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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

der Südsee-Inseln“, in Hamburg seit mehr als zwanzig Jahren den Südsee-Handel beherrschen. Von den Eingeborenen haben sie bereits 100- bis 120,000 Acres Land gekauft, von denen sie gegenwärtig etwa 4000 Acres in Cultur haben. Der größere Theil dieses Eigenthums liegt auf Upolu und bildet ein dreieckiges Terrain, welches sich ungefähr fünf Meilen an der Seeküste und landeinwärts bis zur Wasserscheide erstreckt. Es ist durch Saumpfade von der Küste aus leicht zugänglich.

Die deutsche Gesellschaft beschäftigt, dem mir vorliegenden Berichte nach, bereits 1200 eingeführte Arbeiter, hauptsächlich von den Kingsmill-Inseln, außer einer Anzahl von Samoanern, Rarotonganern und Niues.

Ein Engländer, Herr H. B. Sterndale, berichtet über die Verdienste und über die Thätigkeit der deutschen Firma an den Minister-Präsidenten von Neuseeland wie folgt: „Die Herren Godeffroy und Sohn zählen zu den einsichtsvollsten Kaufleuten Europas. In keiner Beziehung tritt dies mehr hervor, als in der weisen Anordnung, welche sie für Betreibung ihrer Plantagen auf Samoa entworfen haben. Die Kingsmill-Insulaner bieten bei Ankunft auf den Ländereien dieser Herren ein Abbild der niedrigsten Stufe von Südsee-Wilden dar; sie werden bequem untergebracht, anständig gekleidet, gut genährt und zur geregelten und friedlichen Arbeit herangebildet. Sie kommen schmutzig, faul und wild an; nach sechs Monaten Pflanzerarbeit sind sie nicht mehr dieselben Menschen, und beim Ablaufe ihres auf drei Jahre eingegangenen Contractes, während dessen Dauer sie allwöchentlich zwei Dollars Lohn bei freier Nahrung erhalten haben, sind sie so weit vorgeschritten, daß sie ebenso ungeeignet sind zur Gemeinschaft mit ihren brutalen Brüdern in der Heimath, wie sie es ehemals für die Berührung mit der civilisirten Welt waren.

Die Leute dürfen auf keinen Fall ohne ihre Zustimmung und diejenige ihrer Häuptlinge und Verwandten engagirt werden. Die Aufseher, denen es obliegt, sie auf das Feld zu begleiten, sind ihre eigenen Landsleute oder Fremde, welche längere Zeit unter ihnen gewohnt haben. Ihre Wohnungen bestehen aus gezimmerten Holzhütten, sind groß, luftig und rein. Ihre Nahrung setzt sich aus Schweinefleisch, Fisch, Taro, Yamswurzel, Paradiesfeigen, Brodfrüchten und einer täglichen Portion von gesundem Brod aus Maismehl zusammen, welches sie sehr lieben. Außer diesen regelmäßigen Tagesportionen erhalten sie Cocosnüsse, Melonen und anderes Obst und Gemüse nach Belieben. Sie haben an den Wochentagen 9 Stunden Arbeit, von 6 bis 11 und von 12 bis 4 Uhr, und sind an Sonntagen völlig Herr ihrer Zeit. Es wird unter keinen Umständen erlaubt, daß sie von ihren Aufsehern geschlagen werden, und wenn Strafe für nöthig befunden wird, z. B. in schlimmen Fällen von Gewalttätigkeiten oder Verbrechen, wie dies unter Wilden mitunter unvermeidlich ist, so erhalten sie 1 bis 4 Dutzend Schläge mit der Schiffskatze in Gegenwart des Consuls. Sie befinden sich unter der Aufsicht eines gehörig gebildeten Arztes und erhalten ohne Gegenleistung alle erforderlichen Arzneimittel und Bequemlichkeiten. Missionäre der protestantischen und der katholischen Confession haben jede Erleichterung, sie zu besuchen und zu unterrichten. Da sie aber von einer niedrigen Verstandesstufe sind, so ist es nicht bekannt geworden, daß sie von diesem Unterricht viel Nutzen gezogen hätten. In ihren Eheschließungsförmlichkeiten werden sie in keiner Weise beeinträchtigt; man erlaubt ihnen, ihre Verbindungen einzugehen, wie sie wollen, vorausgesetzt, daß der Friede erhalten bleibt.

Es wäre im Interesse der Pflanzer aller Tropen, wenn das von den Herren Godeffroy[1] und Sohn befolgte System allgemein bekannt und angenommen würde, und man kann nur hoffen und wünschen, daß früher oder später andere gleich unternehmende Capitalisten, von dem Einfluß einer erleuchteten Regierung unterstützt, aus diesen Ideen Vortheil ziehen und ein Project, welches dem dieser hochherzigen Kaufleute Hamburgs ähnlich sieht, zu gutem Ende führen möchten."

So der Engländer, Herr Sterndale!

Aber nicht nur auf dem Gebiete des Handels und der Humanität hat das Haus Godeffroy Hervorragendes geleistet, auch die Wissenschaften sind seiner Umsicht zu größtem Danke verpflichtet. Seit 20 Jahren erforschen mehrere Fachgelehrte in seinem Auftrage die Inseln der Südsee und vereinigen die dort gewonnenen interessanten Objecte in dem von der wissenschaftlichen Welt weit und breit gekannten „Museum Godeffroy“ in Hamburg.

Das „Journal des Museum Godeffroy“, seit dem Jahre 1871 unter der Redaction von L. Friederichsen in Hamburg, ist bestimmt, die Resultate der Godeffroy’schen Expeditionen zu allgemeinerer Kenntniß zu bringen. Dieses reichhaltige und sehr interessante Prachtwerk ersten Ranges werden alle Diejenigen nicht entbehren können, welche sich die neueren Verhältnisse in der Südsee zu Nutze zu machen gesonnen sind, wie es schon seit einiger Zeit dem Ethnographen und dem Naturforscher von größtem Nutzen gewesen ist.

Mit dem Vertrage vom 24. Januar 1879 bricht für den deutschen Handel in der Südsee eine neue Aera an; sie führt bei den fernen Wilden die Civilisation ein und schafft aus Cannibalen nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Ehre dem Manne, der seit einem halben Menschenalter aus eigenem Antriebe diesen Umschwung angebahnt hat, Ehre Johan Cesar Godeffroy – dem Beglücker der Südsee!




Pompeji, die Lavastadt.
Zum achtzehnhundertsten Gedenktage ihres Untergangs (24. August).
I.

Unter dem tiefblauen Himmel des süditalienischen Paradieses, nach welchem die in nordische Gefilde gebannte Menschheit sich stets wieder zurücksehnt, breiten sich die Fluthen des Golfes von Neapel aus, in denen sich die unvergleichlich schöne Stadt, der villenumkränzte Posilippo, die Gestade von Portici und das entzückende Sorrento widerspiegeln. Wie viele traurige Herzen mögen hier schon Tröstung gefunden und aus dem Bronnen der Schönheit Gesundheit der Seele geschöpft haben!

Aber unter all’ der Fülle von Augenwonne und Herzerquickung, die von der verschwenderischen Natur hier gespendet wird, lauert auch Schrecken und Gefahr, „der Feuerdrachen alte Brut“, die unter dem Vesuv Jahrhunderte lang ruhig lagert, um dann plötzlich Tod und Verderben auf die blühende Landschaft und unter die glücklichen Menschen zu schleudern, reizende Gärten in Wüstenei, Paradiese in schauerliche Einöden zu verwandeln, wie es nach zuverlässigen Ueberlieferungen dort schon wiederholt geschehen ist. Wer sieht es dem alten finstern Gesellen, dem aschgrauen Vesuv jetzt an, daß er einst, vor 1900 Jahren, noch von üppigen, lachenden Wein- und Obstgärten überkleidet war, als sein zweiter Gipfel, die zackige, wildzerklüftete Somma, noch gar nicht existirte, denn diese wurde erst später durch die Genossen Vulcan’s herausgehoben. Damals lagen am Fuße des Vesuvs die Städte Herculanum, Pompeji und Stabiae in malerischer Gruppirung, gleich anderen Provinzialstädten der campanischen Küste beliebte Zufluchtsorte für solche vornehme Römer, welche für einige Zeit, dem wirren Treiben der Hauptstadt entflohen, in glücklicher Zurückgezogenheit leben wollten.

Große geschichtliche Bedeutung hat keine dieser Mittelstädte erreicht, aber wenigstens Pompeji nahm, besonders in der römischen Kaiserzeit, einen so mächtigen Aufschwung, daß es bei längerem Bestand vielleicht sogar zu einer Großstadt emporgestiegen wäre. Zunächst dürften hier einige rückblickende Betrachtungen über die Entstehung und Geschichte Pompeji’s am Platze sein, zu denen einer der verdienstvollsten deutschen Alterthumsforscher, Th. Mommsen, in dem Werke „Unteritalien, Dialekte“ trefflichen Anhalt darbietet.

Nach seinen Angaben war Pompeji keine griechische Colonie wie viele andere Küstenstädte Italiens, sondern wurde nebst Herculanum von den oskischen Samniten gegründet; wenigstens weisen einige wichtige Ueberreste, z. B. die untere Stadtmauer und der sogenannte Tempel des Hercules auf dem Forum triangulare auf eine vorrömische Zeit zurück. Ueber den Namen der Stadt scheint mir das, was Dr. Overbeck darüber sagt, am meisten zutreffend, daß nämlich die alten Pompejaner einen blühenden Speditionshandel betrieben haben, weil ihre Stadt, begünstigt

  1. Vorlage: „Godffroy“
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 570. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_570.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)