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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

oder Niederlagen der Parteien gekannt und allseitiges Vertrauen sich eingestellt habe, so geziemt es uns nicht, das in bewegtem Moment gesprochene Wort zu kritisiren, aber wir müssen bekennen, daß wir sowohl für die Oberkirchenbehörde wie für unsere eigene Gruppe diesen Eindruck je länger, je weniger empfangen haben. Gewiß haben Viele in der Synode jenes Ziel redlich angestrebt, und längere Zeit hindurch hatte auch ein dahin gehender Geist die Ueberhand, schließlich ist dennoch ein anderer Geist, nicht mehr derjenige der Verständigung, der Besonnenheit, der leidenschaftslosen Würdigung der Gegengründe, uns in den Verhandlungen und Beschlüssen der Synode entgegengetreten, und unter dem Eindruck dieses Geistes sind wir geschieden.“

Das mit Spannung erwartete Schauspiel ist zu Ende; im Herrenhause ist es wieder still geworden. Aber der Nachhall folgt noch lange dem Ja und Nein, dem Für und Wider, dem Hin und Her des ersten großen evangelischen Concils. Die Orthodoxen heben natürlich die Synode in den Himmel, die Liberalen aber klagen sie überall einer schmach- und unheilvollen Verleugnung des protestantischen Geistes an. Herüber und hinüber wogt der Streit in der Presse, welche insofern noch besonders bei den Beschlüssen betheiligt ist, als die Synode selbst aus Anlaß einer Privatpetition des Grafen Bismarck-Bohlen eine Resolution wider die „unchristliche“ und zu Gunsten der „die christliche Weltanschauung vertretenden“ periodischen Presse angenommen hat.

Vielleicht die schärfste Kritik hat die Synode durch einen geharnischten Protest des „Deutschen Protestantenvereins“ erfahren, welcher in dessen weiterem Ausschusse am 26. November 1879 beschlossen wurde. Derselbe endet mit einer Aufforderung an die Mitglieder der evangelischen Gemeinden, den Gefahren für die letzte Möglichkeit einer Pflege religiösen Sinnes, wie sie der Ausfall der Synode in sich birgt, entschlossen entgegenzutreten: „durch lebhafte Betheiligung an den kirchlichen Wahlen, durch standhafte Uebung und Verteidigung ihrer verfassungsmäßigen Rechte, durch entschiedenes und tatkräftiges Bekenntniß der Grundwahrheiten des Christenthums“.

Möchten doch solche Rufe nicht verhallen wie eine Predigt in der Wüste! Schon zeigt der entschieden liberale Ausfall der eben vollzogenen Kirchengemeindewahlen in Berlin und sehr vielen preußischen Städten, daß das Bewußtsein der hereindrohenden Gefahren zu erwachen und seinen Protest einzulegen beginnt. Im Uebrigen muß abgewartet werden, ob die entscheidenden Behörden nicht in letzter Stunde doch Bedenken tragen werden, alle jene waghalsigen Beschlüsse der Synode zu sanctioniren. Daß ihnen anfängt bange zu werden vor den Geistern der Unbotmäßigkeit, des bornirten Eifers, der Unduldsamkeit, die unter ihren Augen groß geworden sind, beweist die durch das Berliner Consistorium im Widerspruch mit seinem Präsidenten endlich ausgesprochene Bestätigung des Predigers Werner für die Jacobi-Gemeinde.

Den orthodoxen Heißspornen steht augenblicklich manche Gunst der Verhältnisse zur Seite, und sie wollen das Eisen schmieden, so lange es warm ist. Nicht zum ersten Male aber werden sie erfahren, daß die Bildung des Jahrhunderts, der Geist der Humanität und Versöhnung doch mächtiger ist als der engherzige Geist der Herrschsucht und Ausschließung, der Intoleranz und Verfolgung Andersdenkender. Oder sollte Jemand wirklich so naiv sein, der Welt einreden zu wollen, daß in jenem so vertraulichen synodalen Beieinander priesterlicher und aristokratischer Gesinnungs- und Strebensgenossen die Religions- und Lebensansichten von achtzehn Millionen protestantischer Preußen und ihrer machtvollen Intelligenz zum Ausdruck gekommen seien?



O forsche nicht!

Ein kleiner Friedhof! An der Mauer
Stand Kreuz und Denkmal groß und klein,
Dazwischen auch ein altersgrauer,
Bemooster, helmgezierter Stein.

5
Mit Forscherlust begann zu schaben

Das Moos vom grauen Stein ich fort,
Und als ich lange schon gegraben,
Las endlich ich das ernste Wort.
     „O forsche nicht!“

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Da hielt ich tieferschrocken inne,

Ein Frevel schien mir, was ich that;
Wehmütig ward es mir zu Sinne;
Der unbekannte Todte bat:
„O lasse ruhn mich müden Recken,

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Den lange schon der Tod besiegt,

Und wolle nicht aus Neugier wecken,
Was mit mir hier begraben liegt –
     O forsche nicht!

Was kann’s Dir Nachgebornem frommen,

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Wenn Dir mein Grabesstein verrieth,

Wann ich in diese Welt gekommen
Und wann ich wieder von ihr schied?
Ob ich für Ehr’ und Pflicht gestritten,
Ob Treu’ und Eid ich brach entzwei,

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Ob Unrecht ich gethan, gelitten –

Was kümmert’s Dich – es ist vorbei.
     O forsche nicht!“

Seither vergingen Jahr’ und Stunden,
Ohn’ daß ich ihn vergessen kann,

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Den stillen Ort, den ich gefunden

In Böhmen einst im grünen Tann.
Und treff’ ich auf ein Menschenwesen,
Dem schwere Zeit grub Runen ein,
Denk’ ich des Worts, das ich gelesen

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Auf jenem übermoosten Stein:

     „O forsche nicht!“

Anton Ohorn.




Aus dem Aquarium

Hätte es zu den Zeiten Schiller’s bereits Seewasser-Aquarien gegeben, so hätte er seinem „Taucher“ gewiß nicht die Worte in den Mund gelegt:

„Da unten aber ist’s fürchterlich.“

Die mit Schaudern gesehenen „Salamander, Molche und Drachen“ sind für uns ebenso reizende wie unschuldige Wesen; Niemand fürchtet sich vor „stachligen Rochen“, ja die Nachkommenschaft, welche der „entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne“, liefert, wird von zarten Damenhänden gepflegt, wie ehedem Mops- und andere Schooßhündlein.

Wir haben eben, besonders seit Einrichtung des Berliner Aquariums, immer besser gelernt, den Kindern der salzigen Fluth auch in kleinerem Maßstabe bei uns Wohnung zu bereiten und ihnen die richtigen Lebensbedingungen zu schaffen. Für die größeren Provinzialstädte ist es nur eine Frage der Zeit, wann sie ihr eigenes See-Aquarium besitzen werden, dessen gar nicht so beträchtliche Anlagekosten sicher sehr bald ein dankbares Publicum ersetzen wird. Wer Gelegenheit findet, Leipzig aufzusuchen, der kann im Garten des vielgenannten „Schützenhauses“ sich überzeugen, wie reizvoll auch eine in geringeren Dimensionen geschaffene Anlage dieser Art wirkt, wie reichhaltig sie sich ausstatten läßt, wie bedeutsam sie für die Bereicherung unserer Anschauungen von der Natur, namentlich aber für die Zwecke des zoologischen Unterrichts einer Universitätsstadt sein muß. Und daß sich selbst dem Wunsche des Privatmanns Gelegenheit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_099.jpg&oldid=- (Version vom 11.2.2021)