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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


von ihm die Beamten, ihm gegenüber den Aufseher und weiterhin die übrige Gesellschaft in bunter Reihe, also daß „der Annehmlichkeit wegen“ ein Mops stets eine Möpsin neben sich sitzen hatte. Sollte Mäßigung in der Unterhaltung eintreten, so pfiff der Obermops, und ebenso, wenn er eine Gesundheit ausbringen wollte. Das Glas wurde dann derartig angefaßt, daß man den Daumen und Zeigefinger an dessen Fuß legte, den kleinen Finger an den Henkel brachte und Mittel- und Ringfinger wagerecht ausstreckte. Immerhin ein Kunststück. Dann leckte man, wie kostend, in den Becher hinein und setzte ihn, nach vorausgegangener Leerung, verkehrt auf eine kleine Schüssel. Ueberhaupt soll es an solcher Tafel nach der ersten Viertelstunde etwas sehr munter und ungezwungen zugegangen sein.

Nach all dem Vorausgegangenen kann es dem Leser nicht mehr schwer fallen, sich in den Katechismus des Mopsordens hineinzufinden, von dem wir jedoch nur die wesentlichsten Stücke bringen wollen.

Frage: Seid Ihr ein Mops? Antwort: Vor dreißig Jahren war ich es nicht. Frage: Was waret Ihr denn vor dreißig Jahren? Antwort: Ich war ein Hund, aber nicht ein Hund, der in’s Haus gehört. Frage: Wann seid Ihr ein solcher geworden? Antwort: Als mein Führer sich niedersetzte, um an der Thür zu kratzen und zu kläffen. Frage: Was hat Euch am meisten in der Loge gefallen? Antwort: Der Boden. Frage: Was stellt er vor? (Es folgt die Beschreibung.) Frage: Was bedeutet das Geviert? Antwort: Den festen Grund der Gesellschaft. Frage: Was bedeutet der Kreis? Antwort: Gleichwie alle Durchschnitte des Kreises durch eben denselben Mittelpunkt gehen, also müssen alle Handlungen des Mopses aus einer Quelle gehen, nämlich der Liebe; oder besser zu sagen: der Kreis bedeutet die beständige Dauerung der Loge. Frage: Woher kommt der Wind? Antwort: Von Morgen. Frage: Welche Zeit ist es? Antwort: Es ist gute Zeit. Frage: Wie gehen die Möpse? Antwort: Man zieht sie bei der Kette von Abend gegen Morgen. Frage: Wie trinken sie? (Die Antwort ergiebt sich aus obiger Beschreibung.)

Der Mopsorden existirt schon lange nicht mehr. Die französische Revolution hat alle die frivolen Narrheiten des achtzehnten Jahrhunderts wie mit blutigem Schwamme weggewischt. Sie sind begreiflich als Erzeugnisse einer völligen Stagnation des öffentlichen Lebens, als Sumpfblumen, in einer Zeit aufgeschossen, der es an allen ernsten und großen Zielen mangelte, in welcher die müßige Phantasie nur eine Aufgabe hatte: die Langeweile zu beleben. Unser Jahrhundert hat keine Zeit, solche Spielereien mit der wichtigen Miene seines Vorgängers zu erfinden und großzuziehen; es hat alle Hände voll zu thun, um das durch verdoppelte Arbeit nachzuholen, was dieses in tändelndem Müßiggang versäumt hat. Rückblicke aber, wie obige Schilderung, können nur dazu dienen, uns vor dem Wunsch eines Rückfalles in die Segnungen patriarchalischer Völkerfürsorge und unterthänigen Sich-Bescheidens zu bewahren.




Das Sommerheim der deutschen Kaiserin.


Coblenz! Das Ziel unserer Fahrt, die wir von Bingen ab rheinabwärts angetreten haben. Von Stolzenfels an arbeiten die Schaufelräder des Dampfers in beschleunigtem Tempo. Die scharfen Contouren des Ehrenbreitsteins mit seiner undurchdringlichen Panzerumgürtung von fast cyklopischen Mauern tauchen rechts aus den Fluthen höher und höher auf; zwei Rheinbrücken mit ihrem leichten Gegitter spannen sich in kühnen Bogen quer über den Strom; links fallen die vulcanischen Berge der Eifel in runden Kuppen nach dem Flusse zu ab; die graue Schlacke bedeckt sich mit üppigem Grün, und weiter nach der Stadt zu zieht sich am linken Ufer entlang, bespült von den hellgrünen Rheinwellen, ein herrliches Gelände – Garten, Park, Landschaft. Als nächstes Bild folgt auf dem linken Ufer ein imposanter Schloßbau. Eine prächtige Façade, ein zwischen zwei Eckpavillons von sechs ionischen Säulen getragener Mittelpavillon mit einem Giebelfelde darüber, hebt sich über die hohen und dichten Baumkronen eines terrassenförmigen Gartens empor. Es ist das Schloß von Coblenz, das Sommerpalais der deutschen Kaiserin, die frühere Residenz des letzten Kurfürsten von Trier, dessen Wappen im Giebelfelde noch erhalten ist.

Die Schiffsglocke läutet; wir sind vor der Brücke von Coblenz angelangt. In einladender Weise legen sich am Ufer zwei jener Paläste aus, welche der moderne Unternehmungsgeist dem verallgemeinerten Lebensgenusse baut, die Hôtels „Bellevue“ und „Zum Riesen“. Unsere Gedanken und unsere Schritte aber führen uns dem Schlosse zu, welchem unsere Rheinfahrt galt.

An der Stelle des heutigen aus Triassandstein erbaueten Schlosses waren vor hundert Jahren nur Weinberge und Baumgärten zu schauen. Die Stadt Coblenz hatte damals bei Weitem noch nicht ihren heutigen Umfang erreicht; die alte Stadt dehnte sich mehr nach der Moselseite aus. Die Fläche, auf welcher heute die Straßen und Plätze der Neustadt sich in weiter und vornehmer Ausladung um das Schloß gruppiren, nahmen früher Obstgärten ein, die den Einwohnern an schönen Sommerabenden als Zielpunkte ihrer Spaziergänge dienten. Mit dem Schlosse ist auch erst der neue Stadttheil von Coblenz entstanden.

Man hat die Stadt wegen ihrer beherrschenden Lage an der Mosel und am Rhein, dieser Pulsader des deutschen Westens, das deutsche Gibraltar genannt. Als befestigter Platz ist es der Schlüssel zum Mittelrhein und dem deutschen Moselgebiet und gegenwärtig eines stärksten Bollwerke, die Deutschland gegen auswärtige Feinde besitzt. Ueber allen historischen Zweifel ist es erhaben, daß die Stadt Coblenz ihre erste Entstehung einem von Drusus gegen die germanischen Völkerschaften erbauten Castell verdankt. Die Römer hatten für derartige natürliche Stützpunkte ein sehr scharfes Auge.[1] Schon im sechsten Jahrhundert ward das römische Castrum zu einem Königshof, in welchem fränkische Könige und später deutsche Kaiser lange Zeit weilten. Hierfür spricht neben anderen Beglaubigungen auch, daß man vor mehreren Jahren in der Nähe des Coblenzer Schlosses im Rhein eine kunstvoll gearbeitete goldene Armspange aufgefunden hat, welche ohne Zweifel aus jener fränkischen Zeit stammt; sie bildet, als Eigenthum der Kaiserin Augusta, jetzt einen der merkwürdigsten Gegenstände des Kurfürstensaales, von dem weiter unten noch die Rede sein wird.

An das Erzstift Trier kam die Stadt Coblenz durch die Freigebigkeit Kaiser Heinrich des Zweiten, der wohl das ganze Deutschland an die Kirche gegeben, wenn nicht die steigende Unzufriedenheit und sein Tod dieser Liberalität ein Ziel gesetzt hätte. Bei Trier ist Coblenz mehr als sieben Jahrhunderte hindurch bis zum Jahre 1794 verblieben, wo die Sansculotten mit ihrer Marseillaise in die Stadt einzogen und dem Reichsfürstenthum des „Curé de Trèves“ ein Ende machten. Der letzte Kurfürst war Clemens Wenceslaus aus dem Kurhause Sachsen. Schon seine nächsten Vorgänger hatten als Residenz Coblenz der Hauptstadt des Kurfürstenthums, der Stadt Trier, vorgezogen. Vor der Hand mußte der neue Kurfürst noch in dem alten Kurfürstenschlosse unter dem Ehrenbreitstein wohnen. Dasselbe bot wenig Raum, war baufällig und dazu mehr Castell als Palast, sodaß unter diesen Umständen die Anlage eines neuen Schlosses eher als eine Nothwendigkeit, denn als ein Luxus erschien. Am 5. October 1777 ließ der Kurfürst auf dem Platze, wo sich heute das Schloß erhebt, ein hohes Gerüste aufschlagen und bestieg dasselbe mit seinem Gefolge, um aus der Umschau den Platz für das neue Schloß zu bestimmen. Ohne Zweifel hatte die Fernsicht seinen Beifall. Das Terrain wurde festgehalten und der Schloßbau begonnen. Die Geschichte des Baues ist insofern interessant, als in dieselbe der Name eines jungen Architekten verflochten ist, der später bei den architektonischen Schöpfungen Ludwig’s des Ersten von Baiern zu hohem künstlerischem Ansehen kommen sollte, des späteren Oberbaudirectors von Gärtner. Franzosen hatten den Coblenzer Schloßbau angefangen, waren aber in Gnade oder auch in Ungnade entlassen worden, und der deutsche Künstler vollendete ihn, so daß am 25. November 1786 der Kurfürst seine Gemächer in der

  1. Wie die meisten Orte in Deutschland ihre Namen von ihrer natürlichen Lage erhalten haben, so waren es hier die „zusammenfließenden Ströme“, confluentes, woraus durch die wechselnde Lautirung späterer Jahrhunderte der Name Coblenz entstand.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_338.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)