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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Hamlet rasch zugreifend seine Heimtücke an Rosenkranz und Güldenstern ausübt, in den Bühnenbearbeitungen gestrichen. Ebenso spielt Friedmann nicht die Grabesscene, das Ringen zwischen Hamlet und Laertes; denn die Wildheit des Helden paßt hier nicht zu seiner Auffassung. Auch die Scene mit Ophelia bedarf einer neuen Auslegung durch die darstellende Kunst, wenn sie nicht in Widerspruch treten soll mit dem Charakter, wie ihn Friedmann angelegt hat.

Offenbar benimmt sich Hamlet in dieser Scene sehr unedel und hartherzig gegen Ophelia. Der Hamlet Friedmann’s merkt, daß er belauscht wird, spielt deshalb nur Komödie mit der Geliebten und deutet am Schluß durch einen liebevollen Kuß auf ihre Stirn an, daß diese Komödie nicht ihr selbst gelte, sondern nur den Zuhörern. Man muß bekennen, daß der Darsteller seine Auffassung mit großer Consequenz durchführt, mit einer bedeuteten schauspielerischen Kraft, wenn man auch gegen einen edeln und weichherzigen Hamlet mancherlei Bedenken hegen muß.

Friedmann’s „Richard der Dritte“ ist eine ist großem Stil erfaßte markige Darstellung, ist welcher das Heimtückische des Charakters gegen die wilde Größe des Despoten zurücktritt.

Von der Vielseitigkeit des Schauspielers legen viele kleinere Rollen, der Bonjour in den „Wienern in Paris“, der Benjamin in der „Valentine“, vor allem aber der „Königslieutenant“ und der Verbrecher Baranski in Bohrmann-Ranger’s „Verlorener Ehre“ Zeugniß ab. Für den Thorane bringt Friedmann nicht das militärisch Ritterliche mit, wie andere gefeierte Darsteller; aber er giebt ihm dafür das auflodernde, hitzige Temperament des Südfranzosen und bisweilen einen Anflug von Jovialität; es ist ein durchgeistigter, mit innerer Herzenswärme erfüllter Thorane, der sich nicht blos in kühlen Phantasiespielen ergeht.

Die Begabung Friedmann’s für frappante Charakterdarstellung tritt besonders in seinem Baranski hervor. Diese verwahrloste Natur darzustellen, in welcher bisweilen edlere Züge auftauchen ist eine schwierige, aber lohnende Aufgabe. Das Aeußere Friedmann’s ist da ganz dasjenige des entlassenen Sträflings, der mit zerstörtem Leben in die Gesellschaft hinausgestoßen wird, in der er sich nicht heimisch fühlen kann. Bitterkeit, Neid, Haß, das sind die Elemente, mit dessen seine Seele durch die lange Strafzeit erfüllt worden ist. Dazu kommt der elegische Zug, den ihm Friedmann giebt; es ist der Ton einer zerrissenen Saite, schlottrig, geborsten, nicht der wehmütige Klang, wie ihn ein edler Schmerz dem Saitenspiel der Seele entlockt. Dennoch fehlen diese edleren Regungen nicht: die innere Wandlung des Verbrechers und den rührenden Verzicht desselben am Schluß führt uns der Darsteller ergreifend vor.

Friedmann hat mit seinem Meister Dawison zwar nicht das blitzartig Zündende gemein, wohl aber die innere Hingebung, das gänzliche Aufgehen in den Charakteren, die er darstellt. Am wenigsten dürften ihm kalte Verstandesnaturen, trockene Bösewichter zusagen; sein Naturell würde ihn antreiben, auch bei ihnen nach menschlichen Regungen zu suchen. Neben den hochtragischen Gestalten, denen er einen feurigen Zug verleiht, sind es die Gemüthsmenschen im Schau- und Lustspiel, die seinem Wesen am nächsten liegen und denen er eine frische und doch nicht allzu übersprudelnde Jovialität zu geben weiß.

Unermüdlich regsam, mit höchstem Eifer seiner Kunst hingegeben, hat der siebenunddreißigjährige Darsteller noch nicht den Höhepunkt seiner Kunst und seines Rufes erreicht; die deutsche Bühne hat noch manche erfreuliche Leistung von ihm zu erwarten, und jüngere Dramatiker werden in seiner schöpferischen Begabung, in seiner aus vollem Herzen hervorquellenden Kunst noch oft einen willkommenen Halt für die Menschwerdung ihrer Gestalten auf den weltbedeutenden Brettern finden.

Rudolf von Gottschall.




Der Freundschaftsvertrag des Deutschen Reiches mit Samoa.[1]
Nach officiellen Quellen und dem Journal des „Museum Godeffroy“ bearbeitet von Richard Oberländer.


Mataupu 1. E tumau pea lava pea le Nofolelei ma le fealofani o le Malo o Siama ni ma le Malo o Samoa; ua faapea foi o tagata Siamani ma tagata Samoa, e tusa lava po o Alii ma tagata mamalu pe leai, e tusa lava foi pe a latou fetaiâi i lea mea po lea mea.

Da dieser Satz Anderen wahrscheinlich ebenso unverständlich ist, wie er es mir war, bis ich die im Originale danebenstehende Uebersetzung gelesen, so sei zur Erklärung desselben von vornherein bemerkt, daß dies der Wortlaut des ersten Artikels eines zu Apia auf den Samoa-Inseln am 24. Januar 1879 zwischen Seiner Majestät dem deutschen Kaiser und den Herren der Taimua (Senat der Samoa’schen Häuptlinge) abgeschlossenen Freundschaftsvertrages ist, welcher auf gut deutsch etwa wie folgt lautet: „Es soll Friede und immerwährende Freundschaft sein zwischen dem deutschen Reich einerseits und Samoa andererseits, sowie zwischen den beiderseitigen Angehörigen ohne Unterschied der Personen und Orte.“

Die Wichtigkeit des Vertrages mit Samoa springt in die Augen, wenn man erwägt, daß gegenwärtig der Handel Deutschlands auf den Südsee-Inseln demjenigen aller anderen Nationen überlegen ist, obwohl von letzteren große Anstrengungen gemacht worden sind, uns den unter manchen Opfern und Gefahren errungenen Vorsprung wieder abzugewinnen – eine Errungenschaft der deutschen Flagge, welche hauptsächlich dem wiederholten Erscheinen deutscher Kriegsschiffe in den diese Inselgruppen begrenzenden Meerestheilen zuzuschreiben, wodurch sowohl das Vertrauen der deutschen Unternehmer in die Zukunft des deutschen Südseehandels gesteigert, wie die Achtung der Eingeborenen vor den durch die deutsche Flagge geschützten Handelsinteressen erhöht wurde.

Bei dieser Blüthe unseres Handels im Stillen Ocean hat es die kaiserliche Regierung als eine nationale Pflicht erachten müssen, die deutschen Unternehmungen dort nicht lediglich ihrem eigenen Schicksale zu überlassen, was zu dem Abschlusse des erwähnten Freundschaftsvertrages führte.

Die eben berührten Vorgänge gewähren ein eigenthümliches, aber für den Gegensatz des deutschen Handels in der Südsee zur amerikanisch-englischen Speculation ganz charakteristisches Bild. Auf der einen Seite ein eifersüchtiger Kampf zwischen Engländern und Amerikanern, welche sich die Herrschaft über eine als reich und ausbeutungsfähig anerkannte Inselgruppe streitig machen, auf der andern Seite der sich von dem Kampfe abseits haltende Deutsche, in dessen Hand thatsächlich der wichtigere Theil des Handels liegt und für den die politischen Zustände und die Zukunft der Inseln daher eine Existenzfrage bilden.

Die dreizehn Artikel des deutschen Vertrages mit Samoa bestimmen im Wesentlichen Folgendes: Es soll für die deutschen Staatsangehörigen vollständige Handelsfreiheit in allen Gebieten Samoas bestehen. Dieselben können ungehindert mit ihren Schiffen und Ladungen aller Art in alle Plätze, Häfen und Gewässer Samoas einlaufen, die Ladungen ihrer Schiffe verkaufen, an Land nehmen und lagern, sowie auch alle ihnen gehörigen Landeserzeugnisse oder andere Gegenstände absenden und ihre Schiffe damit beladen.

Die deutschen Staatsangehörigen sollen weder für ihre ankommenden oder ausgehenden Schiffe und deren Ladungen, noch für die Betreibung des Handels irgend welchen Steuern, Abgaben oder Beschränkungen unterworfen sein, so lange solche nicht besonders zwischen den beiderseitigen Regierungen vereinbart worden sind, jedoch sollen sie auch in solchem Falle immer die gleichen Rechte und Vortheile genießen, wie die Samoanen oder die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.

Ferner soll den deutschen Kriegsschiffen freistehen, in den Häfen von Saluafata und Falealili einzulaufen, daselbst zu ankern, Bedarf einzunehmen und erlittene Seeschäden zu repariren. Der

  1. Bei der weittragenden zeitgeschichtlichen Bedeutung, welche die Samoa-Inseln als eine Hauptstation für den deutschen Handel in der Südsee neuerdings gewonnen haben, dürften die obigen authentischen Berichte über die genannte Inselgruppe und ihre nunmehr angeknüpften Freundschaftsbeziehungen zum deutschen Reiche das besondere Interesse unserer Leser in Anspruch nehmen.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_567.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)