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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

zum Hauptkörper der Maschine in demselben Verhältnisse steht, wie die ausgebreiteten Schwingen eines im Fluge begriffenen Vogels zu seinem Körper. Anstatt aber die vorwärts gerichtete Bewegung mittelst der Bewegung der ausgedehnten Fläche zu erzielen, wie dieses mit den Schwingen der Vögel der Fall ist, bringe ich geeignete, durch eine Dampfmaschine getriebene Schaufelräder an, womit ich obigen Zweck erreiche.“

Es ist unnöthig, hier näher auf die Beschreibung der von Henson erdachten Dampfmaschine einzugehen, denn der monströse Flugapparat mit seinen siebenundsiebenzig Fuß weit ausgebreiteten Flügelflächen kam nie zu Stande; der Erfinder muß wohl selbst hinterher einen Haken daran gefunden haben. Wie mit diesem Projecte, so ging es mit tausend anderen; die Erfinder waren meist von der Vollkommenheit ihres Apparates felsenfest überzeugt, aber sie brachten es nicht zu praktischen Versuchen, oder wenn dies einmal geschah, so hatten die Flugapparate den Eigensinn, entweder gar nicht aufzusteigen oder sich in der Luft nicht horizontal steuern lassen zu wollen. Dennoch sind in neuerer Zeit in Bezug auf Lenkbarkeit des Luftballons einige nicht unwesentliche Fortschritte angebahnt worden, und zwar fast gleichzeitig in Frankreich und Deutschland. Dort war es die enge Einschließung von Paris, welche die Belagerten anspornte, auf Vervollkommnung der Luftcommunication zu sinnen, und schon im October 1870 wurde der Ingenieur Dupuy de Lôme beauftragt, einen Luftballon nach den von ihm vorgelegten Plänen zu construiren, von dem man erwartete, er werde sich in horizontaler Richtung lenken lassen. Schwierigkeiten aller Art verhinderten indeß die Herstellung des Ballons, und erst Anfangs 1872 war man damit so weit, daß am 2. Februar eine Probefahrt unternommen werden konnte. Zur Erzeugung einer Eigenbewegung des Ballons mit Rücksicht auf die Luftschicht, in welcher derselbe schwimmt, diente eine zweiflügelige sogenannte Propellerschraube, die von acht Mann in rasche Umdrehung versetzt wurde. Die Probefahrt fand unter wenig günstigen Umständen statt; der Ballon stieg bei heftigem Südwinde, mit vierzehn Personen Bemannung und fünfhundert Kilogramm Ballast versehen, rasch empor. Sobald die Schraube in Umdrehung versetzt wurde, machte sich der Einfluß des Steuerruders augenblicklich bemerklich. Derselbe war freilich nur gering, aber er war doch unzweifelhaft vorhanden, und wenn die Schraube, statt durch Menschenkraft, vermittelst einer Maschine in raschere Umdrehung versetzt worden wäre, so würde sich eine weit entschiedenere Abweichung von der Richtung des Windes bemerklich gemacht haben. Eine Dampfmaschine in einem mit Leuchtgas oder Wasserstoffgas gefüllten Ballon ist freilich eine gefährliche Sache, aber man braucht eine solche Maschine auch gar nicht mitzunehmen, sondern blos ihre mechanische Kraft. Läßt man nämlich durch eine Dampfmaschine eine hinreichend starke Feder spannen, so hat man in dieser einen Kraftvorrath, den man im Ballon gefahrlos benutzen kann.

Auch der Ingenieur Hänlein in Mainz hielt die Anwendung von Menschenkraft zum Betriebe des Luftballons für ungenügend und hat dafür die Anwendung einer rotirenden Gasmaschine vorgeschlagen. Die Construction eines mit Rücksicht hierauf erdachten Luftschiffes ist ihm im Jahre 1874 patentirt worden, und man muß gestehen, daß die Entwürfe des deutschen Ingenieurs genial und praktisch erscheinen. Er selbst war von der Ausführbarkeit seines Projectes vollständig überzeugt und betrachtete die Gasmaschine als den allein möglichen Motor für den Ballon. Besonders die rotirende Gasmaschine soll sich nach Hänlein außerordentlich eignen; in ihr, sagt er, liegt das ganze Geheimniß der Luftschifffahrt, da sie es ermöglicht, in einem kurzen Zeitraume ganz enorme Quantitäten Gas feuergefahrlos zur Explosion zu bringen, respective ihre Kraftäußerung nutzbringend für die Fortbewegung des Ballons zu verwerthen. Inzwischen können hier nur praktische Versuche entscheiden, und zwar müssen dieselben wiederholt und in größtem Maßstabe angestellt werden. Einige vorläufige Experimente haben die Ideen Hänlein’s keineswegs als unpraktisch erwiesen; allein was soll das! Um wirkliche Fortschritte auf dem Gebiete der Luftschifffahrt zu begründen, muß in großem Maßstabe experimentirt werden, und dazu gehört erstens Geld, zweitens Geld und drittens viel Geld. Ein eifriger Freund aller Bestrebungen auf dem Gebiete der Aëronautik meinte jüngst: „Es giebt landwirthschaftliche Versuchsstationen – warum nicht auch einmal luftschifffahrtliche?“ Ich weiß nicht, ob dergleichen nöthig und nützlich sind, so viel aber ist sicher, daß keine wichtige Erfindung der Neuzeit so lange in den Kinderschuhen stecken blieb, wie die Erfindung der Luftschifffahrt. In gewissen „für die weitesten Kreise des Volkes“ bestimmten „illustrirten“ Pfennigblättern Deutschlands findet man allerdings von Zeit zu Zeit Abbildungen und zu diesen angefertigte Beschreibungen von lenkbaren „Luftschiffen“, durch die das Problem gelöst erscheint. Besonders sind es Amerikaner, denen es „endlich“ gelungen sein soll, alle Ansprüche zu befriedigen. Geht man der Sache auf den Grund, so zeigt sich ihre völlige Nichtigkeit. Man kann vor solchen „illustrirten“ Mittheilungen nicht genug warnen; sie enthalten in vielen Fällen bodenlosen Unsinn. Die Erläuterungen werden meistens von Leuten verfaßt, die gar keine Idee von der Sache haben, und die Illustrationen sind Abklatsche aus englischen oder französischen Journalen. Natürlich verlautet später von den gerühmten Erfindungen kein Wort mehr, und während man erwarten dürfte, sie würden praktisch ausgebeutet, sind sie längst mit dem Pfennigblatt in den Papierkorb gewandert.

Obgleich die Gefahr, welche mit Ballonfahrten verknüpft ist, im Allgemeinen nicht gerade zu gering veranschlagt werden kann, so sind doch, nachdem viele tausend Luftfahrten ausgeführt wurden, bis jetzt nur wenig Unglücksfälle vorgekommen, und selbst von diesen hätten manche bei einiger Vorsicht vermieden werden können. Es ist daher heute auch nur noch selten von Anwendung des Fallschirms die Rede, dessen Bedeutung unmittelbar nach Erfindung des Luftballons so hoch berechnet wurde. Es war in der That ein aufregendes Schauspiel, zu sehen, wie ein Mensch, bewaffnet mit einem aufgespannten Regenschirme von zwanzig Fuß Durchmesser, sich aus dem Ballon herabstürzte und pfeilschnell niedersauste. Die Beklemmung der Zuschauer wich freilich schnell genug, denn der Fall des kühnen Luftspringers mäßigte sich rasch, und die Ankunft auf der Erde geschah regelmäßig ohne Verletzung. Die großen Hoffnungen, welche man anfangs auf weitere Vervollkommnung des Fallschirms setzte, von dem man glaubte, daß er mannigfachen praktischen Nutzen haben werde, sind nicht in Erfüllung gegangen. Wohl aber hat auch hier der Unverstand sein Opfer gefordert. Der Widerstand der Luft ist es natürlich, der bei Anwendung des Fallschirms die Schnelligkeit des Herabsturzes mäßigt; kann die Luft rasch nach allen Seiten entweichen, so tritt der beschleunigte Fall ein. Diese einfache Wahrheit haben mehrere Verbesserer des Fallschirms nicht einsehen können, denn sie schlugen vor, man solle, um das Hin- und Herschaukeln des Schirms zu vermeiden, denselben umkehren, also nicht die hohle Seite, sondern die Spitze der Erde zukehren. Diese wahnsinnige Idee ist von verschiedenen Leuten verfochten worden, aber nur Einer – ein Engländer – hatte den Muth, sie praktisch zu erproben und bezahlte, wie vorauszusehen, den Versuch mit seinem Leben.

Dr. Klein.




Ein Kampf um’s Leben.


Aus dem jüngsten Briefe eines Afrika-Reisenden.


Cap Lopez an der Küste von Südwestafrika ist eine Halbinsel, welche vom Festlande nur durch schmale Buchten inmitten sumpfiger Mangrovewaldungen getrennt wird, auf ihrer äußersten Südostspitze jedoch durch eine ungeheure öde Sandbank mit demselben zusammenhängt. Sie erstreckt sich etwa 25 englische Meilen nach Nordwest zu Nord in den atlantischen Ocean und liegt etwa einen Breitegrad südlich vom Aequator. Das Terrain ist flach, parallel mit der Länge der Halbinsel leicht gewellt und vorherrschend Savanne, in der viele und lange Buschparzellen romantisch eingestreut liegen. Quellen und fließende Gewässer fehlen, weshalb die Gegend nur vorübergehend von Orungu- und Comi-Negern des Fischfangs und der Jagd wegen besucht wird.

Mangi, wie die Halbinsel von den Eingeborenen benannt wird, gleicht einem großen englischen Wildpark und bietet bei

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 770. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_770.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)