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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Fresken vom König übertragen worden, und er hatte die Compositionen dazu in den Abendstunden von 1826 an gezeichnet. Sie stellen eine Geschichte der Malerei und ihrer Hauptmeister von Cimabue bis Claude und Poussin, Rubens und Murillo dar und entwickeln eine Fülle der schönsten Motive. Leider ward in Folge eines bereits beginnenden Intriguenspiels gegen den großartig arglosen Meister die Ausführung dieser Entwürfe vom König ganz gegen Cornelius’ Intention an Cl. Zimmermann übertragen, der sie denn auch so geist- und leblos besorgte, daß man kaum irgend ein Vergnügen an ihrer Betrachtung finden kann. Während man hier auf’s Aeußerste knauserte – hatte doch Cornelius selber für die Compositionen zur Glyptothek nur ein Honorar von 10,000 Gulden erhalten – wußte es der Architekt des Baues, Klenze, durchzusetzen, daß man für höchst überflüssige Seidentapeten der Pinakotheksäle 80,000 Gulden verwendete, statt die Plafonds seinen Schülern zu übertragen, wie er es gewünscht hatte. Die Tapeten hängen heute schon in Fetzen herunter.

Cornelius selber aber sah sich noch vor der Vollendung der ersten vom König für eine andere große Aufgabe in Anspruch genommen, für die Verzierung der Ludwigskirche mit Fresken. Das war ein Auftrag, der ihn mit Entzücken erfüllte, trotz der Beschränkung, die seine Pläne bald erfuhren. Um seine classischen Erinnerungen aufzufrischen, ging er 1830 wieder nach Rom, mit der Absicht, die Cartons dort auszuführen, nachdem er die Entwürfe schon früher großentheils gezeichnet und damit ein Beispiel seiner fast unerschöpflichen Productivität gegeben hatte. Auch in diesen Arbeiten überrascht Cornelius wieder, obschon im Ganzen in den Formen des großen historische Stils der Malerei verbleibend, wie er durch die Cinquecentisten, Leonardo, Michel Angelo und Raphael festgestellt worden, durch die Einfachheit, Großartigkeit und Klarheit seiner Erfindung, in der er kaum hinter jenen zurückbleibt, durch den Reichthum der Phantasie, den er überall bekundet. Ja, gerade das Erhabene ist seine wahre Sphäre; auch darin gleicht er auffallend dem ihm in so vielen Dingen verwandten männlichen Geiste Schiller’s, daß alles Gemeine, Gewöhnliche tief unter ihm bleibt. Daß er trotzdem des anmuthigsten Spieles fähig war, beweisen seine herrlich erfundenen Arabeskeneinfassungen in der Glyptothek. Von Interesse ist es, zu beobachten, wie der Meister, bei aller sichtbaren Schulung durch die Italiener, auch in dieser religiösen Malerei sich deutsch national offenbart, sowohl durch den tiefen Ernst, die warme Ueberzeugung, die den Grundton seines Wesens bilden, als das schlichte, allem Theatralischen abgeneigte Wesen. Hatte er schon die homerischen Helden in’s Deutsche übersetzt, aus Achill eine Art Siegfried gemacht, so muthen uns auch seine Heiligen überall deutsch an. Am meisten aber bleibt er es in der Neigung zum Philosophiren, in der sittlichen Kraft seines Idealismus. Ihm sind Natur und Geschichte nicht etwas, was er gleichgültig hinnähme, nein, er will überall die Geschichte benutzen, um uns die Nothwendigkeit unserer Veredelung einleuchtend zu machen. Darum aber studirt er beide in seiner Weise. Sind die Bibel, Dante und Homer seine steten Begleiter, so beobachtet er auch das gewöhnliche Leben unaufhörlich in seinen Aeußerungen auf den einsamen Spaziergängen, die er beständig macht. Ihnen verdankt er, daß er in hohem Grade Meister eines natürlichen Ausdrucks ist und dabei doch niemals der Würde und des Maßes vergißt.

War er mit diesen Eigenschaften zur religiösen Malerei wie geboren, die denn auch fortan die ganze zweite Hälfte seines Lebens ausfüllt, so kamen noch persönliche Erlebnisse hinzu, welche diese Richtung in hohem Maße begünstigten. Er mußte die Erfahrung machen, wie wandelbar die Fürstengunst ist und wie selten Könige im Stande sind, unabhängige und stolze Charaktere lange neben sich zu dulden. War er schon neben dem schlauen Hofmann Klenze immer zu kurz gekommen, so bereiteten Andere ihm bald noch viel schlimmere Erfahrungen. Dazu kam nach einander der Tod erst einer Tochter, dann seiner Schwester, endlich der geliebten Gattin, sodaß er auf einmal fast allein dastand. Das war nun ganz geeignet, ihm den Sinn auf die letzten und höchsten Probleme des Daseins zu richten.

Er hatte für die Ludwigskirche die Erschaffung der Welt, ihre Erlösung durch das Christenthum und endlich das letzte Gericht gewählt. Bei Darstellung der ersteren ist die Anlehnung an Michel Angelo, wie bei der Kreuzigung die an Raphael unverkennbar; am originellsten und großartigsten ist die Anbetung der heiligen drei Könige, die Cornelius ganz symbolisch ohne jede Spur von unmittelbarer Natur, aber mit außerordentlicher Hoheit und Größe auffaßt. Das Christkind ist ihm lediglich die Personification einer Idee, vor deren Macht die Weisen und Gewaltigen wie die armen Hirten sich gleich tief beugen.

Weitaus am bedeutendsten ist indeß das jüngste Gericht, das er nach der Vollendung jener Bilder, die er von Anderen hatte ausführen lassen, begann und ganz allein durchführte. Er hatte den Carton in Rom gezeichnet, eben nachdem er jene Verluste erlitten, und trug in München bei der Ausstellung desselben 1835 einen unerhörten Erfolg davon. Das mußte ihn für vieles Andere, besonders die wachsende Opposition gegen seine gesammte Kunstrichtung, trösten, und so ging er denn schon 1836 an die Arbeit der Ausführung des ungeheuren Bildes in Fresco, und vollendete dieselbe eigenhändig bis 1839. Auch hier ist der ganze Vorgang wiederum symbolisch, ein innerliches Erlebniß als äußerer Vorgang gefaßt. Wenngleich Cornelius als gläubiger Katholik malt, so kann man ihn doch kaum orthodox und am allerwenigsten bigott und beschränkt nennen, wiewohl er weit entfernt ist so viel Heidenthum in seine Darstellung zu mischen, wie Michel Angelo oder gar Rubens.

Auch bei ihm thront oben Christus als Weltrichter, umgeben vom Chor der Heiligen und Propheten; unter ihm steigen rechts die Seligen in feierlichem Zuge auf; links ringen die Verdammten ohnmächtig gegen die Teufel, die sie in die Hölle ziehen; vorn empfängt sie Satan, Judas und Segest als Verräther an Gott und Vaterland unter den Füßen, vor sich die Vertreter der sieben Todsünden, darunter mehrere feiste Pfaffen und ein eidbrüchiger König sich demüthig vor ihm windend. Durchdacht ist hier Alles mit einer Schärfe, die man weder bei Rubens noch selbst bei Michel Angelo findet.

Dieses Bild ist die bedeutendste Schöpfung der Münchener Schule bis heute geblieben, um so mehr, als es auch in der Ausführung weit geistvoller und meisterhafter gerieth als Alles, was Cornelius sonst in München ausgeführt hat oder vielmehr durch Andere ausführen ließ. Mit der Vollendung dieses Bildes war denn auch seine Mission dort zu Ende; blieb ihm doch jede Anerkennung für diese letzte und höchste Leistung versagt! Beide, König und Malerfürst, schieden leichten Herzens von einander, als den Letzteren im Jahre 1840 der König Friedrich Wilhelm der Vierte nach Berlin als Director an die dortige Akademie berief.

Allerdings muß man gestehen, daß die Cornelianische Schule in München eine Unmöglichkeit, ein Anachronismus geworden war, da sie sich gänzlich unfähig erwiesen hatte, die ihr anhaftenden schweren Mängel zu verbessern. Sie mußte daher von einer realistischen Richtung abgelöst werden, und ein Kaulbach und Schwind konnten das so wenig hindern, wie der Meister selbst.

Kurz ehe er München verließ, hatte Cornelius Paris besucht und war dort überaus ehrenvoll empfangen worden; König Ludwig Philipp hatte ihm selbst sein neues Versailler Museum gezeigt und ihn zur Tafel gezogen, eine Ehre, die ihm seitens des Münchener Hofes niemals widerfahren sein soll. In Berlin nahm ihn der König Friedrich Wilhelm nicht minder mit offenen Armen auf, und auch die geselligen Verhältnisse mit Humboldt, den Grimm’s, Steffens, Rauch und Anderen knüpften sich leicht und rasch. Kaum hatte er sich etwas eingewöhnt, so traf ihn der Antrag, über den Schmuck des neuen Parlamentshauses in London ein Gutachten abzugeben. Seine Reise dorthin über Brüssel glich einem Triumphzuge; er ward mit Ovationen überschüttet. Nach seiner Rückkehr war seine erste Arbeit die Zeichnung zu dem berühmten Glaubensschilde, den König Friedrich Wilhelm als Taufpathe dem Prinzen von Wales zum Pathengeschenk machte. Erntete seine Bewältigung der Aufgabe hier mit Recht die allgemeinste Bewunderung, so ward sie um so weniger einem für den Grafen Raczynski in Oel gemalten Christus in der Vorhölle zu Theil, einer allerdings schwer verständlichen Composition, die durch die Ausführung in einer dem Meister ganz fremden Technik nicht an Reiz gewann.

Hatte man ihn in Berlin wie einen Propheten empfangen, so sollte er jetzt die Kehrseite kennen lernen, da die Presse ihn mit unsäglich grober Rücksichtslosigkeit behandelte. Das verleidete ihm Berlin, und er ging 1843 auf einige Zeit nach

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_504.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)