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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


Neue Beobachtungen, welche uns zur Bestätigung der unter der Ueberschrift „Seltsames Phänomen aus dem Leben der Wandervögel“ in Nr. 42 des vor. Jahrgangs mitgeteilten Vermuthung zugingen, daß kleinere Vögel den Rücken ihrer großen Verwandten zur Erleichterung ihrer Wanderflüge benutzen, wollen wir unseren Lesern bei dem allseitigen Interesse, welches der Gegenstand gefunden, nicht vorenthalten. Der zweite der Berichte gehört freilich nur indirect hierher.

„Gegen Ende März dieses Jahres“ – so heißt es in der ersten Zuschrift – „war ich auf entlegener Feldmark mit der Bestellung beschäftigt. Von jeher wird diese Flur, wohl wegen ihrer von Wohnorten und Straßen entfernten Lage, von Kranichen und Wildgänsen als bevorzugter Rast- und Sammelplatz benutzt. Es zeigte sich denn auch ein starker Zug Kraniche; es können deren bis 150 gewesen sein, nicht wie gewöhnlich keilförmig geordnet, sondern in langer Linie formirt und sehr niedrig dahinstreichend, offenbar in der Absicht, an altgewohntem Platze zu rasten. Wiederholt zogen sie in langen Bogen hin und her, den passenden Platz zum Niederlassen auszusuchen. Bei diesem Hin- und Herziehen passirte nun die ganze Truppe höchstens acht bis zehn Meter hoch über mir hin. Kaum waren die ersten vorbei, als plötzlich unmittelbar über mir an der Stelle, wo sich etwa der achte Vogel im Zuge befand, der laute eigenthümliche Ton, welchen die Lerche beim Ziehen hören läßt, deutlich und wiederholt sich vernehmen ließ.

Die Luft war klar und ruhig, und ich hatte vorher die Schaar der Kraniche aufmerksam beobachtet; eine Lerche war weit und breit weder zu sehen noch zu hören. Man denke sich daher mein Erstaunen, so greifbar nahe in der Luft eine Lerche zu hören, ohne auch nur eine Spur von ihr wahrnehmen zu können. Meine Vermuthung, die Lerche müsse sich auf dem Rücken eines Kranichs befinden, wurde aber zur Gewißheit, und mein Erstaunen wuchs, als vor- und rückwärts im Zuge von den Rücken der Kraniche hell und deutlich aus einem Dutzend Lerchenkehlen die Antwort auf den ersten Ruf herniederscholl, und so weiter den ganzen Zug entlang. Es wurde mir so die volle Gewißheit, daß die Lerche auf ihren Zügen ihren großen Reisegefährten gleichsam als Lastschiff benutzt, zum mindesten für ihre Touren auf dem Lande, doch wird sie sich auch diese Schiffsgelegenheit bei ihren großen Meerfahrten gewiß nicht entgehen lassen.

Sollte vielleicht der Einwurf gemacht werden, daß doch auf irgend eine Weise eine Täuschung untergelaufen, so müßte ich mich hiergegen entschieden verwahren. Durch den von Ihnen gebrachten Artikel angeregt, habe ich mit besonderem Interesse beobachtet; war ich doch bei dem auffallend niedrigen Streichen der Kraniche im Stande, gegen Ende des Zuges mit Sicherheit die einzelnen Kraniche zu bezeichnen, auf welchen eine Lerche ihren Ruf erschallen ließ. Bemerkenswerth und bestätigend für die Sache dürfte es sein, daß mein Knecht, der aus einer Wachtelfänger- und Vogelstellerfamilie stammt, mir beim Hinweisen auf das Mitbringen der Lerchen durch Kraniche dies als etwas ihm längst Bekanntes mit den Worten erklärte. ,Sie (die Kraniche nämlich) bringen die Lerchen und nehmen sie auch wieder mit.’

Friedberg in Hessen, Ostern 1879.

Georg Falck.

„Vor einigen Jahren, es war im Monat Juni, stehe ich auf meinem Gehöfte und sehe von Weitem eine wilde Ente gerade auf mich zufliegen; zugleich bemerke ich in ganz geringer Entfernung etwas Schwarzes von ihr sich ablösen und zu Boden fallen. Die Ente fliegt noch etwas weiter und läßt sich vor meinen Augen mitten auf dem Hofe in einem abgebrochenen Scheunenfache nieder. Ich laufe rasch hinzu, in der Meinung, die Ente sei angeschossen. Was sehe ich? Acht junge, lebendige Entchen krabbeln bei der Alten herum. Ein allerliebster Anblick! Indem ich die kleinen Dinger zu greifen suche, um sie mit meinen zahmen Entchen aufzuziehen, fliegt die Alte davon. Ein neuntes junges Entchen fand ich an der Stelle todt, wo ich Etwas aus der Luft hatte herabfallen sehen.

Niemals würde ich dergleichen für möglich gehalten haben, wenn ich es nicht selbst wahrgenommen hätte. Daß Wasservögel, namentlich die Taucher, besonders der Haubensteißfuß, ihre Jungen auf den Rücken nehmen, wenn sie sich im Wasser fortbewegen, habe ich oftmals beobachtet. Aber räthselhaft ist es mir heute noch, auf welche Art sich neun junge Entchen während des Fluges an dem Körper der Mutter festhalten konnten, ohne herabzufallen. Dem Einen passirte dies allerdings; ich muß aber bemerken, daß ich wenigstens eine halbe Meile von jeglichem Wasser entfernt wohne.

Titelshof bei Riesenburg in Westpreußen, den 10. März 1879.

Karl Schütze, Landwirt.“

Die Neu-Anwendung des Lust- und Wonnegases in der Chirurgie. Vor etwa zehn Jahren überraschten Dr. Colton und andere amerikanische Aerzte die Leidenden, welche an ihrem Körper herumschneiden lassen müssen, mit der tröstlichen Botschaft, daß sie ein Mittel entdeckt hätten, welches das Schmerzgefühl aufhebe, ohne irgend welche Nachwehen zurückzulassen, oder gar unter Umständen tödtlich zu wirken, wie der Aether und das Chloroform. Es handelte sich um die Einathmung eines Gases, dem allerdings ein sehr guter Ruf vorausging, denn der berühmte englische Chemiker Davy hatte es im Jahre 1814 nach seinen Verdiensten „Lust- oder Wonnegas“ getauft. Der ordinäre chemische Name dieses 1776 von dem englischen Chemiker Priestley zuerst dargestellten Gases lautet Stickstoffoxydul, und es besteht, wie die atmosphärische Luft, aus Stickstoff und Sauerstoff, nur daß diese beiden Gase nicht wie in unserer Atmosphäre blos gemengt, sondern chemisch mit einander verbunden sind. In einem zweibändigen Werke hat Humphry Davy die Experimente, die er mit diesem Gase angestellt hat, und die höchst angenehmen Empfindungen geschildert, die ihm das Einathmen bereitete. „Schon nach wenigen Zügen, die man von dem belebenden Gase gethan,“ erzählt er, „stellt sich eine gesteigerte Empfindlichkeit ein; Helligkeit und Glanz verbreiten sich über die wahrgenommenen Gegenstände, hellere Lichtpartieen blenden wie die Sonne selbst, und der leiseste Ton wird deutlich vernommen. Eine Flut angenehmer Erinnerungen geht mit großer Schnelligkeit und in auffallender Lebhaftigkeit, gleichsam wie im Traume, dem Auge vorüber.“

Die angenehmen Empfindungen mit Worten zu schildern, verzweifelten die meisten Experimentatoren; der Eine verglich sie dem Eindrucke eines schönen Dramas, während ein Musikalischer dieselben nur dem Zustand der Begeisterung zu vergleichen wußte, in welchen ihn eine Ausführung des Händel’schen Alexander-Festes mit 700 Musikern versetzt hatte. Einzelne Personen müssen unter dem Einflusse dieses Gases beständig lachen, weshalb man es auch Lachgas genannt hat. Wird die Einathmung desselben fortgesetzt, so erfolgt sehr bald Verlust des Bewußtseins und der Empfindung, sodaß kleinere Operationen wie Zahnausziehen sehr wohl in diesem Zustande ausgeführt werden können. Aber unglücklicher Weise ist die Narkose weder sehr tief noch sehr lang, und wenn die Operation nicht mit großer Schnelligkeit vollführt werden kann, so ist die Einathmung meist vergebens. Daher haben die meisten Zahnärzte auch das Gas vor dem Einatmen durch einen Behälter strömen lassen, in welchen sie mit Chloroform getränkte Schwämmchen gelegt hatten, sodaß es sich im Grunde doch wieder um die Chloroformnarkose handelte, die man eben vermeiden wollte. Nun hat kürzlich der französische Physiologe Paul Bert der Pariser Akademie der Wissenschaften eine Arbeit eingereicht, in der er die Mittel beschreibt, durch welche man auch mittelst dieses unschädlichen und angenehmen Gases eine tiefe und lange Narkose hervorbringen könne. Er mischt das Gas statt mit atmosphärischer Luft mit reinem Sauerstoff und zwar im Verhältnisse voll 85 : 15 und läßt es unter einem Drucke von 15 bis 16 Centimeter einathmen, wobei der Patient neben dem einschläfernden Mittel die gewöhnliche Sauerstoffmenge erhält, deren er bedarf. Auf diese Weise wird sofort fester Schlaf und vollkommene Gefühllosigkeit erhalten, und im Augenblicke, wo nach vollbrachter Operation der Schlauch entfernt wird, kann der Patient ohne Schwindel wieder auf seinen Füßen stehen. Wenn die ferneren Berichte so günstig bleiben, wie die ersten, so haben wir wieder einmal eine höchst wohltätige Erfindung zu begrüßen.


Ein „Gartenlaube-Verein“ besteht in ganz origineller Art in der großen Industriestadt Chemnitz. Eine Anzahl Weber hat sich dort vor Jahren zusammengethan, um sich in den Stand zu setzen, ein Exemplar der „Gartenlaube“ zum gemeinsamen Gebrauch zu erschwingen, ohne dem schmächtigen Leinwebergeldbeutel der Einzelnen besonders wehe zu thun. Es gelang nicht nur, dieses kühne Unternehmen in’s Leben zu rufen, dasselbe bildete im Laufe der Jahre sogar die Grundlage zu einem alljährlichen Familienfeste, bei welchem die seltensten Lieblingsgerichte des Webers eine Festtafel für Männlein und Weiblein schmücken. Den Hauptmoment dieser Festlichkeit nimmt aber am Jahresschlusse die sehr praktische Versteigerung des bis zur letzten Nummer gründlich durchgelesenen Exemplars der Vereins-„ Gartenlaube“ ein, deren Erlös natürlich für einen „guten Zweck“ verwandt wird, der Allen zusagt. Dieser Verein beging im Januar sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum. Wir halten es für unsere Pflicht, demselben noch nachträglich unsere Glückwünsche zuzurufen.


„Erzherzog-Johanns-Hütte“ wird ein Schutzhaus heißen, welches noch im Laufe des September der Alpenclub „Oesterreich“ auf der nahezu 11,000 Fuß über dem adriatischen Meeresspiegel emporragenden Adlersruhe, fünfviertel Stunde unterhalb der höchsten Spitze des Großglockners, festlich einzuweihen beschlossen hat. Der Bau dieser Unterkunftshütte wird von Tausenden unserer Alpenbündler und Bergsteiger mit Freuden begrüßt werden, weil er die Stätte einnimmt, auf welcher in der Regel der letzte Halt vor der Ersteigung der Spitze des Großglockners gemacht und wo alles entbehrliche Gepäck zurückgelassen wird. Der erste Gedanke dazu ging von dem bekannten Wiener Alpinisten Ed. Fischer von Röslerstamm aus.


Für die Ueberschwemmten von Szegedin sind uns, obgleich wir der Zeitersparniß wegen die Geber an die bereits eröffneten Sammelstellen verwiesen, dennoch direct nachstehende Gaben zugegangen, die wir dem kaiserlich königlichen Generalconsul, Herrn von Scherzer, hier zu gefälliger Weiterbeförderung übergeben haben und für die wir hiermit bestens danken. Es gingen uns zu: R. J. M. 1; Apotheker L. Egenter in Winnenden M. 5; Kegelgesellschaft „Acht um den Dicken“ in Breslau M. 17; zwölf Mitglieder der „Harmonie-Gesellschaft“ in Auerbach im Voigtlande M. 22; gesammelt bei Weidemann in Berlin M. 1.59; Paul Köhler in Landstuhl M. 5; C. Just M. 6; Cassenbestand des Kegelclubs der höheren Webschule in Chemnitz M. 18; Robert Haase in Friedland, O.-S., M. 1.50; G. L. und M. G. gesammelt bei einer Hochzeitsfeierlichkeit in Breslau M. 32.20; Gesangverein „Arion“ in Schneidemühl M. 11.60; Musikverein in Meuselwitz M. 42.85. Diesen Spenden fügen wir für eigene Rechnung noch hinzu: M. 300. (Summa M. 463.74.)

Die Verlagshandung.

Kleiner Briefkasten.

Karl V. in London. Dank für freundliche Hinweis! Das Observatorium von R. S. Newall befindet sich nicht, wie in unserm Artikel „Die neue Wiener Sternwarte“ (Nr. 9) mitgetheilt wurde, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, sondern auf dem Landsitze Ferndon in der Nähe von Gateshead-on-Tyne bei Newcastle in England, was wir hiermit nachträglich berichtigen.

W. Bg. in Danzig. In Nr. 22 des Jahrgangs 1874. Die Nummer steht zur Verfügung.

D. Th. in L. Existirt unseres Wissens nicht.


Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_312.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)