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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

größten Theil unserer freien Zeit in einem nach dem Meere gelegenen Zimmer unseres Quartieres zu, das wir uns als eine Art Casino eingerichtet hatten und in dem wir die deutschen Zeitungen und Bücher lasen, welche wir hier und da von unsern Freunden in Rom erhielten.

Dort beschäftigten wir uns auch oft mit Luigi Boticelli und seiner Tochter, über deren Ergehen seit dem einen schon erwähnten Besuch Werner’s wir wenig wußten. Anfänglich hatten wir wohl einen Brief Boticelli’s, dem auch einige mühsam geschriebene, aber innige Worte der Liebe von Domenica an Werner beilagen, erhalten; Boticelli meldete darin, daß er seit dem Abmarsch der Truppen rücksichtsloser denn früher chicanirt werde, daß er von seines Feindes Castelvetri, des Meuchelmörders, Freilassung habe reden hören, daß er Schlimmes befürchte und wünsche, bald über die Grenze eilen zu können, was sich aber leider nicht so schnell machen lasse. Er werde wieder schreiben, wenn er in Toscana frei aufathmen könne. Seitdem aber hatten wir trotz wiederholter Aufforderungen keine Nachricht mehr erhalten. Was konnte geschehen sein, daß Boticelli nichts von sich hören ließ? Oder hatte die Post, der jeder von einem Einheimischen herrührende Brief verdächtig erschien, die Briefe unterschlagen oder sie aus Schlendrian verloren? – Fälle, von denen bei der allerchristlichsten römischen Postverwaltung einer so möglich und alltäglich wie der andere war. Diese Ungewißheit beunruhigte uns sehr.

Eines Abends saßen wir wieder in unserem Casino beisammen und suchten durch die Erinnerung an die Heimath und unsere Lieben jenseits der Alpen die traurige Gegenwart zu vergessen, als plötzlich Alarmsignale ertönten und zugleich ein Sergeant die Nachricht brachte, daß soeben ein Regierungsdampfer von Rom angelangt sei mit der Ordre, sofort die halbe Compagnie an Bord zu nehmen. Ich und Werner gehörten zu der zur Expedition bestimmten Abtheilung und eilten, schnell gerüstet, nach dem Sammelplatze, wo der Hauptmann selbst das Commando über uns übernahm und uns nach dem wenige Schritte entfernt im Flusse liegenden Schiffe führte, das sofort nach unserer Einbarkirung in’s Meer hinaus dampfte.

Aber wohin ging die geheimnißvolle Fahrt und welcher Aufgabe sollte sie uns zuführen? Der Hauptmann theilte mir mit, daß uns der Dampfer in Civitavecchia landen werde, wo wir weitere Befehle erhalten würden. Was sollten wir in dem römischen Kriegshafen, in welchem sich das Hauptquartier des von Bazaine commandirten französischen Hülfscorps befand und wo man also auf alle Fälle Truppen genug hatte, um nicht unsere Hand voll Leute eigens durch Dampfer holen lassen zu müssen?

Mit großer Ungeduld erwartete ich deshalb das Ziel unserer Fahrt, das wir endlich früh Morgens erreichten. Der in Aussicht gestellte weitere Befehl ließ auch richtig nicht lange auf sich warten: sobald wir in den inneren Hafen eingelaufen waren, erschien ein Gensd’armeriebrigadier an Bord, der die kurze schriftliche Ordre überbrachte, daß unsere Abtheilung seiner Führung zu folgen habe. Von der sehnlich erwarteten Aufklärung dagegen war keine Rede.

Die Sache wurde immer geheimnißvoller und verdächtiger, und die Unruhe, welche zuerst nur Wenige mit mir getheilt hatten, bemächtigte sich nun auch allmählich der ganzen Mannschaft, mit Ausnahme vielleicht einiger weniger alter Troupiers, deren Gefühl durch die lange Gewohnheit längst abgestumpft war. Nicht wenig verstimmt war auch der Hauptmann selbst, theils weil es ihn kränkte, in so vollständiger Unwissenheit gehalten zu werden, theils weil die außerordentlichen Maßregeln etwas Besonderes, wohl kaum aber Gutes erwarten ließen.

(Schluß folgt.)




Die verrufensten Spinnen Europas.
Naturwissenschaftliche Erläuterungen zum Tarantismus. Von Dr. Cubasch.
(Schluß.)


II.
Giftigkeit der Spinnen im Allgemeinen. – Der Giftapparat. – Die Chemie des Spinnengiftes. – Seine Wirkung in der Wunde und im Magen. – Die Spinne in der Apotheke. – Spanisches über den Tarantelbiß. – Etwas Kritik. – Der Biß der Malmignatte.


Sämmtliche Spinnen, nicht blos die im vorgängigen Abschnitt gekennzeichneten, besitzen Giftwaffen, wenn auch die bei weitem größte Zahl von Spinnen für den Menschen durchaus unschädlich ist. Je größer die Spinne ist, um so gefährlicher ist ihr Biß, doch hängt dessen Wirkung auch wesentlich von der Jahreszeit und dem Alter des Thieres ab. In den Herbst- und Wintermonaten ist ein Tarantelbiß eine unbedeutende Verletzung, während er in den heißen Sommermonaten oft von sehr bösen Folgen begleitet ist; ebenso nimmt die Wirksamkeit des Spinnenbisses ab, wenn man das Thier aus seiner südlichen Heimath in nördliche Länder exportirt. Letzterem Grunde allein ist es zuzuschreiben, daß Heinzel („Oesterreichische Zeitschrift für praktische Heilkunde“ 1866) von dem Bisse einer Tarantel, die er sich von Syra nach Wien kommen ließ, nicht mehr Unbequemlichkeit, als nach dem Stiche einer Wespe empfand; hätte er das Experiment mit einem gesunden Thiere in dessen Heimath angestellt, so wäre er auch nicht so leichten Kaufes davongekommen.

Der Giftapparat der Spinnen besteht aus zwei Mandibeln (Fangarmen), an deren Ende sich je eine eingeschlagene Klaue

Die Mundwerkzeuge einer Spinne.
a. Mandibel. b. Klaue. c. Kiefer. d. Kieferfühler.

Der Giftapparat einer Spinne.
a. Drüse. b. Ausführungsgang. c. Mandibel. d. Klaue.

befindet. Die Giftdrüse ist oft sehr groß und reicht dann bis weit in den Kopf- respective Brusttheil hinein; bei anderen Arten beansprucht sie nur einen kleinen Theil der Mandibel. Die Gefährlichkeit des Bisses steht im geraden Verhältnisse zur Größe der Giftdrüse. Diese stellt einen blind endigenden birnförmigen Sack dar, dessen Wände äußerlich von zahlreichen glatten Muskelfasern umhüllt sind, während im Innern eine große Anzahl sogenannter schlauchförmiger (tubulöser) Drüsen liegt; letztere münden alle in einen gemeinsamen Ausführungsgang, welcher die ganze Länge der Mandibel durchläuft und an der Spitze des Hakens durch einen länglichen Spalt nach außen mündet. Die Klaue selbst ist während der Ruhe umgeschlagen und theilweise in eine Vertiefung der Mandibel versenkt. Bei einigen Spinnen liegt sie wagerecht; bei anderen steht sie senkrecht oder schief geneigt.

Das Gift der Spinnen hat im Gegensatze zum Schlangengifte die Eigenschaft, daß es auch, durch den Magen genommen, wirksam bleibt, eine Thatsache, welche schon dazu führte, das Gift als Arzneimittel ist die Medicin aufzunehmen Das giftige Secret bildet eine ölartige, wasserhelle Flüssigkeit von saurer Reaction und von sehr bitterem Geschmacke; ersteres wird nach Will’s Untersuchungen durch Ameisensäure, letzteres durch die Gegenwart eines thierischen Fettes bedingt.

Das Gift wirkt auf Insecten, unter Umständen selbst auf kleinere Säugethiere und Vögel tödtlich. Der Biß einer Tarantel oder einer Malmignatte vermag zu Zeiten Kaninchen den Tod zu bringen und bei Menschen schwere Erkrankungen zu erzeugen. Auch die Spinnen selbst unterliegen dem Bisse; wenn zwei Thiere mit einander kämpfen, so sterben sie gewöhnlich beide nach wenigen Minuten in Folge der erhaltenen Wunden; sie laufen schwankend und unsicher umher, fallen häufig um und verenden zuletzt unter heftigen Zuckungen.

Der Biß der Spinne erzeugt beim Menschen zunächst eine kleine Quaddel in der Haut, während sich unter Jucken die Umgebung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_706.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)