienst zu erschweren, und somit Kasten bauen, welche hundert Nischen enthalten. Es wird durchaus kein anderes Material verwendet, als Cement, sodaß der Kasten gewissermaßen einen Felsen vorstellt, der wie eine Wabe auf beiden Langseiten von Nischen eingenommen ist.

Die Nischen stoßen mit ihren Hinterwänden im Inneren nicht zusammen, sondern die letzteren sind durch einen leeren Zwischenraum von zwanzig bis dreißig Centimeter Breite getrennt. In der Hinterwand jeder Nische finden sich zwei kleine Oeffnungen, eine beim Boden, die andere bei der Decke der Nische, welche in den leeren Zwischenraum führen und durch Klappen mittelst eines einfachen Mechanismns geöffnet werden können. Der Zwischenraum, in welchen alle diese Oeffnungen führen, ist oben zugewölbt und auf den Schmalseiten geschlossen, sodaß weder Gase noch Flüssigkeiten nach außen dringen können. Auf dem Kasten wird Dammerde angehäuft, und, je nach der Dicke der Schicht, werden darin entweder Blumenbeete oder selbst Sträucher und Bäume cultivirt.

Der Boden, auf welchem die Kasten aufgebaut werden sollen, wird, je nach Bedürfniß, ausgehoben und mit einer undurchdringlichen Schicht von Béton bedeckt. Auf dieser Schicht ruhen die Kasten mit flachen Gewölben, welche eine unterirdische Canalisation bilden, die mit Einlaßöffnungen für die Luft versehen ist. Die unterirdischen Canäle stehen sämmtlich mit einander in Verbindung und führen zu einem Centralkamin, in dem, je nach der Größe des Kirchhofes, Gas- oder Cokeflammen unterhalten werden, durch welche alle aus den Canälen, Zwischenräumen und Nischen aufgesaugten Gase verbrannt werden. Wie leicht einzusehen, läßt sich dieser Centralkamin auch so einrichten, daß er zum Verbrennen der Leichen dienen kann.

Der ausgehobene Grund und Boden wird dazu benutzt, um die Kasten zu decken und die Umfassungsmauer von außen wallartig zu schützen. In dieser Umfassungsmauer können ebenfalls Nischen angebracht werden. Sämmtliche Nischen werden von unten nach oben gefüllt – die unterste zuerst. Die Einrichtung der nöthigen Capellen, Leichenzimmer, Wohnungen etc. ist Sache der Architekten.

Der Dienst selbst ist äußerst einfach. Die Leiche wird mit dem Sarge in die ihr zugewiesene Nische eingeschoben und diese luftdicht verschlossen, mit einer Stein- oder Bronzeplatte, ja selbst, wenn man will, anfangs mit einer dicken Spiegelscheibe.

Daß jeder künstlerische Schmuck der einzelnen Nischen möglich ist, beweisen die Campi santi Italiens; nicht minder lassen sich alle Einrichtungen für Familiengräber, Concessionen auf dreißig Jahre oder mehr treffen, wie sie in einzelnen Ländern üblich sind.

Herr Schaeck-Jacquet berechnet die Kosten eines solchen, mit 10,000 Grabnischen ausgestatteten Friedhofes, der einen Flächenraum von 6000 Quadratmetern einnimmt, auf 200,000 Franken. Er glaubt, nach den jetzt in Genf herrschenden Preisen für Familiengräber, Einzelgräber auf ewige Zeiten und Gräber für dreißig Jahre, annehmen zu können, daß der Verkauf solcher Plätze die Anlagekosten in geringer Zeit decken würde, obgleich dieselben immer nur einen kleinen Bruchtheil (füns bis zehn Prozent) der Gräber ausmachen. Die meisten fallen der Rotation anheim. Wie lange kann diese dauern?

Ich habe Versuche verfolgt, die in einem kleinen Modell unter Leichen von Ratten und Kaninchen angestellt wurden. Der Centralkamin war durch ein Tag und Nacht brennendes Gasflämmchen ersetzt. In wenigen Monaten waren nicht nur die Weichtheile, sondern auch die Knochen in Staub zerfallen. Nicht der mindeste Geruch ließ sich spüren. Man darf dreist rechnen, daß in einer nach der angegebenen Weise gebauten Nekropole ein menschlicher Körper in dreieinhalb Jahren bis auf die erdigen Theile gänzlich zersetzt sein wird, sodaß man die Nische neu besetzen kann. Nehmen wir an, um ganz sicher zu gehen, daß man für die Nischen der Nekropolen als Maximum fünf Jahre setzte, so würde hieraus, da unter zehn Jahren auch in dem besten Boden die Rotation nicht stattfinden kann, eine Ersparniß der Hälfte Zeit hervorgehen. Hierzu kommt, daß man bei fünfstöckigen Kasten für fünf Leichen nicht mehr Bodenraum braucht als für eine. Man würde also innerhalb einer gegebenen Zeit zehn Leichen auf derselben Bodenfläche begraben können, auf der man heute eine einzige begräbt. Was das für unsere Städte sagen will, mag Jeder sich nach dem hier Gegebenen berechnen.

Die Nekropolen können auf jedem Boden angelegt werden, möge er eine Beschaffenheit haben, welche er wolle; sie bieten, wenn sie von gutem Material und tadellos hergestellt werden, dieselbe absolute Sicherheit gegen Infection des Bodens und der Luft, wie die Verbrennung; sie erhalten die Leiche lange genug; auch laufen sie gar keinen religiösen Bedenken zuwider, denn Erzväter und Apostel, Katholiken und Protestanten gingen und gehen in der nämlichen Art, wie die Leichen in diesen Nekropolen, der Auflösung entgegen.

Ich kann begreiflicher Weise hier nicht auf die Einzelnheiten eingehen, die Herr Schaeck-Jacquet in einer mit Zeichnungen und Plänen versehenen, in Genf erschienenen Broschüre aus einander gesetzt hat. Ebensowenig möchte ich behaupten, daß die Art der Bestattung in Nekropolen unbedingte Vorzüge bietet, wenn man sie von allen Gesichtspunkten aus betrachtet. Aber sie löst eine praktische Nothlage, welche die theoretisch vorzüglichere Feuerbestattung nicht lösen kann. Bei dem geringen Umfange des Flächenraumes, den sie beanspruchen, lassen sich die Nekropolen um so eher in der Nähe der Städte anlegen, als bei vorsichtiger Bereitung des Bodens und sorgfältiger Herstellung des Gemäuers jede Vergiftung von Luft und Boden von vornherein ausgeschlossen ist.

Es giebt nichts Neues unter der Sonne. Auch diese Neuerung ist nur eine zeitgemäße Modification einer sehr alten Bestattungsweise. Die Juden bedienten sich natürlicher Grotten oder künstlich ausgehauener Felsengräber, und der Gebrauch der Grotten läßt sich bis in die älteste Steinzeit zurück verfolgen. Die Nekropolen der alten Etrusker haben mehr Licht über dieses merkwürdige Volk verbreitet, als alle übrigen Quellen der Forschung zusammen. Das bedürfen wir heute nicht mehr, unsere Culturgeschichte wird den späten Nachkommen auf anderen Wegen vermittelt. Aber die lebenden Generationen verlangen Raum, um sich ausbreiten zu können, und für den raschen Zuwachs der Bevölkerung ist der Raum, welchen der Todte bei der gegenwärtigen Art der Bestattung auf eine Reihe von Jahren hinaus verlangt, zu groß, zu umfangreich. Den jetzigen Bedürfnissen werden die Nekropolen genügen, und dies in einer Weise, gegen welche auch der nicht Einsichtige kein Bedenken erheben kann.




Der wahre Glaube.
Skizzenblatt von Ernst Eckstein.

Fern im Osten, wo sich Völkerstämme und Religionssysteme in so wunderbarer Mischung durchkreuzen, lebt ein frommer katholischer Priester, der, wie seiner Zeit Harun al Raschid, die Gewohnheit übt, nach Sonnenuntergang verkleidet durch die Straßen der Stadt zu schweifen, um seine Gemeinde, die hier zerstreut unter Bekennern der griechisch-katholischen Kirche, des Judenthums und des Islam wohnt, gründlicher kennen zu lernen und sonstige Welt- und Menschenerfahrung zu sammeln. Es wäre Unrecht, wenn der Leser bei diesen allerdings ungewöhnlichen Verkleidungen eines katholischen Priesters an etwas Schlimmes oder Unziemliches denken wollte. Emanuel – so heißt der getreue Diener des Herrn – hegt in der That die besten und lautersten Absichten. Wohlwollend gegen Jedermann, emsig bestrebt, das Gute zu fördern und das Leid seiner Mitmenschen zu verringern, vergreift er sich hier vielleicht in der Wahl seiner Mittel, aber seine Zwecke sind durchaus ehrlich und lobenswerth.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_232.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)