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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

einen solchen bezeichnete er frischweg den bekannten Demokraten und späteren Parlamentsabgeordneten Schlöffel aus Eichberg bei Hirschberg. Bei diesem und seinen Freunden wurde Haussuchung abgehalten. Am 14. März 1846 Abends 6 Uhr erschien Stieber auch in Wander’s Wohnung, die er genau durchsuchte. Seine Mühe wurde auch sogleich belohnt, indem er einen Streifen von einem Briefe Schlöffel’s und endlich sogar ein ganzes Billet desselben entdeckte. Natürlich wurde darauf die Haussuchung mit verdoppeltem Eifer fortgesetzt; aber es fand sich weiter Nichts.

Eine halbe Stunde nach der Haussuchung wurde Wander verhaftet und in das Bürgergefängniß im Rathsthurm gebracht. Die Kunde davon erregte in Hirschberg das größte Aufsehen. Eine Deputation angesehener Bürger verwandte sich für ihn, aber vergeblich. Zum Mittagsmahl sandten ihm Freunde einige Flaschen Wein in den Thurm. „Sonderbar,“ schreibt Wander, „daß man erst auf dem Hirschberger Rathhause eingesperrt werden muß, um einmal Wein zu trinken.“ Am dritten Tage ward er vernommen und natürlich, da nichts Gravirendes gegen ihn vorlag, entlassen, jedoch von Stund’ an von seinem Amte suspendirt. Zwei Petitionen Hirschberger Bürger, die seine Wiedereinsetzung erbaten, wurden abschlägig beschieden. Unterdessen war gegen ihn die von Stieber ausgearbeitete Anklage erhoben worden, er habe „durch frechen, unehrerbietigen Tadel und Verspottung der Landesgesetze und Anordnungen im Staate, insbesondere bei Gelegenheit der in den Versammlungen des in Hirschberg bestandenen Vereins zu gemeinnützigen Zwecken gehaltenen Vorträge, Mißvergnügen gegen die Regierung“ erregt. Nach einer glänzenden Vertheidigung durch den Justizrath Robe wurde Wander vom Hirschberger Landgericht freigesprochen zum Aerger Stieber’s und aller „Wohlgesinnten“. Der Jubel der Hirschberger war groß. Wander und seinem wackeren Vertheidiger wurden Ständchen gebracht. Trotz des freisprechenden Erkenntnisses wurde aber die Amtssuspension noch immer aufrecht erhalten, und erst nachdem das Breslauer Oberlandesgericht das erste Urtheil bestätigt hatte, erfolgte im Januar 1847 Wander’s Wiedereinführung als Lehrer.

Da kam das Sturmjahr 1848, jene hoffnungsselige Zeit, in der die kühnsten Wünsche des deutschen Volkes ihrer Erfüllung nahe schienen. Es ist wohl selbstverständlich, daß auch Wander an dieser Bewegung theilnahm. Er hielt es jedoch nicht für seine Aufgabe, wie andere Clubredner jener Zeit, die Leidenschaften der Menge aufzustacheln. Sein Wirken in Bürgervereinen und Volksversammlungen war einzig und allein darauf gerichtet, ein Verständniß der Zeit und ihrer Aufgaben in seinen Mitbürgern zu erwecken. Auch jetzt trat er nicht als Volksführer auf, sondern begnügte sich damit, Volkslehrer zu sein.

In der Pfingstwoche jenes Jahres fand in Eisenach eine allgemeine Versammlung deutscher Lehrer statt. Dort vertrat Wander einen Antrag auf Gründung eines deutschen Lehrervereins. Mit Begeisterung wurde sein Vorschlag angenommen. Als aber dann nach dem vorzeitigen Frühlinge die Aprilfröste der Reaction eintraten, als alle die üppig aufgesproßten Blüthen, vom eisigen Hauche berührt, verwelkten und dahinstarben: da trug man auch den deutschen Lehrerverein zu Grabe. Er wurde verboten, und die an seine Stelle tretende allgemeine deutsche Lehrerversammlung fristete jahrelang nur kümmerlich ihr Dasein.

Daß die Reaction Wander’s nicht vergessen würde, war vorauszusehen. Man suchte auch jetzt wieder lange nach einem Vorwande, um gegen ihn vorzugehen, und fand ihn endlich. Am 3. September 1849 hatte Wander in Hirschberg bei einem Schulfest ein Lebehoch auf „das glückliche Vaterland der Zukunft, in dem die Wahrheit frei, und die Freiheit wahr ist, das wir bauen, und das unsere Jugend bauen soll,“ ausgebracht. Schon am nächsten Tage war eine „sorgfältig verbesserte und stark vermehrte“ Nachschrift dieser Rede in den Händen des Superintendenten. Der Denunciant war ein Amtsgenosse Wander’s, ein Landschullehrer, der später zum Lohne für seine „Gesinnungstüchtigkeit“ mit einem Orden bedacht wurde.

Bereits am 21. September ward Wander zum zweiten Male von seinem Amte suspendirt und „wegen feindseliger Parteinahme gegen die Staatsregierung“ in Untersuchung genommen. Daß man jetzt das Möglichste that, dem unerschrockenen Lehrer endlich den Proceß zu machen, versteht sich von selbst. Der Superintendent Roth schrieb in seinem an die Regierung eingesandten Bericht: „Nicht unterlassen kann ich es, beizufügen, daß die allerbitterste Verlegenheit entstehen würde, wenn auch diese zweite Suspension nicht mit Amtsentsetzung endigen sollte. Der überaus geschickte Lehrer darf (wenigstens in Hirschberg) nicht Lehrer bleiben.“ Dennoch brauchte man ein halbes Jahr, um darzuthun, daß Wander sich „einer der bestehenden Staatsregierung, dem positiven Christenthum und der christlichen Kirche feindlichen, auf Untergrabung dieser Autoritäten grundsätzlich bedachten Gesinnung“ ergeben habe, dann aber verurtheilte ihn die Liegnitzer Regierung mit zwanzig Bogen voll Gründen in contumaciam zur Amtsentsetzung.

Die Luft im deutschen Vaterlande war nun doch unserem Wander nachgerade zu schwül geworden. Er sehnte sich nach einem Athemzuge auf freier Erde. Auf den Rath seines Arztes unternahm er eine Reise nach Nordamerika. Er verbrachte einen Winter in Baltimore, einen Frühling in Washington und Virginien. Dann reiste er durch die Alleghanies nach Pittsburg, auf dem Ohio nach Cincinnati, über die Seen zum Niagara, auf dem Hudson nach New-York und später über Philadelphia zurück nach Baltimore, wo er sich wieder nach der Heimath einschiffte. Während seiner Abwesenheit war er wegen eines gegen den Hirschberger Landrath gerichteten Zeitungsartikels zu einer mehrwöchentlichen Gefängnißstrafe verurtheilt worden, zu deren Abbüßung er unmittelbar nach seiner Rückkehr abgeholt wurde.

Wohl hätte man nun meinen können, daß die Reaction ihr Müthchen gekühlt habe, aber nein, sie suchte ihr Opfer vollständig zu vernichten. Der Lehrer Wander war unschädlich geworden; jetzt galt es, auch den Schriftsteller, den Volksmann mundtodt zu machen. Es begann eine Hetzjagd auf den Verhaßten, wie selbst die Geschichte jener Tage nur wenige ihres Gleichen aufzuweisen hat.

Zu Anfang des Jahres 1852 zog Wander nach Löwenberg, wo er ein kaufmännisches Geschäft einzurichten gedachte. Aber der Magistrat verweigerte die Aufnahme, da Wander, weil er in Amerika gewesen, nicht mehr preußischer Staatsbürger sei. Und als er auch seine Zugehörigkeit zum preußischen Staate zu begründen im Stande war, da verlangte man von ihm noch ein Sittenzeugniß und einen Vermögensnachweis. In dem ersteren erklärte der Hirschberger Magistrat Wander’s sittlichen Lebenswandel für vorwurfsfrei, fügte aber hinzu, daß sein politisches Verhalten zur Amtsentsetzung und zu einer gerichtlichen Bestrafung geführt habe. Auf Grund dieses Attestes wurde ihm die Niederlassung in Löwenberg versagt, und auf eine Beschwerde bei der Liegnitzer Regierung eröffnete ihm diese, daß nach § 2 ad 2 des Gesetzes vom 21. December 1842 der Magistrat im Rechte sei. Dieser Paragraph gab nämlich der Landesbehörde das Recht, „einen entlassenen Sträfling“ von dem Aufenthalte an gewissen Orten auszuschließen.

Wander übergab das bereits gegründete Geschäft seinem ältesten Sohne und zog nach Bunzlau, wo er einige Zeit unangefochten lebte. Plötzlich wurde ihm jedoch von der dortigen Polizeibehörde die Ausweisungsordre zugestellt, und als er sich wieder nach Löwenberg begab, wiederholte sich dort derselbe Vorgang. Wander ging nach Hirschberg zurück und ließ sich endlich 1853 am Fuße des Kynast im freundlichen Hermsdorf nieder. Kaum angekommen, ward ihm eine neue Haussuchung zu Theil. Der Landrathamtsverweser von Zedlitz erschien mit mehreren Gensd’armen. Thüren und Fenster wurden geschlossen und sämmtliche Schränke, Kommoden und Schubladen geöffnet; selbst die Schübe des neu eingerichteten Ladens wurden durchwühlt. Man suchte nach einem Manuscripte, das aber nicht aufgefunden wurde. Dafür belegte man eine ganze Reihe anderer Schriften mit Beschlag. Als Wander vorstellte, daß man sich doch auf das beschränken möchte, worauf der Antrag laute, ward ihm der Bescheid: „Ich habe die Gewalt; wer die Gewalt hat, übt sie, und der Gewalt muß man sich fügen; ich nehme, was ich Lust habe, und was ich nicht brauchen kann, bekommen Sie wieder.“

Der Hauptzweck der Haussuchung war wohl nur der gewesen, Wander und die Seinen als gefährliche Leute darzustellen und die Bewohner des Ortes vor dem Umgange mit ihnen zu warnen. Der Zweck war auch zum Theil erreicht worden.

Einige Wochen nach der Haussuchung wurde der Frau Wander’s durch landräthlichen Befehl der Fortbetrieb des kaufmännischen Gewerbes untersagt, auf Grund einer Verfügung, die sich auf die Ehefrauen solcher „Verbrecher“ bezog, die wegen eines

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_459.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)