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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Europäer fühlen sich in der ersten Zeit ihres Aufenthaltes auf Java von der intensiven Sonnenhitze gar nicht belästigt; doch macht sich bald der erschlaffende Einfluß des tropischen Klimas, der in der beständig gleichmäßig hohen Wärme zu suchen ist, geltend. In den Gebirgsgegenden wehen kühlere Lüfte; dort herrscht ein wahrhaft paradiesisches Klima. Auf den höchsten Berggipfeln sinkt die Temperatur bei klarem Himmel und starker nächtlicher Ausstrahlung der Wärme in den Himmelsraum zuweilen bis zum Gefrierpunkt; ein zarter Reif überzieht dann die Pflanzen, und Wasserlachen erhalten eine dünne Eisdecke. Der Reif und das Eis verschwinden jedoch sofort, sobald die tropische Sonne ihre glühenden Strahlen über die Häupter der Bergriesen ausgießt. Schneefälle sind selbst auf den höchsten Berggipfeln nie, und Hagelschauer nur in seltenen Fällen beobachtet worden.

Der Temperaturunterschied zwischen dem Tiefland und den Gebirgen prägt sich denn auch in der Verschiedenartigkeit der Pflanzendecke aus. Von den Küsten zu den Berggipfeln aufsteigend, können wir die auf der Oberfläche der Erde vom Aequator, nach Norden und Süden zu, einander folgenden Vegetationszonen im Kleinen studiren.

Die Flora Java’s ist aber auch von den regelmäßig wehenden Winden, den Monsunen, abhängig. Die Osthälfte der Insel hat ein trockeneres Klima als die Westhälfe, auf welcher der größte Theil der Feuchtigkeit, welche der vom October bis April wehende Westmonsun mit sich führt, in heftigen Regengüssen niederfällt; die Osthälfte empfängt dagegen den trockenen Südostmonsun, welcher von den dürren Steppen Australiens zwischen Mai und October herstreicht. Während allgemein die javanische Flora und Fauna fast durchweg asiatischen Charakter zeigen, besitzt die Ostspitze schon einige Vertreter der australischen Thier- und Pflanzenwelt.

Wenn vielfach in Java die ursprüngliche Pflanzendecke den angebauten Culturpflanzen hat weichen müssen, so ist die Insel dadurch nicht ärmer an landschaftlichen Reizen geworden; denn die malerisch gelegenen Reisfelder und die Kaffeebäume mit ihrem glänzend grünen Laube, ihren schneeweißen Blüthen und ihren kirschenähnlichen rothen Beeren fesseln unsern Blick nicht minder, als die im Winde sich schaukelnden Wipfel der Palmen und die Urwaldriesen, deren Stämme und Aeste mit schmarotzenden Pflanzen dicht bedeckt sind.

Die Pflanzendecke der zur Fluthzeit auf weite Strecken überschwemmten flachen Nordküste bietet einen ganz eigenartigen Anblick dar. Aus dem seichten Wasser ragt dann nur die obere Hälfte der Rhizophoren (Wurzelbäume) hervor. Während der Ebbezeit sind die zahlreichen Wurzeln frei, und die Bäume stehen dann wie auf Stelzen in dem schlammigen Boden. Etwas weiter landeinwärts erheben sich aus brackigem Wasser die zu den Pandaneen gehörenden Nipapalmen gleichsam wie Cocospalmenwipfel ohne Stamm. Zur Ebbezeit wimmelt es auf dem schlammigen Boden von Wasserthieren aller Art; Störche und Reiher waten im Schlamme herum, und in der Nähe der Flußmündungen sieht man zuweilen Krokodile sich sonnen oder auf Beute lauern. Eine wahre Plage für den Besucher dieser Sumpfgegenden sind die in beispielloser Menge schwärmenden Mücken, die hier ihre rechte Brutstätte finden. Wird man von einem Mückenschwarm überfallen, so hilft kein Abwehren; man muß geduldig die schmerzhaften Stiche der blutgierigen Thiere aushalten. Nur selten schlagen daher die Javaner oder Chinesen in diesen äußerst ungesunden Landstrichen ihre Hütten auf.

Wenn wir uns den bewohnten Gegenden nähern, so erfreuen unsern Blick die schlank in die Lüfte sich erhebenden Palmen, besonders aber die in mehreren Arten vertretenen und mit mächtigen Wipfeln gekrönten Waringinbäume (Ficus- oder Urostigma-Arten), von deren Aesten unzählige Luftwurzeln herabhängen, die sich wieder im Boden befestigen und dann als Stützen des umfangreichen Laubdaches dienen. Bei vielen Bäumen erreicht die Laubkrone einen Durchmesser von 500 Fuß. Diese bei den Javanern heiligen Bäume bilden hauptsächlich im westlichen Java ihres erstaunlichen Umfangs halber an Straßen prachtvolle Alleen.

Auf unserer Wanderung haben wir auch bald Gelegenheit, den Anbau von Reis, der wichtigsten Getreidepflanze der Tropen, kennen zu lernen. Die Reiscultur wurde auf Java vielleicht schon im zweiten Jahrhundert nach Christo von den hindostanischen Colonisten eingeführt. In den ebenen Gegenden wird der Reis in Feldern, Sawahs, mit erhöhten Rändern gebaut. Der Same wird aber nicht direct auf die Felder ausgestreut, sondern es werden die in besonderen Beeten gezogenen etwa fußhohen Setzlinge in die künstlich überschwemmten Sawahs verpflanzt. Da bei der künstlichen Bewässerung der Felder der Anbau dieser Getreide-Art von der Jahreszeit ganz unabhängig ist, so sieht man zu jeder Zeit mit jungem und reifem Reis bedeckte Fluren. Auf reichlich zu bewässernden Sawahs können die Javaner jährlich zwei Ernten halten.

In den Berggegenden werden die Reisfelder terrassenförmig angelegt und durch das Gebirgswasser künstlich bewässert. Die niedrigen Umfassungsdämme der einzelnen Felder sind an einigen Stellen durchbrochen, und das Wasser fließt durch diese Rinnsale in zahlreichen kleinen, in der Sonne glitzernden Cascaden in die tiefer gelegenen Felder. Doch wird der Reis, als sogenannter Bergreis, auch auf trockenen Feldern gebaut, welche später in Sawahs umgewandelt werden.

Wenn der Reis anfängt zu reifen, wird das Wasser abgelassen; ein großer Theil desselben verdunstet unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen. Bis zur Erntezeit sind die Felder völlig trocken. In die nun heranreifenden Reisfelder fallen zahllose Schwärme der zur Familie der Finken gehörenden Reisvögel ein und erheben einen ganz beträchtlichen Tribut. Um sich dieser ungebetenen lästigen Gäste einigermaßen erwehren zu können, werden die Reisfelder von einem Netz von Fäden überspannt, an denen kleine Segel hängen. Alle Fäden treffen in einer kleinen Hütte zusammen, welche in der Mitte mehrerer Felder auf vier hohen Pfählen ruht und in welcher ein Knabe durch beständiges Ziehen der Fäden und durch Klappern die Vögel zu verscheuchen sucht. – Beim Schneiden der Frucht bleibt der größte Theil des Halmes stehen.

Eine javanische Landschaft der Tiefebene oder der Hügelgegenden kann man sich ohne die schlanken Palmen, die Bananenstauden und die Bambussträucher gar nicht vorstellen. Die Palmen und Bananen- oder Pisanggewächse liefern hauptsächlich wohlschmeckende Früchte. Das grobfaserige Holz der Palmen wird nur wenig verarbeitet; aus den frischen Blättern ihrer Wedel werden Körbe geflochen, und mit getrockneten Blättern werden die Dächer der javanischen Hütten gedeckt. Die javanische Flora umfaßt mindestens fünfzig Palmenarten; außerdem werden noch eine große Anzahl aus anderen Tropenländern stammende Palmen cultivirt. Von der Cocospalme, der nutzbarsten von allen, sind bis jetzt vierzehn Varietäten bekannt.

Das Bambusrohr wird zur Herstellung aller nur denkbaren Geräthschaften benutzt; aus demselben bauen die Javaner ihre Häuser und Brücken; sie verfertigen daraus ihre Möbel und manche Musikinstrumente und verwenden es zu Dachrinnen und Wasserleitungen, ja in Ermangelung eines irdenen Topfes kochen sie sogar ihren Reis in einem noch mit der Scheidewand versehenen Stück Bambus. Das Bambusrohr ist in zahlreichen Arten in der javanischen Flora vertreten; manche erreichen eine Höhe von siebenzig Fuß und einen Durchmesser von einem halben Fuß. Da sich das Bambusrohr durch Schößlinge eines Wurzelstockes vermehrt, so bildet eine Mutterpflanze mit ihren zahlreichen Sprossen ein dichtes Buschwerk, das als Dschungeln bezeichnet wird und häufig der Aufenthaltsort der Tiger ist.

Aus der fast erdrückenden Fülle von Pflanzenformen der Ebenen und der Hügellandschaften erwähnen wir hier noch den Teak- oder Djatibaum, dessen Holz wegen seiner großen Festigkeit und weil es ein geringeres specifisches Gewicht als das Eichenholz besitzt, hauptsächlich als Schiffsbauholz, zu Hafenbauten und Eisenbahnschwellen verwendet wird. Die Höhe des Teakbaumes übersteigt selten hundert Fuß, und ein Umfang von sechs Fuß kann als Maximum der Dicke betrachtet werden. In den ersten Jahren ihres Wachsthums schießen die Teakbäume mit einer Schnelligkeit empor, wie sie nur in einem tropischen Klima möglich ist; so erreichen aus Samen gezogene Bäume in vier Jahren eine Höhe von zwanzig Fuß. Sie wachsen gesellig und bilden außer auf Java und anderen Inseln des Archipels auch in Vorder- und Hinterindien ausgedehnte Wälder.

Der Teakbaum gehört zu den wenigen Bäumen der Tropen, die während der trockenen Jahreszeit plötzlich ihre Blätter verlieren. Die meisten tropischen Pflanzen entblättern sich nach und nach, während sich gleichzeitig beständig neue Blätter bilden. Aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 790. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_790.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)