Seite:Die Gartenlaube (1879) 367.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Schlangenskeleten, mit denen sich die graziösen Wellen- und Spiralbewegungen des lebenden Thieres in vollendeter Schönheit darstellen lassen, um die übersichtlichste Anschauung der Bewegung aller Theile des Gerippes zu gewinnen. Mehrere dieser Skelete mit ihren natürlichen Sehnen und Bändern sind schon über Jahr und Tag alt, ohne etwas von ihrer Biegsamkeit eingebüßt zu haben, und sollte z. B. ein derartiges Schlangenskelet einmal vor Alter steif werden, so kann man es durch kurzes Eintauchen in den Jungbrunnen der Präparirflüssigkeit sofort wieder gelenkig machen. Selbst nachträglich konnten einige ganz alte Museumsstücke, die mit Erhaltung ihrer Sehnen und Knorpeltheile präparirt worden sind, wie z. B. Rochen und andere Knorpelfische, von ihrer bisherigen Gliedersteifigkeit durch diese Badecur befreit werden. Manche Stücke erlangen dabei zugleich eine sehr angenehme Verpackungsfähigkeit und raumsparende Zusammenlegbarkeit, so die Schlangenskelete, die man wie im Leben zu einem Knäuel zusammenrollen kann, und die Schildkröten, die man Kopf und Beine einziehen läßt, sodaß sie, wie gelegentlich im Leben, geschützt in der Schale liegen.

Dieselbe unverwüstliche Weichheit und Biegsamkeit, welche den Sehnen und Bändern in der Flüssigkeit zu eigen wird, nehmen nun auch die Gefäße und Membranen des thierischen Körpers in derselben an, und darauf bauend, konnte der Entdecker einige Präparate herstellen, die man in der That als Non plus ultra der darstellenden Anatomie betrachten muß, und die wohl bei jedem Beschauer die größte Bewunderung erwecken müssen. Es sind die Athmungswerkzeuge verschiedener Thiere, mit denen sich, obwohl sie seit vielen Monaten in der freien Luft hängen, die Athmungsvorgänge beliebig wiederholen lassen. Wir sehen einen faustgroßen dunkelbraunen Körper anscheinend an einem dicken Seile hängen; es ist die zusammengesunkene Lunge eines Affen oder Fuchses mit der Luftröhre. Mittelst eines Blasebalges können nun die unzähligen, von immer feineren Röhrenverzweigungen versorgten Luftzellen dieses Organes wie im Leben von Neuem gefüllt werden; die Lunge schwillt allmählich wohl zu ihrer zehnfachen Größe an; ihre vorher unkenntlichen Lappen trennen sich deutlich von einander, die dunkelbraune Farbe weicht einer hellen frischen Röthe, und endlich bietet das ganze Organ ein Ansehen, welches dem einer frisch aus dem Körper geschnittenen Lunge nicht unähnlich ist.

Dieses wirklich erstaunliche Experiment habe ich mit immer gleichem Erfolge an den getrockneten Lungen verschiedener Thiere vornehmen sehen. An der Herstellung eines anderen ähnlichen Präparates fand ich den Entdecker bei meinem Besuche gerade beschäftigt. Bekanntlich besitzen die fliegenden Vögel im ihrem Körper eine Menge rings um das Knochengerüst vertheilter Luftsäckchen, die sich bei der Athmung mit Luft füllen und dadurch den Körper größer und spezifisch leichter machen. Diese Säckchen, welche ihrer Größe nach mit der Schwimmblase eines kleinen Fisches verglichen werden können, waren nun durch Einspritzung der mit Anilinblau versetzten Präparirflüssigkeit in die Luftröhre zunächst blau gefärbt worden, um sie sicherer mit dem Messer freilegen zu können, und wenn nun dem Torso Luft eingeblasen wurde, so sah man alle diese kleinen Nebenlungen an so vielen Stellen des Körpers zugleich mit anschwellen, ein Vorgang, durch den sich wahrscheinlich die höhere Körperwärme, Kraftentwickelung und Lebhaftigkeit der unermüdlichen Flieger zum guten Theile erklärt. Auch die Verdauungswerkzeuge und Eingeweide der Thiere kann man, nachdem sie gereinigt, präparirt und aufgeblasen worden, in ebenso haltbare wie übersichtliche Lehrpräparate verwandeln, und ich sah unter Anderem das gesammte Eingeweide eines Affen in ein zierliches, wenige Loth wiegendes Präparat verwandelt, welches an Anschaulichkeit weit das ungleich theurere Papiermachépräparat übertraf, dessen man sich sonst beim Studium bedient, zumal man hier die Theile hin- und herwenden kann.

Auch für solche Schaustücke, die in der Flüssigkeit verbleiben sollen, besitzt dieselbe bedeutende Vorzüge vor dem gewöhnlich zu diesem Zwecke benutzten Weingeist. In dem letzteren schrumpfen weiche Körper bekanntlich stark und manchmal bis zur Unkenntlichkeit zusammen und verlieren nach und nach ihre natürliche Farbe vollständig, so daß der Inhalt der Gläser der Reihe nach dieselbe unnatürliche blaßgelbe bis weiße Farbe zeigt. Querschnitte eines Elephantenrüssels, die gleichzeitig theils in Spiritus, theils in die neue Conservirflüssigkeit gelegt worden waren, zeigten nach einigen Wochen bereits den sprechendsten Unterschied. Die ersteren erschienen stark gebleicht und in der Farbe verändert, die letzteren sahen aus, als ob sie eben abgeschnitten worden wären. Dasselbe galt von einigen durch Operationen entfernten krankhaften Gebilden, die nach längerer Zeit noch das Ansehen boten, als seien sie frisch aus einem Körper herausgeschnitten worden, und die auf diese Weise dem Studium längere Zeit erhalten werden können. Der Preis der Präparirflüssigkeit würde sich einer solchen Anwendung keineswegs hinderlich erweisen, da sie billiger als Spiritus herzustellen ist.

In ganz ähnlicher Weise können nun auch Pflanzentheile in dieser Flüssigkeit conservirt werden, Blumen, Früchte, Knollen, Pilze etc., und würden darin für sehr lange Zeit ihr natürliches Ansehen behalten. Ich sah unter Anderem einen jener aus haarfeinen Zweigen bestehenden Algenrasen, wie wir sie in allerlei Gewässern finden, der, vor einem Jahre eingesetzt, seine frische grüne Farbe so vorkommen bewahrt hatte, daß man glauben konnte, er wachse einstweilen in dem Glase lustig weiter. Wäre dieses überaus zarte Gebilde in Weingeist gesetzt worden, so würde dieser nach wenigen Tagen die grüne Farbe völlig ausgezogen haben, und statt des frischen Gewächses wäre eine gebleichte, zerbrechliche Leiche übrig gewesen. Ich zweifle nicht, daß man mit dieser Flüssigkeit die zartesten Seetange in ihrer wunderbaren Zierlichkeit und Farbenpracht erhalten und auf diesem Wege prachtvolle Schau-Aquarien selbst herstellen und aus dem Seebade als Andenken mit nach Hause bringen könnte. Man denke sich ein Becken mit zart bläulich gefärbter Flüssigkeit, in welcher zauberhaft geschlitzte und gefiederte, rosenrothe und purpurne oder perlweiße und grüne Algen die phantastischste Landschaft zusammensetzen, in welcher Seesterne, Seeigel, Muscheln, Korallen, Krabben und andere zierliche Meerbewohner die Staffage bilden! Das könnte ein in seiner Art einziger Zimmerschmuck werden. Möglicher Weise werden sogar Seethiere, die bisher entweder gar nicht oder nur mit starker Einbuße ihres Aeußeren präparirt werden konnten, wie z. B. Quallen, Seerosen, Prachtwürmer und Nacktschnecken, in dieser Flüssigkeit ihre Schönheit bewahren, was weitere Versuche feststellen müssen. Reisende und Sammler werden sich desselben Mittels bedienen können, um zarte Thier- und Pflanzentheile für spätere Untersuchungen gesichert unterzubringen.

Man kann sich wohl denken, wie sehr die erste Kunde von diesem großen Fortschritte der Präparirkunde die Kenner elektrisiren mußte. Seit geraumer Zeit ist das Laboratorium des Herrn Wickersheimer der Wallfahrtsort von Anatomen, Zoologen und Botanikern geworden, die mit höchster Befriedigung seine Präparate untersuchen, sich außerordentliche Erfolge für den Unterricht von denselben versprechen und nur das eine Bedauern mitnehmen, nicht gleich eine Anzahl käuflich erwerben zu können. Vom Auslande sind dem Erfinder bereits erhebliche Anerbietungen gemacht worden, wenn er sein Geheimniß verkaufen wolle, indessen wünscht er, daß die preußische Regierung dasselbe erwerben möge, nicht, um es blos für sich zu verwerthen, sondern um es der allgemeinen Benutzung frei zu geben. Das Unterrichtsministerium wäre dazu auch anscheinend gern bereit, die verlangte, sehr bescheidene Entschädigungssumme bildet kein Hinderniß; allein, wie das in solchen Fällen so oft zu geschehen pflegt, die zur Prüfung eingesetzte hohe Commission kann seit langen Monaten zu keinem Entschlusse kommen und wird wahrscheinlich erst feststellen wollen, ob die Präparate auch hundert Jahre zusammenhalten. Der Erfinder wird durch diese Verschleppung um so empfindlicher geschädigt, als er inzwischen seine stark begehrten Präparate nicht einmal verkaufen kann[1], da er ja befürchten müßte, daß man durch Analyse seinem Verfahren auf die Spur kommen möchte und daß Andere den Lohn seiner redlichen Mühe und Arbeit ernten könnten. Vielleicht gelingt es diesen Zeilen, dazu beizutragen, uns das klägliche, aber leider ziemlich häufige Schauspiel der Auswanderung einer deutschen Erfindung diesmal zu ersparen; damit wäre ein guter Zweck und ein Vortheil für Alle erreicht.

Carus Sterne.
  1. Den geschäftlichen Vertrieb der Präparate hat die rühmlichst bekannte Firma der Hoflieferanten Gebrüder Sasse in Berlin (Friedrichsstraße 178) übernommen, deren See-Aquarien Professor Carl Vogt in diesen Blättern kürzlich so warm empfahl. Dieselbe wird auf diesbezügliche Anfragen gern vorläufige Auskunft ertheilen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_367.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)