Seite:Die Gartenlaube (1879) 728.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Der Texanische Ochse lernt den Menschen zuerst kennen, wenn dieser ihn, noch ganz jung, von der Mutter trennt; mit der Eigenthumsmarke seines Besitzers versehen, die entweder in einem Brandmal auf der Schulter oder Hüfte, oder einem Einschnitte in Ohr oder Horn besteht, wird er nun in einen andern Theil der großen ländlichen Besitzung übergeführt, wo er sich der vollkommensten Freiheit erfreut, bis er ausgewachsen ist. Sein Besitzer bekümmert sich nunmehr um ihn nur insofern, als er durch Instandhaltung der Umzäunung dieses Terrains ihn verhindert, seinem weiten Gefängniß zu entfliehen. Ist er hier ausgewachsen, dann begegnet er dem Menschen wieder, der, zu Pferde die einzelnen zu einer großen Heerde zusammentreibend, jeden widerspänstigen mit dem Lasso zur Erde wirft und zwingt, seine Herrschaft anzuerkennen und sich seinem Willen zu fügen. Deshalb hat auch der Texanische Ochse einen großen Respect vor dem Reiter, während er dem Fußgänger sofort angreifend entgegentritt. Diese Heerden werden nun nach Santa Fé oder einem andern mit Vorrichtungen zur Aufnahme derselben versehenen Eisenbahnplatz getrieben und von dort direct nach New-Orleans, Galveston, New-York, Baltimore etc. oder nach den Binnenstädten St. Louis, Chicago etc. versandt. Zur Graszeit, wenn die Ochsen fett, geschieht der Transport gewöhnlich nach den erstgenannten Städten, zum Zweck des einheimischen Verbrauchs, während im Herbst die Binnenstädte als Bestimmungsorte anzusehen sind, wo die Ochsen von den Landwirthen zur Mästung angekauft werden; sie dienen dann größtentheils dem Exporthandel, theils lebend, theils geschlachtet oder in präservirtem Zustand als Pökelfleisch (corned beef). Die lebendig zu exportirenden Ochsen, mit denen wir uns im Nachstehenden beschäftigen wollen, werden in den großen Viehhöfen dieser Städte, welche beinahe Städte für sich selbst bilden, nach Größe und Gewicht, welches beides zusammen auf den Grad der Mästung schließen läßt, sortirt und kommen alsdann nach ihren verschiedenen Graden, mit Nr. 1 für das fetteste und schwerste Vieh, das heißt Ochsen von 1500 Pfund und darüber angefangen, in den Handel.

Der Landwirth, der hier die mageren Ochsen zur Mästung kauft, treibt sie in sein Kornfeld, nachdem er vorher taxirt, wie viel Ochsen dasselbe wohl fett machen könne; er fügt eine Anzahl Schweine bei, die sich von dem durch die Ochsen zu Boden getretenen Korn mästen sollen. Auch hier überläßt er die Heerde sich selbst, so lange genügend Futter vorhanden; dann bringt er sie wieder nach den Viehhöfen zurück, und die Differenz des früher gezahlten und des jetzt erzielten Preises bildet dann den Ertrag seines Kornfeldes. Der erstere Preis übersteigt selten für das Pfund 7 bis 8 Pfennig nach unserem Geld, während der letztere mit ungefähr 15 bis 20 Pfennig angenommen werden kann. Obgleich bei dieser Art Mästung viel Futter verloren geht, wird auf der andern Seite wieder viel Arbeit gespart, und wenn darauf Bedacht genommen wird, daß der Bushel Wälschkorn in Kolben, 70 Pfund wiegend, dem Landwirth in den letzten Jahren nur 70 bis 80 Pfennig gebracht hat, so erscheint jene Art der Verwerthung als eine keineswegs ungünstige.

Die für den Versandt in’s Ausland bestimmten Ochsen werden nun direct vom Westen nach ihrem europäischen Bestimmungsort mit nur einem Tage Rast, ehe sie von der Eisenbahn in das Schiff übergeladen werden, verschickt; es beträgt die Fracht von da nach einem östlichen Hafen 10 bis 12 Dollar pro Stück von 1500 Pfund, und von dort nach einem europäischen Hafen 30 bis 35 Dollar.

Jetzt hat unser Texaner schon viel von seiner natürlichen Wildheit verloren und fügt sich willig dem Menschen; besonders die Eisenbahnfahrten, die er oft tagelang ohne Futter und Wasser aushalten muß, machen ihn zahm. Auf dem Schiffe hat er es schon besser; das Deck ist sein Quartier; je fünf erhalten eine besondere Abtheilung und werden besonders gut abgewartet. Wenn auch viele durch Seekrankheit tagelang vom Fressen abgehalten werden, so trinken doch alle das ihnen reichlich mit Syrup und Oelkuchenmehl vermischt gebotene Wasser. Heu und Wälschkorn erhalten sie im Uebermaß; dennoch verlieren sie auf der ungefähr achtzehn Tage lang dauernden Reise an Gewicht circa hundert Pfund pro Stück; da häufig auch ein Beinbruch vorfällt oder ein Stück Vieh beim Aus- und Einladen beschädigt wird, so wird der durchschnittliche Verlust auf zweieinhalb Procent während der Reise gerechnet. Bei einem einigermaßen günstigen Verkauf in England oder Frankreich läßt dieses Geschäft dem Händler immer noch einen Gewinn von fünfundzwanzig bis dreißig Procent, und daraus erklärt es sich, daß beinahe jeder die Vereinigten Staaten verlassende Frachtdampfer, zwölf bis fünfzehn wöchentlich, die Texaner als Deckpassagiere mitnimmt, die aber oft bei stürmischem Wetter ein kühles Grab im Ocean finden.

Obgleich der Nutzen ein großer in diesem Geschäft ist, so ist, wie man sieht, auch das Risico bedeutend. Häufig ziehen sich die Thiere auf der Reise den Milzbrand zu, eine Art Schaden, gegen den es keine Versicherung giebt. Der Verlust auf dem Transport beträgt bei Schafen zehn Procent, bei Schweinen war er zu groß um einen Nutzen zu lassen. Auch magere Ochsen hat man von den Vereinigten Staaten nach den Marschländern der Eider und Elbe gesandt, um sie auf deren Weiden fett zu machen, doch ist mir das Resultat solchen Unternehmens nicht bekannt geworden.

G. F.




Des Winzers Octobersegen. (Mit Abbildung Seite 725.) Es giebt kaum noch andere stoffliche Dinge, welche so viel erstrebt sind und so viel gepriesen werden, wie Gold und Wein; ihr Glanz und Duft bilden das verklärende Element für ein Leben in Pracht – und wenn Goethe seinem Gretchen den Seufzer in den Mund legt:

„Am Golde hängt, nach Golde drängt
Doch Alles – ach, wir Armen!“ –

so sagen uns die ältesten Bücher europäischer Cultur, wie hoch in Ehren der Wein zu allen Zeiten stand, und wie viele Millionen der Sterblichen sich ihr Lebelang vergeblich nach der Flasche voll sehnten, die nach der gutmüthigen Sage für Jeden einmal im Jahre wachsen soll. Und wie Gold und Wein, so sind auch der Bergmann und der Winzer Schicksalsgenossen; einerlei ob jener wirklich nach Gold und Silber, oder ob er nach Eisen und den „schwarzen Diamanten“ gräbt, die durch den Dampf Verkehr und Industrie beherrschen, und ob dieser den eigenen bescheidenen Weinberg bebaut oder in fremdem Dienst das schweißbenetzte Werkzeug führt: sie arbeiten Beide für das Lockendste, Reizendste an einem üppigen Lebensgenusse, während in ihre eigene bescheidene Behausung von dem Glanze dieses üppigen Lebensgenusses kaum je ein Schimmer fällt.

Auf solche Gedanken kann Einen ein Bild bringen! In den Gestalten, die uns im Vordergrund unserer Mosellandschaft entgegentreten, erkennen wir eine einfache Winzerfamilie, die ihre Ernte heimfährt; und wenn wir die Mienen von Vater und Mutter prüfen, so spricht neben der Arbeitsmüdigkeit auch der Ernst des Lebens aus ihren Zügen. Fast theilnahmlos läßt die Mutter den Arm herabhängen, an den ihr heranwachsendes Töchterchen sich anschmiegt, und in des Vaters Augen steht neben der stillen Freude, mit der sie auf dem jüngsten Sprößling ruhen, etwas wie verhaltene Wehmuth und nagende Sorge. In der That – wenige Weintrinker wissen, wie kärglich im Ganzen das Brod des ärmeren Weinbauern ist, wie schwer eine einzige Mißernte auf ihm lastet! Ist es dies etwa, wovon die Gesichter auf unserem Bilde reden? Ganz glücklich sind nur die beiden Kleinen, der lachende Schäker auf dem Fuhrmannssitz und der fröhliche Junge, der seine große Weintraube mit dem Rebengehänge gern aller Welt zeigte; denn das Glück unbefangenen Daseins ist ein köstliches Vorrecht der Jugend, die „des Denkens süßes Weh“ nicht kennt. – Auch der Esel gehört zum fröhlichen Bund; er sendet offenbar der schönen Traube Blicke des Verlangens zu und würde sicherlich nicht Esel genug sein, um sie nicht gern zu verzehren. Denn ein weiser Mann sprach das gerechte Wort aus: „Kein Esel ist als Esel ein Esel.“




Zum Besten der Spessarter, deren auch mancher unserer Leser hülfreich gedacht hat und deren äußerster Bedrängniß ja bereits abgeholfen wurde, ist nachträglich ein fördernder Schritt gethan worden, den wir der Beachtung unserer Leser im Interesse der guten Sache empfehlen. Müller und Beilhack in Aschaffenburg haben aus Beiträgen der meisten hervorragenden deutschen Dichter ein Poesie-Album unter dem Titel „Aus dem Spessart“ zusammengestellt (Commissionsverlag von A. Wailandt in Aschaffenburg), dessen Ertrag nach Abzug der Kosten den Spessartern zu Gute kommen soll und am besten – beiläufig gesagt – dazu angewendet würde, die Quelle der Noth im Spessart: den Mangel einer dauernd lohnenden Beschäftigung, stopfen zu helfen. Wir müssen uns leider versagen, das „Eingangsgedicht“ von Oscar von Redwitz, wie wir wohl möchten, hier wiederzugeben, welches so rührend den Irrthum des in der poesievollen Natur des Spessarts von Idyllen träumenden Wanderers durch die Schilderung der traurigen Wirklichkeit corrigirt. Der Schlußvers lautet:

„Ja lieber Wandrer, hemme den Fuß,
Wenn solch ein Dorf Dir begegnet,
Bis Du mit klingendem Frühlingsgruß
Der Armuth Hütte gesegnet.
Lied, Blume, Bronnen, Baum und Strauch
Wird doppelt dann Dich laben,
Und wirst Du Waldesfrühling auch
In Deinem Herzen haben.“

Wir wünschen, und das von Herzen, diesen Worten des Dichters eine erweiterte Wirkung zum Besten des hübschen Buches, dessen wir hier aus Humanitätsgründen gern Erwähnung gethan haben, obgleich wir entschlossen sind, von Bücherempfehlungen an dieser Stelle principiell abzusehen.




Nachtrag. In Nr. 34 unseres Blattes nannten wir eine Reihe sächsischer Anstalten, die sich der Pflege und Erziehung zurückgebliebener und schwachsinniger Kinder unterziehen. Wir haben hier noch das Familienpensionat von Epstein in Neustadt-Dresden, „Weißer Hirsch“, Rißweg 2, nachzutragen. Dasselbe, früher in Dahlen befindlich, wurde bereits im Jahrgang 1871, Nr. 52, von Professor Bock auf’s Beste empfohlen. Jetzt ist es nach Dresden übersiedelt, und die gesunde Lage unmittelbar am Waldsaum macht die kleine Anstalt ganz besonders zu einem zweckmäßigen Aufenthalt für nervenleidende und solche schwachsinnige Kinder, die recht treuer, mütterlicher Pflege bedürfen. Herr Geheimrath Dr. Fiedler in Altstadt-Dresden, Stallstraße 1, empfiehlt das Epstein’sche Pensionat nicht minder, wie früher Dr. Bock.




Berichtigung. In unserer Nr. 40 ist in dem Artikel „Das neue deutsche Reichsgericht“ auf Seite 663, 2. Spalte, Zeile 35 von oben zu lesen „des preußischen Appellationsgerichts zu Frankfurt an der Oder“ statt: „am Main“, wie in Folge eines Satzfehlers in einem Theil der Auflage unseres Blattes gedruckt wurde.




Kleiner Briefkasten.

Kosmopolitischer Verein in Catamarca, Argentinische Republik. Warum gleich so verdrießlich? Wir freuen uns sicherlich, daß die „Gartenlaube“ in Ihrem Verein, und zwar unter erschwerenden Umständen, eine ähnliche Rolle spielt, wie in dem Chemnitzer „Gartenlauben-Verein“, aber wie konnten wir von dieser Thatsache vor Empfang Ihres Briefes Kunde haben? Nehmen Sie einen herzlichen deutschen Gruß über den Ocean!

C. B. in Kairo, R. F. E. in München, H. R. in Wien, E. H. in Estland. Ungeeignet! Verfügen Sie über das Eingesandte!

Th. Sp. in Frankfurt a. M. Ja!




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 728. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_728.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)