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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

können auch hier entweder durch einen Kaminhut, oder durch eine mit stellbarer Jalousieklappe versehene Oeffnung im Schornstein abgeleitet werden.

Die Thatsache, daß auch in diesen Herden theils durch die zur Unterhaltung des Feuers nothwendige Luftströmung, theils durch Mittheilung und Ausstrahlung in den Küchenraum, theils endlich durch zu starkes und zu langes Kochen noch viel Hitze verloren geht, hat zu besonderen Vorrichtungen Anlaß gegeben, in welchen diese Uebelstände auf ein sehr geringes Maß eingeschränkt sind. Solche sind die sogenannten Gruden oder Pfennigherde, bis auf ein Dunstrohr geschlossene Kästen, auf deren Boden ein Gluthfeuer von Braunkohlencoaks gemacht wird, während die Kochgeschirre auf einem Roste über demselben stehen. In dem „Lehrreichen Bilderbuch für Hausfrauen“ etc. (Zürich, Schmid, 1878) sind solche Gruden aus der Fabrik von Senking in Hildesheim abgebildet und beschrieben. Für einen einfachen Haushalt von zehn bis zwölf Personen soll man täglich nur für ungefähr zwölf Pfennig Coaks verbrauchen.

Die Erfahrung, daß zur Unterhaltung des Kochens viel weniger Wärme gehört, als zur vorgängigen Erreichung des Siedepunktes, und ferner, daß heiße Körper ihre Wärme sehr lange bewahren, wenn der Wärmeverlust durch Einhüllung in schlechte Wärmeleiter möglichst verhindert wird, hat zu der Erfindung des Norwegischen Selbstkochapparates von Sörensen geführt. Dieser besteht aus einem genau verschließbaren, inwendig mit einer dichten Filzmasse aus Thierhaaren ausgekleideten Holzkasten, in welchem ein oder mehrere Räume zum Hineinstellen passender Kochgeschirre enthalten sind. Diese aus Weißblech angefertigte Geschirre werden auf dem Feuer oder im Kochofen nur bis zum Sieden ihres Inhaltes erhitzt und dann in den Kasten eingeschlossen. Erbsen, Fleisch, weiße Bohnen und trockene Gemüse durch fünfzehn Minuten, Milchreis durch zehn Minuten angekocht, finden sich nach drei bis fünf Stunden in dem Apparate gar. Kartoffeln brauchen nur acht Minuten zu kochen und sind schon nach einer Stunde gar.

Diese Apparate theilen den Mangel einer größeren Verbreitung mit vielen Verbesserungen auf anderen Gebieten, die auch wohl nur durch Vervollständigung des Unterrichts besonders in Bezug auf Haushaltskunde und Kochkunst dort Eingang finden werden, wo derselbe am meisten nöthig thut, nämlich im Haushalt der Unbemittelten.

Wenig beachtet ist die große Wärmeverschwendung durch Verdampfung des Kochwassers. Im offenen oder lose bedeckten Kochtopf verwandelt sich das Wasser bekanntlich in Dampf, sobald es die Wärme von 80° Réaumur oder 100° Celsius erreicht hat; alle von da ab noch zugeführte Hitze bewirkt nur, je verstärkter, eine desto raschere und stürmischere Dampfbildung, die oft zugleich werthvolle Bestandtheile der Speisen (im Küchendunst erkennbar) mit sich fortreißt. Die überflüssig zugeführte Hitze steckt in dem Dampf, und zwar ist zur Verwandelung einer gewissen Menge Wasser in Dampf ebenso viel Wärme nöthig, wie zur Erwärmung einer fünfeinhalbmal größeren Wassermenge von 0° bis auf 80° Réaumur.

Wird aber durch Verschließen des Topfes das Entweichen des Dampfes und wegen des dadurch entstehenden höheren Druckes die Dampfbildung verhindert, oder wenigstens erheblich erschwert, so bleibt die zugeführte Wärme in dem Topfe, das Wasser in demselben wird heißer und gewinnt dadurch eine beträchtlich größere Lösungsfähigkeit. Das geschieht im Digestor oder Papinianischen Topf, auch Bouillontopf genannt. Diese Töpfe und starke, eiserne Gefäße mit luftdicht schließendem Deckel und einer kleinen, vermittelst eines Druckventils geschlossenen Oeffnung, durch welche der Dampf bei zu hoher Spannung entweicht, um das Sprengen des Topfes zu verhüten. Der gleiche Zweck wird auch durch eine Druckfeder erreicht, welche den Deckel so fest gegen den Rand des Topfes preßt, daß er erst bei einer gewissen Höhe der Dampfspannung aufgehoben wird und den Dampf entweichen läßt. Gute Fabriken geben nur sichere und erprobte Töpfe ab. Die Gefahr ist alsdann ausgeschlossen, wenn das Ventil in Ordnung, das heißt die Oeffnung durchlässig und das dieselbe verschließende Gewicht hinlänglich beweglich, beziehentlich die Druckfeder nachgiebig genug ist. Im entgegengesetztem Fall kann allerdings durch die Erhitzung eine Explosion mit Zersprengung des Topfes stattfinden, wobei nicht nur durch die Stücke des letzteren, sondern auch durch den gewaltsam entweichenden heißen Dampf böse Verletzungen verursacht werden können. Solche Verbrennungen können auch vorkommen, wenn der erhitzte Topf geöffnet wird, ehe derselbe sich unter Entweichen des Dampfes durch das Ventil hinlänglich abgekühlt hat.

Im Digestor läßt sich die Hitze so hoch steigern, daß man Knochen und sogar Holz in Brei verwandeln kann; bringt man seinen Inhalt aber nur zum Sieden und läßt ihn dann auf gelindem Feuer so weiter kochen, daß der Dampf in gleichmäßiger Stärke aus dem Ventil abströmt, so erreicht die Hitze im Wasser etwa 85 Grad Réaumur und ist dann am geeignetsten zur Bereitung von Fleischbrühe, Hülsenfrüchten u. dergl. m.

Den Digestor kann man auch benutzen, um auf sehr sparsame und für den Geschmack und Nahrungswerth der Speisen sehr vortheilhafte Weise dieselben in heißem Dampf statt in Wasser gar zu machen. Zu diesem Zwecke wird in den Digestor, etwa in einem Drittel seiner Höhe, eine Art Rost oder Sieb angebracht, auf welchen die Nahrungsmittel (Fleisch, Kartoffeln, Gemüse etc.) gelegt werden, während nur der untere Raum Wasser enthält, sodaß die Speisen nicht von letzterem, sondern nur von dem beim Kochen aus ihm aufsteigenden heißen Dampf umspült und durchdrungen werden.

Beim Digestor beruht die Ersparung an Feuerung darauf, daß nur ein kleiner Theil des erzeugten Dampfes durch das Ventil entweicht, während die hohe Wärme im Innern des Topfes zum raschen Garwerden der Speisen vollständig ausgenutzt wird; sie gestatten eine sehr mannigfaltige Verwendung und ersetzen die Anschaffungskosten in kurzer Zeit durch ersparte Feuerung.

Auf etwas andere Art wird der beim Kochen erzeugte Wasserdampf in den Etagengeschirren ausgenutzt, als deren Muster der Warren’sche Kochapparat angesehen werden kann. Dieser Apparat besteht aus drei oder vier auf einander zu stellenden, genau in einander gefugten und mit einem ebenfalls dichtschließenden Hohldeckel versehenen Gefäßen. Das unterste Gefäß enthält das zur Dampferzeugung bestimmte Wasser und ist durch ein aufsteigendes Rohr mit den anderen Gefäßen und dem Deckel verbunden, durch welches der Dampf aufsteigt und, nachdem er durch die Abkühlung im Deckel zu Wasser verdichtet ist, wieder heruntertropft. Das zweite Gefäß mit einem Siebboden ist für das Fleisch bestimmt; läßt man den Saft heruntertropfen, so erhält man schließlich eine fleischextractartige Brühe im untern Gefäß; will man solche nicht, so legt man das Fleisch auf ein Schälchen, welches den Saft auffängt; der dritte Raum ist für Kartoffeln, der vierte für Gemüse bestimmt.

Das Fleischgefäß wird zuerst mit dem Deckel bedeckt und eine Stunde lang gekocht; dann wird das Gemüsegefäß und nach abermals einer Stunde das Kartoffelgefäß eingeschaltet; in zwei und einer halben bis drei Stunden ist mit einem äußerst geringen Verbrauch von Feuerung die Mahlzeit fertig.

Dieser Apparat kann auf jedem Herde gebraucht, aber auch mit Petroleumheizung versehen und dann ohne irgend welche Entwickelung von Dampf oder Geruch im Zimmer benutzt werden, wie ein auf der Hamburger Gewerbe-Ausstellung 1876 ausgestellter und in Betrieb gesetzter Apparat bewies. Seine Handhabung ist leicht zu erlernen, seine Verwendung sehr bequem und äußerst sparsam.

Denkende Hausfrauen werden leicht den Nutzen dieser verbesserten Kochapparate einsehen, den für ihre besonderen Zwecke geeigneten auswählen und dessen Anwendung lernen. Die so höchst wünschenswerthe allgemeine Verbreitung werden diese Einrichtungen aber wohl nur durch Kochschulen finden, welche zugleich die zweckmäßige Auswahl und Bereitung der Nahrungsmittel lehren und, wie einzelne rühmliche Versuche darthun, sehr gut mit Volksküchen oder ähnlichen Unternehmungen verbunden werden könnten.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_383.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)