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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Schweife, bis auf die letzte Feder beraubt. Das Maß war voll. Der Affe wurde in einen vergitterten Kasten gesperrt und nach Dömitz geschickt, woselbst ein Liebhaber sich ebenfalls zu ihm gemeldet hatte. Dömitz ist die einzige Festung des Landes, und so darf man wohl annehmen, daß er zur Strafe für seine unzähligen Schandthaten sein verbrecherisches Leben auf der Festung beschlossen hat, denn seitdem hat man niemals wieder von ihm gehört, und seine Spur ist verloren gegangen.



Blätter und Blüthen.


H. W. Dove. Ein Mann von den glänzendsten Verdiensten um die verschiedensten Zweige der physikalischen Wissenschaft, von strahlendem Ruhme in allen civilisirten Ländern der Erde und in allen Meeren, in denen Seefahrer verkehren, Heinrich Wilhelm Dove ist am 4. April dieses Jahres in Berlin im sechsundsiebenzigsten Altersjahre nach längerem Leiden aus dem Leben geschieden. (Vgl. sein Portrait, Jahrg. 1878, S. 295.)

Nationales Vorurtheil liebt es, den persönlichen Ruhm ausgezeichneter Männer der Wissenschaft auf die ganze Nation zu übertragen. Ist das auch ein patriotischer Irrthum – denn die großen Geister, welche die Wissenschaft ersinnen und ausbilden, sind weder auf bestimmte Geschlechter, noch Nationen beschränkt – so gereicht es doch der Nation zum Ruhme, wenn sie es verstanden hat und versteht, die großen Männer, die in ihr geboren wurden und in ihr gelebt und gewirkt haben, zu würdigen und sich den Schatz ihres Forschens und Wissens zu eigen zu machen. Es gereicht der Nation zum Ruhme, wenn in dem Bewußtsein des Volkes die Erkenntniß sich belebt und fortwirkt, daß die Verehrung der Wissenschaft und die Würdigung ihrer Träger die Grundbedingung einer Weiterpflege der Wissenschaft in der Nation ist. Gehört auch, was Dove geleistet hat, der ganzen civilisirten Welt an, so darf doch unser Volk um so mehr stolz auf den Ruhm sein, daß dieser Mann im deutschen Vaterlande gelebt und gewirkt hat und daß bei seinem Heimgang der Ausdruck der Verehrung in aller Welt nachhallt.

H. W. Dove wurde 1803 zu Liegnitz geboren, besuchte die dortige Ritterakademie, studirte auf den Universitäten Breslau und Berlin mathematische und physikalische Wissenschaft und habilitirte sich, kaum dreiundzwanzig Jahre alt, in Königsberg als Privatdocent der letztgenannten Disciplin. Sein vorzügliches Lehrtalent, in Vortrag und Experiment, brachte ihn schon 1829 als außerordentlichen Professor nach Berlin. Hier fingen damals, seit der Heimkehr Alexander von Humboldt’s aus Paris, die „heitern Saturnalien der tollsten Naturphilosophen“ Hegel-Schelling’scher Schule an zu verstummen und die neue Aera der exacten naturwissenschaftlichen Studien in Deutschland begann. Humboldt sammelte einen ganzen Generalstab jugendlicher Naturforscher um sich, und Dove gehörte zu einem der Ersten in demselben.

Sein Lehramt war ausgedehnt wie selten eins. Er lehrte an der Universität, an Gymnasien, an der Kriegsakademie und, wenn wir nicht irren, zu Zeiten auch an anderen Instituten. Sein Lehrtalent war ganz eminent; unterstützt durch lebendige Auffassung, sprach er in klarer und frischer Darstellung und mit wohlwollendem Humor. Im Experimentiren war er ungemein geschickt; viele dabei gebrauchte Apparate waren seine Erfindung und sind Zierde und unentbehrliches Geräth jeder guten physikalischen Sammlung, jedes Laboratoriums geworden. Die vielen Tausende seiner Schüler gehörten nicht blos der akademischen Jugend, sondern auch den militärischen Kreisen und den bürgerlichen Berufsclassen an; sie stammten nicht blos aus allen Theilen des Vaterlandes, sondern zum Theil von weit über den Grenzen desselben und den Ländern jenseits des Weltmeeres. Dove’s physikalische und namentlich meteorologische Vorlesungen waren eine berühmte, weither gesuchte Specialität der Berliner Hochschule.

In den einzelnen Zweigen der Wissenschaft, in der Metronomie, Akustik, Optik, Farbenlehre, sowie der Lehre von der Elektricität und dem Magnetismus verdankt man ihm zahlreiche Beobachtungen und Fortschritte. Eine feine Beobachtungsgabe und eine geschickte Anwendung derselben zeichnen fast alle seine Specialarbeiten in diesen Fächern aus.

Vor Allem aber verdankt die Meteorologie ihm ihre bisherige Entwickelung. Seit Dove mit der Doctordissertation „De Barometri mutationibus“ promovirte, berechnete er unermüdlich die barometrische, thermische und die atmische Windrose, erklärte er den Zusammenhang des Drucks, der Wärme und der Feuchtigkeit der Luft mit der Windrichtung in den verschiedenen Jahreszeiten und ist durch diese Arbeiten gewissermaßen der Begründer zweier neuer Wissenschaften geworden der Meteorologie und der Klimatologie.

Dove’s „Drehungsgesetz“, eine Darlegung über die Drehung der Winde, ist mit Recht für die Erklärung und Berechnung der mannigfachsten complicirtesten Erscheinungen innerhalb der Atmosphäre maßgebend geworden. Immerhin geistvoll entwickelte er, daß die Witterungserscheinungen in unserer norddeutschen, dem Spiel aller Winde geöffneten Ebene vorzugsweise durch zwei mit einander wechselnde Luftströme erzeugt würde, durch einen Polar- und einen Aequatorialstrom.

Die Orkane, die in winterlichen Tagen über Europa einherziehen, lehrte Dove als tropische Gäste kennen; er wies ihre Wirbelnatur nach, führte Sturmwarnungen längs der heimischen Küste ein und faßte alles von Seefahrern und Physikern gesammelte Material in seinem berühmtesten Werke „Das Gesetz der Stürme“ in so umfassender und instructiver Weise zusammen daß der in der chinesischen See vom Typhon bedrohte Seefahrer nach seiner Vorschrift steuert, um dem Verderben zu entgehen.

Der Meteorologie steht die Klimatologie am nächsten, die Lehre von der Vertheilung der Wärme an der Oberfläche der Erde. Humboldt’s Methode, diese Vertheilung graphisch darzustellen, führte Dove in seinen Monatsisothermen und Normalen auf das Fruchtbarste weiter aus. Seinem rastlosen Eifer gelang es, ganz Deutschland mit einem Netz meteorologischer Stationen zu überziehen. Er organisirte, feldherrnähnlich, ein getreues Heer von Beobachtern, welche von den Alpen bis zum Kurische Haff, von der Saar bis zur Schneekoppe die meteorologischen und klimatologischen Erscheinungen nach seiner Angabe gleichzeitig mit gleichartigen, von ihm geprüften und verglichenen Instrumenten registrirt haben. Und wie auch dieser Zweig menschlicher Kenntniß sich gestalten möge, Dove hat ihm fundamentale Grundlagen gegeben, auf welche die deutsche Wissenschaft immer stolz sein darf.

Dove hat kein Lehrbuch der Physik, keins der Meteorologie geschrieben. Auch seine Vorträge hat er nicht veröffentlicht; daher blieb denn auch die Beliebtheit, deren er sich bei seinen Schülern während seines langen Lebens erfreut hat, immer unauflöslich an seine Person gebunden. Auch von seinen in Vereinen gehaltenen populären Vorträgen ist bis auf den einen Vortrag „Ueber Wirkungen aus der Ferne“ nichts in Druck erschienen. Nur in den Jahresberichten der Berliner polytechnischen Gesellschaft finden sich von den Vorträgen, die Dove hier in Wintersemestern gehalten hat, mehrere freilich sehr gedrängte stenographische Nachschriften. – Seine übrigen größeren und kleineren Schriften, seine einzelnen Abhandlungen in den Schriften der Akademien und in Journalen sind rein fachwissenschaftlichen Inhalts; ihre Zahl ist übergroß, und ihre Titel allein würden einen mehrere Bogen starken Katalog füllen.

Dove hat die gleichaltrigen Genossen seines Jugend- und Mannesstrebens um Jahrzehnte überlebt. Mitscherlich, die beiden Rose, Magnus, Moser, Poggendorff, Adolf Erman und verschiedene Andere, sie sind ihm alle früh vorangegangen. Er war der letzte jener jugendlichen auserwählten Schaar, die wir als den jungen Generalstab Alexander von Humboldt’s um das Jahr 1830 bezeichneten. Ein Schlaganfall, der ihn im Jahre 1872 traf, hatte seine Gesundheit erschüttert. Aber er erholte sich wieder und nahm seine Amtspflichten von neuem auf; erst, nachdem er 1876 seine fünfzigjährige Lehrtätigkeit abgeschlossen, gönnte er sich die dringend nöthig gewordene Ruhe, geehrt mit den höchsten äußeren Zeichen wissenschaftlichen Verdienstes und Ruhmes, mit den höchsten Titeln und Würden der gefeiertsten Akademien, der gelehrten Institute und des akademischen Amtes.

Dove’s Heimgang am 4. April war die Erlösung eines schon seit geraumer Zeit verlöschenden Geistes. Der Lebenskitt seines Körpers war mürbe und bröcklich geworden. So ist er nach langer fruchtreicher Arbeit von hinnen geschieden, aber ein ruhm- und verehrungsvolles Andenken wird fort und fort allüberall seinem Namen und seinen Arbeiten dankbar geweiht bleiben.

Julius von Strzelno.




Eine neue Riesenblume. Der italienische Botaniker Odoardo Beccari, welcher jüngst von seinen Forschungsreisen in Ostindien und Neu-Guinea heimgekehrt ist, hat aus Sumatra eine Riesenblume entdeckt, die selbst ihrer 1818 aufgefundenen riesigen Landsmännin, der Rafflesia Arnoldi, die bisher als die kolossalste Blume der Welt galt, die Palme streitig macht. Sie gehört der Familie des in unseren Wäldern vorkommenden Aronstabes, den Aroideen an, und ihre Blüthe kann man sich am besten vorstellen, wenn man sich diejenige unserer bekannten Fensterpflanze, der äthiopischen Calla, in’s Titanenhafte vergrößert denkt. Aus einer Riesenknolle von nahezu anderthalb Metern Umfang wächst ein einziges dreigetheiltes Blatt hervor, dessen dicht weißgefleckter Stiel an der Basis einen Umfang von neunzig Centimeter hat, und welches eine Fläche von fünfzehn Metern im Umfange bedeckt. Die Blüthendüte, welche einen Durchmesser von dreiundachtzig Centimeter besitzt, ist aber nicht weiß und glatt, wie bei der Calla, sondern außen grünlich und innen, namentlich am obern gezähnelten Rande, dunkel purpurroth; sie bildet einen Trichter von siebenzig Centimeter Tiefe, dessen Wandung gefältelt ist. Aus dieser Blüthe erhebt sich der mehr als anderthalb Meter lange Fruchtkolben, der nur an seinem untersten Theile mit den lebhaft rothen Früchten besetzt ist. Die ganze Pflanze ist in allen ihren Theilen so kolossal, daß nach dem Ausgraben der Knolle zwei Mann nöthig waren, um sie von der Stelle zu schaffen.

Die obengenannte Nebenbuhlerin der Wälder Sumatras, welche die Namen ihrer beiden Entdecker, des Gouverneurs Sir Raffles und des Dr. Arnold, trägt, kann bei einem Durchmesser von neunzig Cubikmeter doch nicht mit ihr concurriren weil sie ohne Stengel auf fremden Wurzeln schmarotzt und mehr einem Pilze als einer Blume gleicht, auch ebenso vergänglich ist wie die Pilze; man hat daher auch niemals Versuche gemacht, sie zu cultiviren. Dagegen bemüht sich der Marquis Salviati, die neue Riesenpflanze, welche den Namen Amorphophallus Titanum erhalten hat, in seinen Gewächshäusern bei Florenz aus den mitgebrachten Samen zu ziehen und vielleicht werden wir daher bald das Vergnügen haben, den merkwürdigsten Repräsentanten der Riesenblumen Sumatras in unseren Floratempeln bewundern, zu können und uns dabei freudig zu erinnern, daß die Wunder der Natur immer noch nicht so erforscht sind, um nicht mit neuen Ueberraschungen die Anstrengungen der Reisenden zu lohnen. Erstaunlich bleibt es freilich immer, daß solch ein vegetabilisches Ungetüm sich so lange hat ihren Blicken entziehen können.




Berichtigung. In unserem Artikel über die Uhrenfabrikation von Glashütte (Nr. 13) wolle man in der ersten Spalte, vierzehnte Zeile von oben lesen: vier Jahre in Paris (statt: ein Jahr), und auf der zweiten Spalte Seite 222, neunte Zeile von oben: 1200 (statt 12,000) Uhren.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_292.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)