Seite:Die Gartenlaube (1879) 471.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

namentlich jene Leuchtkugeln, welche zuerst in weißestem Lichtglanze, gleich einem Meteor in umgekehrter Richtung, gen Himmel schießen, hoch oben am dunklen Gewölbe sich theilen und Hunderte von kleineren Leuchtkugeln in den verschiedensten Farben ausstreuen, die nun langsam niederschweben, um den gleichen Theilungsproceß, nach Zurücklegung etwa der halben Niederfahrt, nochmals, natürlich in weit, weit größerer Mannigfaltigkeit, zu wiederholen – diese Leuchtkugeln, über dem Meeresspiegel aufsteigend, zum Meeresspiegel niederschwebend, in ihn versinkend, sind von wahrhaft magischer Wirkung. Die höchste Leistung der Pyrotechnik scheint mir aber in der Darstellung wirklicher Bilder zu liegen, welche auf das Brettergerüst aufgemalt worden waren, dessen ich oben erwähnte. Man hatte Gegenstände aus der Blüthezeit der griechischen Colonisation Siciliens gewählt: die Darbringung eines Opfers z. B., einen Kriegsrath, eine Schlacht u. dergl. m. Landschaft, Architektur, Personen erscheinen hier deutlich erkennbar durch verschiedenfarbige Feuerlinien umrissen; die bewegliche Natur, das Flammen der feuerigen Linien theilt den Körpern eine gewisse Bewegung mit, durch welche der täuschende Effect des Lebens den Figuren eingehaucht wird; dadurch, daß die Farben, zwei- bis dreimal wechselnd, zu immer reicherem Glanze aufsteigen, wird nicht nur Abwechselung, sondern auch eine gewisse Spannung im Zuschauer bewirkt, der unwillkürlich den Eindruck empfängt, als wohne er einer vorschreitenden Handlung bei.

Die Haltung des Publicums war wieder musterhaft; völlig naiv in ihrer Freude, glich die Menge einer ungeheueren Kinderversammlung, für welche der Weihnachtsbaum geschmückt ist; lebhafte Ausrufe der Freude, der Befriedigung, des Entzückens ließen sich vernehmen; Vergleiche mit den vorjährigen Festen wurden angestellt, und nachdem wiederum Kanonenschläge und einige Raketenbouquets jetzt das Signal des Schlusses des Festes gegeben, zerstreute sich die Menge in Ruhe und Ordnung; nach einer Stunde herrschte tiefste Stille dort, wo kurz vorher das Licht geflammt, die Raketen gezischt, die Kanonenschläge gedonnert und eine zahllose Menge gelacht und gejubelt hatte; feierlich ernst entstieg das sanfte Mondlicht der dunklen Fluth, seine silbernen Strahlen zitterten auf der schwankenden Fläche; hoch vom Himmel herab strahlten bald in röthlichem Feuer, bald in grünlichem, diamantartig blitzendem Lichte die ewigen Sterne; auch sie schmückt der Süden mit schönerem Glanze, als der Norden es gewährt.

Der dritte Tag bringt den eigentlich kirchlichen Theil des Festes. Alle Hauptstraßen der Stadt sind glänzend erleuchtet; die gewöhnlichen Gaslaternen haben prächtigen Gaspyramiden Platz gemacht; von Balconen und Fenstern hängen buntfarbige Teppiche – durch die taghell erleuchteten Straßen bewegt sich der Zug. Voran Hunderte von Knaben und Jünglingen, Wachsfackeln tragend, die Gemeindebeamten, Musikbanden, geistliche Orden, Kapuziner und Andere, der Clerus, die Domgeistlichkeit, der Erzbischof in goldstrotzender Carosse, und dann – der angeblich 500 Pfund schwere silberne Sarg mit den Gebeinen der Heiligen. Alle zehn Minuten müssen die Träger, welche dem Kreise der jungen Bürger entnommen werden, wechseln, und wegen des schweren Gewichtes sind sie genöthigt eine Art Tanzschritt, eine gewissermaßen hüpfende Bewegung einzuhalten, sodaß der mit Lichtern und silbernen Aufsätzen geschmückte Sarg fortwährend von einer Seite zur andern geschaukelt und in dem Zuschauer die Befürchtung eines bevorstehenden Sturzes erregt wird. Chorknaben und bürgerliche Theilnehmer schließen den langen Zug, welcher bis zu seiner Rückkehr zum Dom eine Zeit von etwa vier Stunden gebraucht.

Von besonderer Andacht habe ich nichts wahrgenommen; auch dieser Zug, obgleich seinen Mittelpunkt ein Sarg bildet, ist den Palermitanern nichts anderes als ein Schauspiel ohne Entréekarten; so nehmen sie es an, so betheiligen sie sich an demselben; aber der Versuch des Clerus, aus der großen Zahl der Theilnehmer einen Rückschluß auf die Zahl der clerikal Gesinnten zu machen, muß als vollkommen verfehlt bezeichnet werden; die Zahl der clerikal Gesinnten kann sehr groß sein, die Erörterung dieser Frage liegt außerhalb des Bereiches meiner Aufgabe – das nur muß hervorgehoben werden, daß die Theilnahme an einem Kirchenfeste keinen Rückschluß auf die kirchliche Gesinnung der Theilnehmenden gestattet.

Früher, zur Zeit der Herrschaft der Bourbonen, hatte das Fest nicht nur, wie im Eingange bereits erwähnt, eine längere Dauer, sondern es wurde bei demselben auch, ohne Rücksicht auf die Kosten eine weit größere Pracht entfaltet. Während der damaligen fünf Feiertage waren die Geschäftslocale nur bis Mittag geöffnet, dann aber ward Alles geschlossen, da gegen zwei Uhr die Feierlichkeiten begannen, deren noch heute interessantes Programm mir folgendermaßen geschildert worden ist:

Am ersten Tage hielt um zwei Uhr der kolossale Karren, welchen unsere Abbildung zeigt, mit Blumen, buntfarbigen Draperien, Gold- und Silberflittern, Fahnen u. dergl. m. prächtig geschmückt, das imposante Standbild der Heiligen tragend, vom Fora italico aus durch die Porta felice seinen Einzug in die Stadt. Dem Karren schritten die kirchlichen und bürgerlichen Autoritäten voran, denen ein Vorläufer mit einer gewaltigen Glocke folgte. Der Karren wurde von vierzehn Paar jener stattlichen Stiere gezogen, wie man sie nur in Sicilien findet, deren gabelförmig weit von einander abstehende, kolossale Hörner das Erstaunen aller Fremden errege. Diese mächtigen Thiere mit Blumenmassen und buntfarbigen Bändern geschmückt, ihre nebenherlaufenden Führer in prächtig-bunter Festtagskleidung, riesige Stäbe mit mächtigen Stacheln zum Antreiben der Thiere in den Händen schwingend – so bewegte sich der Karren de Corso Vittorio Emanuele (damals Toledo oder Cassaro genannt) hinan. Allemal nach Zurücklegung von 300 bis 500) Schritten gab der Vorläufer mit seiner Glocke ein Zeichen zum Halten, worauf sofort eine der beiden auf dem Karren sitzenden Musikbanden zu spielen begann. Das Gewicht des Karrens war so gewaltig, daß die vier Riesenräder dampften und unfehlbar in Brand gerathen wären, wenn man sie nicht während des Fahrens fortwährend mit Wasser begossen hätte, welches auf einem besonderen Wagen dem Karren unmittelbar nachgefahren wurde. Die Straße, durch welche der Zug sich bewegte, war prächtig geschmückt; von allen Fenstern hingen buntfarbige Teppiche, Blumenguirlanden zierten die Balcons und zogen sich über die Straße von dem einen zum gegenüberliegenden Hause, vor den Häusern aber hatte man alle 15 bis 20 Schritte Holzsäulen angebracht, welche Wappen, Blumen, Fahnen und bunte Oellämpchen trugen, mit einander aber wieder durch Blumenguirlanden verbunden waren. Langsam bewegte sich der Karren den Toledo hinan bis zur Piazza Vittoria, woselbst man ihn vorläufig stehen ließ. Am Abende des Tages nun fand prächtige Illumination des Toledo statt, welcher durch das bunte Licht an den Säulen vor den Häusern das Ansehen einer prächtig erleuchteten riesigen Säulenhalle empfing; dazu Lampions auf allen Balcons, zwischen Blumen flammendes Licht in allen Fenstern und die taghell erleuchtete Straße gedrängt voll von einer bunten, heitern Menge von Spaziergängern in festlicher Kleidung. Später fand am Foro Feuerwerk statt, welches dem jetzigen an Pracht weit überlegen gewesen sein soll.

Am zweiten Festtage begannen um zwei Uhr Nachmittags die von den vielfachen Beschreibungen des römischen Carnevals allbekannten Wettläufe reiterloser Pferde. Die Rennbahn war wiederum der Toledo von der Porta Felice bis zur Porta Nuova, woselbst man am Ende der Bahn ein mit Mennige (rother Farbe) beschmiertes Seil gezogen hatte, das von dem zuerst anlangenden Pferde zerrissen werden und dabei demselben gleichzeitig als Zeichen des Sieges eine rothen Strich auf die Brust drücken mußte. Interessant bleibt es bei diesen Rennen immer, zu sehen, wie diese Pferde von wirklichem Ehrgeize beseelt zu sein scheinen und selbst zur List und zur Intrigue ihre Zuflucht nehmen, um durch Abdrängen, Schlagen, Beißen u. dergl. Mittel dem Nebenbuhler den Sieg zu entwinden. Am Abend dieses zweiten Tages wurde der Karren durch den wiederum glänzend erleuchteten Toledo nach dem Foro italico zurückgefahren.

Der dritte Tag brachte eine Wiederholung der Pferderennen und des Feuerwerkes. Den Schluß dieses Tages bildete die Erleuchtung der Villa Giulia.

Am vierten Tage wurden ist allen Straßen prächtige Vespern abgehalten, und an der abendlichen Illumination betheiligte sich auch die Kathedrale durch glänzende Erleuchtung ihrer Façade.

Der fünfte Tag war der großen Procession gewidmet, bei welcher die Einrichtung herrschte, daß das eine Jahr die eine, und das folgende Jahr die andere Hälfte der Stadt durchzogen wurde. Dabei wurde nicht nur das Standbild der „heilige Rosalie“ umhergetragen,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_471.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)