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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


Wie die Zeit vergeht.
Ballade von Felix Dahn. Illustrirt von Paul Thumann.


I.

Am öden Strand, im öden Haus
Zieht Lenz und Winter ein und aus.
Großmutter, die ist immer krank:
Bald Gartenstuhl, bald Ofenbank;
Gern pfleg’ ich sie bei Nacht und Tag
Bei unsrer Dorfuhr gleichem Schlag.
Nur manchmal, schlief sie endlich ein,
Wird mir zu eng das Kämmerlein,
Und in den Garten schlüpf ich still,
Zu lauschen, ob gar nichts kommen will,
Nichts kommen, was stark und groß und neu.
Es rauscht das Meer, es duftet das Heu;
Es rauscht das Meer, es knistert der Schnee,
Und im Sommer und Winter winken die Sterne –
Doch immer das gleiche, das öde Weh.
Ach, ich möchte was Andres so gern, so gerne!
Heiß pocht mein Herz – weiß selbst nicht warum.
Doch der Weg bleibt leer und der Himmel stumm;
Mich verzehrt das Schweigen der Einsamkeit – –
Und unterdeß verblüht die Zeit.


'Zu Felix Dahn’s: „Wie die Zeit vergeht“. I.


II.

Da draußen im Boote, da fischt mein Mann
An dem Riff, wo ich immer ihn sehen kann.
Vom Garten aus, von der Geißblatt-Hecke;
Wie lieb’ ich die enge, die duftige Ecke!
Da schläft auf dem Gras, durch Blüthen bedeckt,
Mein Kind, bis der Kuß des Vaters es weckt,
Und da spinn’ ich und hüt’ es und sinne dazu,
Wie das Alles so ward. – O, Herzliebster Du!
Wie den Dorfweg herauf einst Abends er kam
Und mit lächelndem Gruße die Seele mir nahm;
An der Hecke dort hielt er und wies auf den Krug,
Den, mit Wasser gefüllt, von dem Brunnen ich trug,
Und ich reichte den Krug ihm über den Zaun
Und sah in sein Auge haselbraun,
Und er blieb im Dorfe seit jenem Tag;
Großmutters Gehöft und Nachen er pflag
Und gewann wie der Jungen das Herz der Alten.
Und wie hat er so treu die Liebe gehalten!
Da zieht er das Netz ein – ei wie schwer!
Jetzt zähl’ ich die Schläge des Ruders im Meer,
Und jeglicher Schlag führt ihn rascher mir her,
Und ich denke, nun sind es – wunderbar! –
Nun sind es schon volle sieben Jahr.
Und immer die gleiche Seligkeit,
Und unterdeß – wie fliegt die Zeit!


Zu Felix Dahn’s: „Wie die Zeit vergeht“. III.


III.

Und Winter ist es wieder worden:
Schon kränzt der Schnee mit weißen Borden
Des Kindes Hügel,
Und mit weißem Flügel
Streift er das schwarze Holzkreuz an,
Das meinem Mann
Ich habe gesetzt,
Da wo zuletzt
er sprang in’s Boot. – –
O, wär’ ich todt!
So geh’ ich immer auf und nieder,
Vom Kirchhof zu dem Strande wieder.
Von einem Kreuz zum andern
Geht nun mein müdes Wandern;
Der Weg wird mir doch nie zu weit –
Und unterdeß – nimmt ab die Zeit. – –




das Sie unsicher macht. Dann und wann finden Sie wohl noch den unbefangenen Ton von früher, doch gleich darauf, als wäre Ihnen etwas Unliebsames begegnet, suchen Sie durch eine ironische Wendung alles Freundliche, was Sie eben gesagt, in die Luft zu stellen. Warum das? Was haben Sie über mich erfahren, daß Sie glauben, sich zurückziehen zu müssen? Können Sie nun nachfühlen, warum ich die Empfindung nicht loswerden kann, dieser Besuch bei den Verwandten sei überhaupt nur ein Vorwand und Ihre Abreise – der Anfang vom Ende? Sie werden nicht zurückkehren – oder versprechen Sie es mir?“

„Daß ich zurückkehre?“ fragte sie, die Oberlippe ein wenig hebend, „ja, das kann ich wohl versprechen; eigentlich auch nicht.“

„Josephine!”

„Herr – Baron!”

„Fräulein Josephine, warum quälen Sie mich?“

„Ich wollte damit nur sagen,“ erwiderte sie tief befangen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 681. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_681.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)