Seite:Die Gartenlaube (1879) 480.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


vor die Füße. Nur höfliche Herrschaften können auf zuvorkommende und ihnen treu ergebene Dienerschaft zählen. Dazu ist es durchaus nicht nöthig, intim oder zutraulich mit der Dienerschaft zu sein. Auch hier muß alles genau auf demselben Fuß bleiben, ob man allein ist oder Gesellschaft hat.

Ist der Zuschnitt deiner Häuslichkeit nach dem Maße des Verkehrs in guter Gesellschaft eingerichtet, so ist damit nicht nur die Erziehung ungemein vereinfacht: es ist damit zugleich eine Unsumme von besorgter Aufmerksamkeit, Verlegenheit und Unruhe gespart. Wenn dein Dienstmädchen gewöhnt worden ist, an jedem Tag die Arbeit fein und anständig zu verrichten, kannst du ihr auch die Bedienung fremder Gäste anvertrauen. Und ebenso kannst du mit größter Ruhe deine Kinder in ein fremdes Haus gehen lassen, ohne ihnen besondere Verhaltungsmaßregeln mitzugeben. Alles, was du sagen könntest, würde ja sein:

„Betragt Euch so, als ob Ihr zu Hause wäret.“

Die Kinder dürfen ja auch zu Hause und im täglichen Verkehr nur artig und zuvorkommend sein; sie müssen auch zu Hause stets nett und sauber in ihrer Kleidung sein; sie müssen alle Tage genau so anständig am Tische essen, wie man es in gesitteter Gesellschaft verlangt, und sie haben auch daheim nie etwas anderes gesehen und gehört, als sie in Gesellschaft sehen und hören werden.

Welchen Schrecken, ja welch Entsetzen ruft in manchen Häusern das unvermuthete Eintreffen fremder Gäste hervor! Da schießt Alles hin und her; Thüren hört man in der Ferne auf- und zuschlagen, hastig abgebrochene Worte werden geflüstert. Eins der Kleinen, das uns im Vorhaus freundlich entgegen laufen will, wird eiligst von einer Kindsmagd am Aermchen gepackt und zu irgend einer Thür hinausgeschoben, während wir selbst in den Salon genöthigt werden. Nun vergeht eine längere Zeit, bis die Hausfrau, die erst Toilette gemacht hat, erscheint, und sich über ihren eigenen Anzug, über die Unordnung im Zimmer, und was weiß ich noch Alles, verlegen entschuldigt, ehe sie aus der Aufregung nur einigermaßen zur Ruhe kommt.

Seht ihr, das sind Familien, in denen das anständige Wesen nur zu besondern Gelegenheiten umgehängt wird, wie ein Staatsmantel. – Muß nicht eine Hausfrau jede Stunde des Tages anständig genug gekleidet sein, um eine liebe Freundin ohne Verlegenheit empfangen zu können? Wie soll ich mir den Zustand vorstellen, in dem sie gewesen ist, ehe alle die Thüren zugeschlagen wurden, zu denen ich beileibe nicht hineinsehen durfte? Ein ganz einfaches Hauskleid, eine Leinwandschürze, wenn man eben im Häuslichen zu thun hatte, ja sogar eine von der Arbeit feuchte Hand, die man erst abtrocknen muß, ehe man sie der Freundin bieten kann, all Das würde mich nicht dazu veranlassen, beim Eintritt von Besuch die Flucht zu ergreifen. Man weiß es ja, daß ich in meinem Hause beschäftigt bin, und ich schäme mich dessen nicht. – Liegt hier und da ein Kinderspielzeug herum, nun wohl: man weiß es, daß ich kleine Kinder habe, die im Wohnzimmer spielen; auch das ist keine Schande. Aber freilich – Kleider, Wäsche oder das leere Geschirr von der letzten Mahlzeit, oder Staub und Schmutz in den Winkeln – das darf nicht im Wohnzimmer zu finden sein, das darf aber auch nie dort zu finden sein, und ebenso darf sich nie, absolut niemals, die Hausfrau oder ihre Kinder in einem Anzuge befinden, dessen sie sich vor fremden Augen zu schämen hätte. Müßte sie sich denn nicht viel tausendmal mehr vor den Augen ihres Gatten – ja sogar vor denen ihrer Dienstboten – schämen?

Darum kann echte, gute Sitte und feiner Anstand nur in einem Hause geübt werden, dessen ganzes Thun und Treiben, Reden und Denken klar vor den Augen aller Welt daliegt, wie unter einer Krystallglocke.

„Licht, viel Licht, bis in den letzten Winkel hinein!“ heißt es auch da wieder, und die Kinder, die in dieser klarem sonnenhellen Atmosphäre erwachsen sind, werden überall im Leben ihren Platz gut auszufüllen wissen, ob sie das Schicksal dereinst in bescheidene Verhältnisse bringt oder ihnen eine Krone in’s Wappen flicht.




Blätter und Blüthen.


Noch einmal die Colibri. Wenn in den „Colibri-Studien“ („Gartenlaube“ Nr. 6) gesagt wird, daß die so zierlichen Vögel sich hauptsächlich von kleinen Kerbthieren nähren, die sie in den Blumen aufsuchen, so mag es andererseits nicht ohne Interesse sein, zu erfahren, daß sie auch von Honig allein zu leben vermögen, es sogar, wenn eine kleine Mühe nicht gescheut wird, möglich ist, selbst ganz junge Thierchen, ohne Beihülfe der Alten, aufzuziehen, wie ich in den folgenden Zeilen zu schildern suchen werde.

In der Stadt Z. auf der Hochebene Mexicos begegnete ich eines Nachmittags einem Jungen, der ein auf einem gabelförmigen Zweige erbautes Nest, in dem sich zwei noch durchaus nackte Colibri befanden, in der Hand hielt. Ich bot dem Jungen einen Real (fünfzig Pfennig), und wir waren des Handels einig. Sofort eilte ich nach Hause, bohrte ein Loch in ein Brettchen, steckte den Zweig hinein und stellte das Ganze auf einen Tisch. Die erste Sorge war nun: wie und mit was füttern? Zuckerwasser verwarf ich als nicht geeignet, denn wenn, wie ich annehmen mußte, die Nahrung dieser Thierchen der Nektar der Blumen sei, so bot Zuckerwasser einen nur schwachen Ersatz dafür; ich kaufte deshalb etwas Honig, den ich mit Wasser verdünnte. Vermittelst eines dünnen Hölzchens, welches ich eintauchte, versuchte ich nun, an den Schnäbeln hinstreichend und dabei etwas aufdrückend, den kleinen Thieren ein wenig Nahrung beizubringen, denn sie wollten die Schnäbel nicht sperren. Nach wiederholten Versuchen gelang es mir, ihnen einige Tropfen einzuträufeln, und ich setzte auf diese Weise das Füttern fort. Um nun meinen so sehr zarten Pfleglingen die Wärme der fehlenden Eltern zu ersetzen, bedeckte ich sie mit gezupfter Baumwolle. Die Hoffnung, die Vögel am anderen Morgen noch lebend zu finden, war freilich eine nur kleine, um so größer aber meine Freude, als ich sie wirklich noch am Leben und munter fand.

Nach einigen Tagen ging das Geschäft des Fütterns schon besser, denn nun sperrten sie, wenn ich mich dem Tische näherte, ihre Schnäbel von selbst auf und fuhren an dem mit Honig bestrichenen Hölzchen, welches ich ihnen reichte, hin, mit ihren Zungen, dünn wie Nadeln, den Saft einführend.

Jedenfalls muß meinen Kleinen Kost und Pflege wohl bekommen sein, denn sie gediehen ganz hübsch; nur beging ich einmal den Fehler, ihnen zu viel Futter zu reichen, denn die noch ganz kahlen Kröpfchen waren durch die Ausdehnung fast durchsichtig geworden, was glücklicher Weise keine schlimmen Folgen hatte.

Mit vielem Vergnügen sah ich sie von Tag zu Tag sich mehr entwickeln, und nach zweiundzwanzig Tagen ward mir die Genugthuung zu Theil, die Thierchen mit schönem grün- und bronzeschillerndem Gefieder bedeckt und flügge zu sehen. Sie waren jetzt aber im Nest nicht mehr zu halten, und so oft ich sie auch vom Boden, wohin sie immer flogen, aufnahm und in ihr Nest zurücktrug, währte es nicht lange, so waren sie wieder unten. Als ich ihnen eines Morgens ihr Futter geben wollte, war eines meiner Kleinen verschwunden und blieb es auch, trotz allen Nachsuchens. Ob es nun davon geflogen oder von der Katze verspeist worden war, weiß ich nicht; nach weiteren zwei Tagen war das andere, wahrscheinlich aus Leid über den Verlust des Gefährten, todt.

J. G. B.




Ueberraschungs-Gesellschaften in Amerika. Aufregung ist dem Amerikaner Bedürfniß, und wo dieselbe fehlt, schafft er sie sich; es ist deshalb nicht zu verwundern, daß er sie auch bei rein gesellschaftlichen Zusammenkünften nicht vermissen will, und darin ist wohl der Ursprung der surprising parties oder Ueberraschungs-Gesellschaften zu suchen.

Eine Anzahl bekannter oder befreundeter Personen beschließt bei einer denselben befreundeten Familie eine surprising party zu geben. Sie versammeln sich zu diesem Zwecke an einem bestimmten Orte im feinsten Gesellschaftsanzuge und ausgerüstet mit allen Delicatessen und feinen Weinen zu einem splendiden Abendessen. Eben hat sich die zu überraschende Familie zu Bett begeben, als einer der Gesellschaft unter irgend einem Vorwand Einlaß bei derselben begehrt; kaum ist die Thür geöffnet, dann stürmen die Anderen nach und nehmen Besitz vom ganzen Hause; während die Einen nun das Souper arrangiren, improvisiren die Anderen einen Ball oder irgend eine andere Belustigung, zu der die Hausbewohner mit vielem Ceremoniell eingeladen werden. Ebenso plötzlich wie die Gesellschaft erschienen, verschwindet dieselbe auch wieder nach einiger Zeit, den so aus ihrer Ruhe Gerüttelten es überlassend, in ihre Häuslichkeit wieder Ordnung zu bringen, denn es ist ein Theil des Programms der surprising parties: alles von unterst nach oberst zu kehren. An der grenzenlosen Verwirrung im Hause erkennen denn auch die Ueberraschten in der Morgenfrühe, daß das Ganze kein Traum war. Erfreut sich eine Familie einer größeren Bekanntschaft, so ist sie nicht sicher, an ein und demselben Abend zweien oder mehreren solcher Gesellschaften ihre Thüren öffnen und ihr Haus zur Verfügung stellen zu müssen.




Vermißt. Ein hochbetagter armer Holzsäger bittet um Kunde von seinem Sohne, dem Seemann Peter Joh. Fr. Hargens aus Marne in Holstein. In seinem letzten Briefe vom 30. Juni 1857 aus Cardiff schrieb er, daß er am folgenden Tag (1. Juli) mit einem holländischen Barkschiff nach Singapore und Batavia abgehen und später nach Deutschland zurückkehren werde. Seitdem ist den alten betrübten Eltern keine Kunde von ihm geworden.




Kleiner Briefkasten.

M. B. in Breslau. Wir bedauern, Ihnen nicht dienen zu können.

N. Karl. Zu unserem Bedauern nicht zu verwenden. Geben Sie gütigst Ihre genaue Adresse zur Rücksendung des Manuscripts an!

C. S. in Karlsruhe. Sie kennen die Adresse: lassen Sie Ihrem Herzen freien Lauf und schicken Sie direct. Die Theilnahme in dieser Form kann unmöglich verletzen.

Americus. Ungeeignet.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_480.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)