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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


aber eine Ausstattung soll sie von mir haben, wie sie sich für mich schickt. Ich will den Leuten zeigen, daß ich nicht umsonst eine Baronin bin und daß ich versteh', was 'noblisch' ist.“

So kam es denn, daß, als am Tage vor der Hochzeit der sogenannte Kammerwagen nach dem Kogelhofe fuhr, in allen Dörfern das zusammenlaufende Volk darüber einig war, eine solche Pracht, ein ähnlicher Reichthum sei seit Menschengedenken nicht gesehen worden. Der Wagen, wie die sechs davor gespannten Pferde waren über und über mit Kränzen und Bändern geschmückt; das große Himmelbett, das zwischen offenen vollen Leinwandkästen die Mitte des Wagens einnahm, war ein wahres Prachtstück an Weiße, Weichheit und Schönheit – über demselben als Giebel erhob sich, dem Brauche gemäß, das Spinnrad, und am Ende schaukelte die bunt bemalte unvermeidliche Wiege.

Im Hochzeitszuge selbst schritt unter den Kranzeljungfern auch Philomena, die Tochter des Krämers – diesmal mit freudig verklärtem Angesicht, denn Nannei's Bemühungen und der Macht der Verhältnisse war es gelungen, den Alten mürbe zu machen – in wenig Wochen sollte sie mit dem geliebten Maxl denselben Freudenweg wandeln. Der Vorsteher hatte sich's nicht nehmen lassen und de- und wehmüthig gebeten, die Braut als Beiständer geleiten zu dürfen, und ihr dadurch seine frühere Grobheit abzubitten, auf der rechten Seite aber ging ihr der Pechler Kaspar, diesmal völlig unkenntlich, denn er war säuberlichst gewaschen und steckte in einem Anzug, wie er im ganzen Leben noch keinen auf dem Leibe getragen. Dennoch war die hervorragendste Erscheinung des Zuges die Ehrenmutter der Braut, die Frau Baronin Steinerling von Stein, weiland die reiche Gabelbräuerswittwe, die, mit Ringen, Ketten, Brochen, Armbändern und Medaillons belastet, wie ein wandelnder Juwelierladen einherschritt, verklärt von dem Bewußtsein ihres wirklich „noblischen“ Aussehens und Benehmens.

Nach der Trauung ging das neue Ehepaar auf den Friedhof zum Besuch der beiden ihnen so theueren und bedeutungsvollen Gräber; über denselben reichten und drückten sie sich nochmals mit stummem Gelöbniß die Hände.

Das Hochzeitsmahl, das nach der Landessitte den Tag beschloß, verlief in ungestörtester Fröhlichkeit, und der Pechler war gewissenhaft genug, sich den schon beim Umgang nach dem Traueramt versprochenen Haarbeutel in bester Form anzubinden.

Im folgenden Herbst sprach der König abermals bei der Vorüberfahrt auf dem Kogelhof ein und nahm den Dank der Glücklichen entgegen; die Nachricht von all den eingetretenen Ereignissen hatte den Fürsten zu einem kleinen Umwege veranlaßt. Er kam gerade an einem Tage, an welchem das „noblische“ Ehepaar sich zum Besuche eingefunden hatte; der Baron genoß die Genugthuung, seinem allerhöchsten Landesherrn wirklich seine „Gemahlin“ vorstellen zu können, welche vor lauter Verbeugungen fast in die Kniee sank, und mit heiterem Lächeln wiederholte der König sein Bedauern, daß er allein sei und also dem Herrn Baron „seine Frau“ nicht hinwider vorstellen könne.

Bei der Abfahrt stand die junge Kogelhoferin oder, wie das Volk sie am liebsten nannte, die „Baronbäurin“ am Schlage des königlichen Wagens und reichte dem König, diesmal ohne Hinderniß, einen „Buschen“ von Blumen, der, wenn auch in Eile gebunden, dem vom vorigen Jahre nicht nachstand.


Der Erzähler hat die „Baronbäurin“ selber gekannt und manchmal auf seinen Gebirgswanderungen bei einer Schüssel Milch sich der rührigen rüstigen Frau, ihres Haushalts und der blühenden Kinder erfreut, die vor dem Hause mit dem alten Pechler Kaspar spielten und tollten, den es allmählich aus seiner Pechhütte hereingezogen hatte und der nun den Posten einer Kinderfrau vortrefflich ausfüllte.

Jetzt ist längst ein Sohn Nannei's auf dem Hofe; sie selbst ist schon heimgegangen, viel früher, als es nach Alter und Art nöthig gewesen wäre – in der Gegend aber lebt die Erinnerung an sie noch fort, und wo noch der alte Brauch in Uebung ist, daß im Winter die Mädchen mit ihren Spinnrädern im „Heimgarten“ zusammenkommen und sich Geschichten erzählen, da ist wohl noch manchmal die Rede von der Baronbäurin und von den sonderbaren Schicksalen der zwei „ledigen Kinder“.




Bilder von der Mosel.[1]
Von Dr. Roderich Irmer.
2. Cochem.

Dumpfe Luft bedeckte den Himmel; einzelne Lichtblitze fielen auf die eine oder andere Partie der Landschaft; wie ein schwarzer abgeschlossener Gebirgssee fluthete die Mosel drunten zwischen furchtbaren Felswänden. So etwa war die Naturscenerie, die uns, nachdem wir Beilstein den Rücken gewendet, auf Cochem, den größten Ort zwischen Trier und Coblenz, vorbereitete. Noch eine Stromwendung – dann schloß den Hintergrund ein ungeheurer Felskopf, darauf ein Kreuz. Von der zur Linken gelegenen Kuppe aber dräuten schier erdrückend die mächtigen Thürme und Zinnen einer Burg, deren Mauern und Vorwerke festungähnlich den ganzen Berg umschlossen. Häuser mit verfallendem Lehm- und Balkenwerk, mit moosbewachsenen altersgrauen Schieferdächern reihten sich den Strom entlang; weiter erschien, zwischen Wasser und Felsen eingeengt, eine Stadt, darüber ein malerisch gelegenes Kloster, und noch weiter drüben, versteckt in einem Seitenthale, erhoben sich die grauen, lichtlosen Reste einer zweiten Burg.

Wir sind in Cochem.

Düster, tief melancholisch ist das Gepräge dieser Gegend; vor uns steht die ganze Oertlichkeit wie ein ernstes, fast finsteres Stück Mittelalter. Und wahrlich, gar gut stimmt dieser Farbenton mit der tragischen Vergangenheit der Stadt, mit der unheimlichen Geschichte des Schlosses, das gleich einem Unheil brütenden Riesen auf dem schroffen Felsen lastet. Wohl kaum giebt es eine Burg im deutschen Lande, die im Laufe der Zeit so viel Furchtbares gesehen, die in den Geschicken ihrer Besitzer ein so ergreifendes Bild des wildbewegten Ritterthums vor uns entrollte, wie die von Cochem. Schon gleich das erste Blatt der Schloßchronik ist mit Blut befleckt.

Vor acht Jahrhunderten, viele Jahre bevor der tapfere Markgraf Albrecht der Bär den Nordosten Deutschlands mit Schwert und Kreuz öffnete, als die Mark noch ein unbekanntes Stück Erde voll unübersehbarer Sandwüsten und undurchdringlicher Moräste war, blühte schon in den Mosellanden reiches Leben. Hier herrschte das weitverzweigte Fürstengeschlecht der rheinischen Pfalzgrafen und unter ihnen, im elften Jahrhundert, ein Mann, den sein tragisches Geschick bekannter gemacht.

Burg Cochem war des Pfalzgrafen Heinrich (Ezzonischen Stammes) Residenz; von hier aus zog er mit Schwert und Schild gegen Anno, den zelotischen Erzbischof von Köln, mit dem er in bittere Fehde geraten. Wohl war der tapfere Mann seinem Gegner im Kampfe der Waffen überlegen; der geistliche Herr, den die Kirche „den Heiligen“ nennt, hatte aber furchtbarere Kampfmittel; „Bann und Interdict“ waren die sengenden Blitzstrahlen, die den Pfalzgrafen trafen und ihn nach langer Gegenwehr zwangen, demüthig um Frieden zu bitten. Der Stolz Heinrich's konnte diese Niederlage nicht verwinden. Gebrochen an Leib und Seele, nahm er Abschied von seinem Weibe, von der Welt, um im Kloster Gorze sein Leben zu beschließen. Hier aber, in der Einsamkeit des Klosterlebens, erwachte auf's Neue der ritterliche Thatendrang in ihm; mächtig hinaus riß ihn das alte Ehrgefühl; er entwich den weihrauchduftenden Klosterwänden und warf auf's Neue dem Kirchenfürsten den Fehdehandschuh hin. Mit seinem Heere zog er vor die Mauern Kölns zu harter Belagerung, aber – noch war die geistliche Macht zu stark, um ihm nicht erfolgreich begegnen zu können. Mit Drohungen ewiger Strafen fuhr der finstere Anno unter die muthlosen Bürger, trieb sie zu den Waffen und auf die Mauern und erzwang nach harten Kämpfen die Aufhebung der Belagerung. Im Jahre 1061 sah

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_116.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)