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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


Boticelli, geknebelt und blutend, ward von zwei Strolchen von Grenzwächtern trotz seines kräftigsten Widerstandes unter Flüchen und Säbelhieben aus dem Hause gestoßen, wenige Schritte von ihm aber rang Domenica in verzweifeltem Kampfe mit dem vor wüster Leidenschaft glühenden Sbirren um ihre Ehre.

„Warte Du Hund,“ höhnte einer der sauberen Spießgesellen Castelvetri’s, „wir werden Dich und Deine lumpige Tochter lehren, uns zu verachten und den verfluchten Tedeschi nachzulaufen. Du sollst die Macht der Sbirren kennen lernen.“

Wir hatten genug gesehen und gehört, um zu wissen, welche Schurkerei hier vollbracht werden sollte, und in wenig Augenblicken befanden sich Boticelli und Domenica in Freiheit, während der wuthschnaubende Castelvetri und einer der Grenzwächter gebunden am Boden lagen; der Dritte des sauberen Kleeblattes war entwischt. Nachdem wir die beiden Gefangenen in einer Kammer untergebracht hatten, um sie, und namentlich Castelvetri, der Rache Boticelli’s zu entziehen, untersuchten Einige von uns das Haus nach dem verschwundenen Knecht, der nach Aussage Boticelli’s jenen von uns vernommenen Schmerzensschrei ausgestoßen haben mußte. Nach langem Suchen fanden wir den Armen endlich seitwärts der Hausthür im Freien, aber in welchem Zustande! Beim Oeffnen der Thür von dem voran eindringenden Castelvetri durch einen Stiletstich in die Brust schwer verwundet, war er blutüberströmt und athmete nur noch schwach. Kurze Zeit, nachdem Boticelli und ich durch Fragen den Sachverhalt festgestellt hatten, starb der Unglückliche unter den pflegenden Händen Domenica’s.

Nachdem wir unsere geretteten Freunde nach besten Kräften beruhigt und ihnen baldige Wiederkehr sowie jede in unserer Macht stehende Hülfe versprochen hatten, marschirten wir nach Montefiascone, wo wir die beiden Verbrecher dem Gefängniß überlieferten, um nächsten Tages bei den Behörden die nöthigen Meldungen zu machen. Der Thatbestand ward leicht über allen Zweifel festgestellt, da unsere gleichlautenden Aussagen auch von dem gefangenen Grenzwächter bestätigt wurden, der, als von Castelvetri verführt, durch ein offenes Geständniß sich Straffreiheit zu sichern suchte. Trotzdem verfuhr die Behörde gegen den Sbirren nur widerwillig und nahm in jeder nur erdenklichen Weise für ihn und gegen seine Ankläger Partei, besonders gegen Boticelli; war Castelvetri doch ein brauchbares Werkzeug in ihren Händen, dem man solche „Kleinigkeiten“ schon nachsehen konnte. Und nur dem energischen Auftreten unseres über solche Mißwirtschaft empörten Commandanten beim Bischof als oberstem Verwaltungschef war es zu danken, daß Castelvetri nicht wieder in Freiheit gesetzt, sondern nach Rom abgeführt wurde, um dort angeblich vor Gericht gestellt zu werden.




3.

Nicht lange nach diesem Vorfall, der die Bande der Freundschaft zwischen uns und Boticelli nur noch fester und enger geknüpft hatte, wurde unsere Compagnie weiter gegen die toscanische Grenze vorgeschoben und erhielt ihr Standquartier in dem wälder- und schluchtenumgebenen Städtchen Bagnarea, das einst als Balneum regis stolzere Tage gesehen, heute aber ferne der Heerstraße still und vergessen in den Bergen liegt, nur bisweilen der interessanten geologischen Formation und namentlich der gewaltigen Peperinlager seiner Umgebung wegen von einem Naturkundigen


Festmahl aus dem sechszehnten Jahrhundert. Von Fr. Gonne.
Nach einer Photographie aus dem Verlage von Edwin Schlömp in Leipzig auf Holz übertragen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_688.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2024)