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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Abgesehen von den Fernsichten gegen die Alpen hin, beruht die größte Schönheit des südlichen Schwarzwaldes in der Formation seiner vom Centrum her gegen West, Süd und Ost tief und gewaltsam eingerissenen langen Thäler. Oben sind sie, in ihrem Anfange, freundliche, von leichtem Rinnsal durchzogene Wiesenthäler, dann aber wühlen sich die Wasser immer tiefer ein und brechen sich zuletzt meist stundenweit durch gewaltige, schroffe Felsschluchten dem Rheine zu Bahn. Man begreift daher leicht, daß hier ein großer Schatz an landschaftlichen Schönheiten zu heben ist. Hand in Hand mit unserem Künstler, wollen wir nur zwei dieser Auswege aus dem Gebirge schildern: das Albthal mit St. Blasien und das Wehrathal mit der nahen Haselhöhle.

Steigen wir zunächst in das Albthal hinab, welches von allen Schwarzwaldthälern am meisten schweizerischen Charakter trägt! Der Albfluß entspringt ganz in der Nähe des Feldberggasthofes und hat von seinem Ursprunge ab, die Windungen ungerechnet, eine Länge von vier Meilen. Das Thal beginnt als Thälchen zwischen Hochalpenwiesen, senkt sich aber bald tiefer zwischen die Kuppen ein, erreicht dann abwechselnd Waldstrecken und hat nun ganz jenen frischen Hochalpenthalcharakter, bei welchem dem Wanderer das Herz aufgeht, daß er jubelnd singen möchte, wenn sein Fuß ihn leicht und munter thalab trägt. Hier liegen die lang sich hinstreckenden Dörfer, welche die Gemeinde Menzenschwand bilden; sie sind die Heimath des berühmten Malers Winterhalter und in neuerer Zeit als Curort beliebt.

Je mehr sich unser Thal in die Gebirgsmasse einschneidet, desto mächtiger nehmen sich die Thalwände aus, und bei einer Wendung um eine Thalecke sieht der Reisende plötzlich St. Blasien vor sich. Inmitten der dunkelgrünen bewaldeten Berge, welche den kleinen Thalkessel umfangen, erhebt sich über die Baumkronen schon von Weitem die hohe majestätische Kuppel eines Domes. Näher kommend gewahrt man im Hintergrunde eines fast großstädtisch eingefaßten Platzes über einem von riesigen Säulen getragenen Frontispiz den kühn in die Lüfte ragenden Bau wieder – da steht er, der schöne Dom des ehemaligen Klosters St. Blasien, das 858 als „Albzell“ gegründet wurde und von einem ganz ärmlichen kleinen „Klösterle“ sich zu einem geistlichen Reichsfürstenthum mit soviel Besitz entwickelte, daß seine Aebte der Sage nach auf ihren Romfahrten täglich auf eigenem Boden zur nächtlichen Rast einkehren konnten. Seine Besitzungen auf deutschem Boden, ohne die in der Schweiz, konnten bei seiner Säcularisation 1805 auf 5 Millionen Gulden, sicherlich zu niedrig, taxirt werden. Die Geschichte des Reichsfürstenthums St. Blasien ist in Recht und Unrecht höchst interessant. Sie steht mit der des angrenzenden Hauensteiner Ländchens und des Gebietes der nachbarlichen Herren von Tiefenstein, sowie der ebenfalls angrenzenden Grafen von Habsburg im engen Zusammenhang. In den Bauernkriegen und den Aufständen der Hauensteiner („Gartenlaube“ 1868, Nr. 23) wurde St. Blasien öfters hart geschädigt. Der Dom ist im Laufe der Zeit mehrmals niedergebrannt, zuletzt im Jahre 1874. Das Gebäude, welches damals der Flamme erlag, hatte der Abt Martin Gerbert 1785 nach dem Muster des Pantheon von Dixnard aufführen lassen, und der Marmor zu seinen schönen hohen Säulen war im Wutachthal im Schwarzwalde selbst gebrochen. Bei der Sequestration war die kupferne Bedeckung der gewaltigen Kuppel in die Karlsruher Münze gewandert und durch Zinkplatten ersetzt worden.

Es ist kein geringerer als Goethe, der diese Kirche St. Blasiens als einen der schönsten deutschen Tempel pries. In der That gemahnte uns die in dem herrlich bewaldeten Thal aufragende gewaltige Kuppel an die alte Sage vom Tempel des Gral. Der letzte Brand von 1874 erregte weithin schmerzliche Theilnahme, aber die menschlich Beharrlichkeit hat auch hier abermals einen ihrer Triumphe gefeiert: der Bau steht seit Kurzem wieder in alter Herrlichkeit da. Der kleine Thalkessel ist von den Klostergebäuden, die jetzt eine großartige Spinnerei beherbergen, und wenigen Privathäusern, worunter die empfehlenswerthen Gasthöfe, ganz ausgefüllt und eine vielbenutzte Sommerfrische.

Der schweizerhafte Charakter der Gegend erhält sich auch weiter abwärts. Doch ist das Thal nun belebter. Dörfer und Weiler im echten Schwarzwaldbaustil liegen im Thal und auf den Hängen sehr anmuthig. So geht es zwei gute Stunden fort; da verengt sich das Thal abermals zu einem langen Paß. Immer steilere Felsgehänge und Ecken engen den tosenden Fluß ein und lassen endlich an seinem vielgewundenen Ufer nur noch hoch überm Wasserspiegel die Fahrstraße ihren Fortgang finden. Dann kommt eine kleine Thalausweitung bei Tiefenstein, einem kleinen, an einer Bacheinmündung malerisch gelegenen Orte, über welchen die mit frischem Grün überwucherten Ruinen seiner alten Burg auf steilem Bergkegel emporragen.

Und nun beginnt die Glanzstrecke des Thales und zieht sich bis Albbruck, der Station an der Basel-Constanzer Bahn hin, wo der Albfluß in den Rhein mündet. Auf einer Wanderung von etwa anderthalb Stunden blickt man hier von der am linken Berghang geführten Straße in ein enges Felsenthal hinab, ganz von der Art des Bodethales im Harz. In der That gewährt diese Wanderung beständig Hinabblicke, wie der vom „Hexentanzplatz“ nach der „Roßtrappe“ zu; etwas weiter ist das Thal freilich. Fast inmitten der Strecke liegt der Gasthof „Zum Hohenfels“; seine auf schwindelnder Höhe über der Alb erbauten Pavillons gewähren wunderbare Ansichten des Felsenpanoramas. Ein Fußweg führt hinab zu den interessantesten Punkten am Ufer, zu der „Teufelsbrücke“ und dem „Felsenthal“. Der Eindruck dieser Wanderung durch das Albthal wird auch dem von hier in die Schweiz Uebertretenden durch keine Landschaft der letzteren verwischt werden.

Wir müssen aber zur Erläuterung der Skizzen unseres Künstlers uns noch auf einen kleinen Ausflug seitwärts von St. Blasien begeben. Man erreicht, auf vortrefflicher Chaussee wandernd, über den Ort Häusern fort, den höchst gelegenen (1014 Meter) Pfarrort des Schwarzwaldes, Höhenschwand. Der Ort ist bei Bergfreunden schon lange berühmt gewesen wegen seines wunderbaren Alpenpanoramas, welches das vom Feldberg darin übertrifft, daß es die Alpenzüge tiefer hinab, und auch um etwas näher zeigt. Das große, sehr behagliche und comfortable, freilich durch die Verhältnisse zu hohen Preisen genöthigte Hôtel „Höhenschwand“ fand seine Begründung durch ein großes Vermächtniß Winterhalter’s.

Nach etwa zwei Stunden in entgegengesetzter Richtung erreicht die Chaussee von dem Orte Häusern aus die Sommerfrische Schluchsee, am gleichnamigen See gelegen, den uns unser Künstler vorführt. Der Schluchsee kommt dem Titisee, zu dem die Straße über Altglashütte führt, an Größe und Lieblichkeit der Umgebung beinahe gleich. Er ist auch fischreich wie jener. Die Sage läßt in ihm Nixen hausen, welche in den früheren besseren Zeiten oftmals sichtbar sich unter die Menschen mischten; besonders zu den Tänzen an Festtagen stellten sie sich in ihrem schönen glitzernden Putz ein. Aber Zweien erging es einst schlecht. Sie selbst ließen sich von der Schönheit und Liebeswerbung zweier trefflicher Jungen so weit berücken, daß sie die Mitternacht über am Lande blieben, während sie, „wenn die Unke ruft und der Schuhu schreit“, nach dem Gesetze ihres Wasserreiches hätten daheim beim Seekönig, ihrem Vater, sein müssen. Als sie nun endlich unter Bangen und Klagen sich aus den Armen der sie begleitenden Jünglinge losrissen und in die Wellen tauchten, da brausten dieselben sogleich wild auf und färbten sich blutroth. Die armen Jungen aber verzehrte der Gram und die Sehnsucht nach den verlorenen Geliebten.

Unsere Illustration führt uns endlich noch in das Wehrathal und die Haseler Höhle. Das Thal der Wehra, eigentlich wohl Werra, zieht von den Vorstufen des Feldberges, Blößling und Hochkopf her in etwa zwei Drittel der Länge des Albthales gen Süden zum Rheine, wo der Fluß bei der Eisenbahnstation Brennet in letzteren mündet. Meist besucht man das Thal von hier aus. Bis zum Orte Wehr, einem sehr behäbigen, mit guten Gasthöfen ausgestatteten, zu längerem Weilen einladenden Orte, pflegt man zu fahren und dann die Fußwanderung anzutreten, obwohl man auch hier durchweg vorzügliche Straßen hat. Der Ort liegt in einem sich etwas weiter auslegenden, fruchtbaren Thalkessel.

Bald hinter ihm verengt sich aber derselbe, und nun wandert man dem Laufe des wild brausenden, in beständigen Cascaden tosend springenden Flusses entgegen, durch ein enges Felsenthal, wiederum ganz dem der Bode vergleichbar, aber zwei Stunden lang. Felswände und Felskegel von gewaltiger Höhe schieben sich durch einander und lassen dem vielgewundenen Flusse und der Straße kaum noch Raum. In den Schluchten zwischen den nackten Felskolossen ziehen sich außerordentlich schön bewaldete

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_558.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)