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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


verloren, ich habe sie verloren!' Das habe ich mir so oft vorgesagt, daß ich verlernte, dabei mit den Zähnen zu knirschen. Wir waren damals Beide Kinder; wäre ich ein Mann gewesen, wie heute, ich hätte Sie mir nicht entreißen lassen, Elise – bei meiner Ehre nicht!“

„Davon merkte man freilich damals wenig,“ entschlüpfte es ihr vorwurfsvoll, während ihr Blick das Teppichmuster eifrig verfolgte. „Sie gingen so ruhig, so heiter, ohne auch nur ein Wort zu sagen.“

„Konnte ich denn glauben, daß Ihr Vater so rasch handeln und Sie schon am nächsten Tage aus meinem Bereiche bringen werde? Ich fühlte mich verletzt, tief elend, aber ich wollte es nicht zeigen. Niemand sollte merken, daß ich mir eine Abweisung geholt, Niemand mich verspotten dürfen. Erfuhr man's doch, so galt es für einen kecken Scherz meinerseits, über dessen Mißlingen ich mir kein graues Haar wachsen ließ. Die falsche Scham hat mich zum Lächeln gebracht, wo ich mit aller Welt hätte Händel anfangen mögen. Mein erster Gedanke, als ich von Ihrem Verschwinden hörte, war auch: 'Ihr nach!' Aber mit welchen Mitteln? Ich war damals ein armer Teufel. Mein Vormund hatte mir mein bischen Vermögen so geschickt verwaltet, daß ich am Tage meiner Volljährigkeit sehr lange Rechnungen, weiter aber nichts erhielt. Haarklein war mir bewiesen worden, daß ich es schon vorher allmählich verbraucht. Nun setzen Sie sich in meine Lage! 'Knapp, sattle mir mein Dänenroß!' Damit wäre ich Ihnen kaum sehr weit nachgekommen. Und ein wenig Gekränktheit war doch auch in mir rege. Konnten Sie so leicht dazu gebracht werden, zu gehen, nun, dann – mochten Sie gehen. Ach, wie redet man sich in Unmuth und Groll hinein gegen die, welche man liebt! Da bekamen wir noch obendrein Marschbefehl; einerseits wollte es mir die Seele zerreißen, andererseits war's mir recht – nur fort, recht weit fort! Ich wußte damals nicht, daß die Sehnsucht im quadratischen Verhältnisse zur Entfernung wächst. Und nun empfange ich in meinem Polakenneste plötzlich noch die Kunde von Ihrer Heirath! Doch[WS 1] lassen wir das! Es sind vergangene Dinge.“

Träumerisch hatte sie zugehört. Es umspann sie wie mit Fäden aus jener Märchenwelt, die sie in ihrem Tagebuche verschlossen und begraben wähnte. Ein kaum vernehmbarer Seufzer stahl sich von ihren Lippen. Ja, es waren vergangene Dinge.

„Warum rütteln Sie daran?“ sagte sie mit schmerzlich zuckendem Lächeln, ohne aufzusehen.

„O, das ist ein Anderes!“ entgegnete er mit feurigem Trotze und doch dabei seine Stimme zu sanftem einschmeichelndem Geflüster dämpfend. „Soll ich zum zweiten Male verloren geben, was ich mir einmal schon, vielleicht zu sehr ergeben in das Schicksal, thatlos entreißen ließ? Nein Elise, diesmal erringe ich mir den Preis, und dazu mußte es klar zwischen uns über die Vergangenheit werden. Auf sie baut sich unsere Zukunft auf. Heute werbe ich zum zweiten Male um meine Braut.“

Ein Zittern durchlief sie; fast hörbar athmete sie, ehe es leise, aber mit eigenthümlicher Betonung von ihren Lippen kam:

„Ich bin verheirathet.“

„Halten Sie mir Ihre Ehe nicht wie einen Schild entgegen,“ sagte er dringend. „Sehen Sie mir in's Auge, legen Sie die Hand auf's Herz und sagen Sie dann, daß Sie sich glücklich fühlen in dieser Ehe, und ich verlange keinen Schwur, ich will schweigend gehen. Können Sie es, Elise?“

Sie schwieg und regte sich nicht.

„Sie können es nicht!“ fuhr er mit triumphirendem, freudig leisem Lachen fort. „Sie können es nicht! Ich habe es gewußt. Warum sollte denn auch gerade Ihre Ehe eine Ausnahme machen, eine, wie es deren zu Hunderten giebt? Was die Convenienz geschlossen, darf die Liebe mit gutem Fug zerreißen.“

(Fortsetzung folgt.)




Die Experimente mit dem sogenannten thierischen Magnetismus.
Von Professor Dr. Richard Rühlmann.
(Schluß.)


Einer meiner Schüler, ein intelligenter, höchst gewissenhafter junger Mann, der sich für Anstellung der Experimente über Starre einzelner Muskeln geeignet erwiesen hatte, glaubte, daß vorzugsweise ein magnetisches Streichen auf ihn einwirke und ihm die Fähigkeit raube, die behandelten Glieder zu bewegen. Bei geschlossenen, oder noch besser bei dicht verbundenen Augen trat jedoch die Muskelstarre mit heftigem Starrkrampfe in der ausgestreckten Hand nicht blos ein, wenn irgend ein Anderer der Anwesenden die Hand strich, sondern schließlich auch, wenn absolut gar nichts mit der Hand vorgenommen, sondern nur ein Geräusch hervorgebracht wurde, als führe einer von uns in der Nähe der Hand magnetische Striche mit den Fingerspitzen. Ja, schließlich trat die Muskelstarre und Unfähigkeit, Arm und Hand zu bewegen, und sogar Starrkrampf jedes Mal ein, wenn Dr. Fränkel hinter dem Rücken des jungen Mannes mit einem um ein Streichholzbüchschen geschlungenen Gummibande regelmäßig in einem gewissen Tacte schnippte.

Ein Anderer, ein Mann in den besten Jahren, der uns bei unseren Versuchen durch seine Willfährigkeit, sich Allem auszusetzen, und durch die Correctheit seiner Angaben sehr nützlich gewesen ist, glaubte, daß blos Professor Weinhold, nicht aber ich, merklich auf ihn einzuwirken im Stande sei. Wir hatten wiederholt Versuche über Muskelstarre mit ihm angestellt; da veranlaßten wir ihn, in das benachbarte physikalische Lehrzimmer einzutreten und von dort aus durch ein rundes in der Thür befindliches Loch, welches sonst zur Anstellung optischer Versuche diente und gerade der Hand bis zum halben Unterarm den Durchgang gestattete, die Hand zu uns in's Nachbarzimmer hereinzustrecken. Nunmehr, nachdem eine Unterscheidung der Person durch Gesicht, Gehör etc. ausgeschlossen war, versetzte mein Vorüberstreichen die Hand in den Zustand der Starre, während Professor Weinhold, vor dessen energischer Einwirkung er sich so sehr fürchtete, durch die gleiche Operation nichts erreichte.

Bei einer dritten Person trat sogar unter gleichen Umständen blos dadurch Muskelstarre ein, daß durch Zuruf die Aufmerksamkeit in hohem Grade auf die Hand gelenkt und die lebhafte Vorstellung hervorgerufen worden war, es geschähe im andern Zimmer etwas Besonderes mit derselben.

Solche Personen, welche einmal an eine besondere magnetische Einwirkung meinerseits glaubten, habe ich wiederholt durch die geschlossene Thür hindurch in den eigenthümlichen Zustand der Starrsucht und Willenlosigkeit dadurch versetzt, daß ich ihnen zurief: „Ich magnetisire Sie, fühlen Sie etwas?“ Dasselbe Resultat wurde sogar häufig erzielt, ohne daß meinerseits eine Anrede erfolgte, falls die Betreffenden nur wußten, was geschehen sollte, nachdem ich das Zimmer verlassen hatte. Die bloße Ueberzeugung, ich wirke durch die Thür hindurch auf sie, genügte, um alles das hervorzurufen, was sonst durch die mit einer geheimnißvollen Feierlichkeit ausgeführten Proceduren erreicht wurde.

Solche, welche auch nach dem hier Erzählten noch immer geneigt sind, an einen magnetischen Rapport zwischen dem, der die Versuche anstellt, und seinem Versuchsobjecte zu glauben, lassen sich vielleicht durch die Mittheilung von ihrer Ansicht bekehren, daß der in solchen Zustand Versetzte, sofern er nicht bewußtlos ist, dem zuversichtlich scharf und laut ausgesprochen Befehle eines Jeden willig Folge leistet, nicht blos demjenigen des Experimentators, welcher ihn in diesen Zustand versetzte.

Man erkennt aus alledem deutlich, daß bei geeigneten Personen die gewünschte Erfolge erzielt werden, sobald das Versuchsobject im gegebenen Moment die feste Ueberzeugung hat, es geschieht etwas Außerordentliches mit ihm. Alle Versuche, welche ohne Wissen des Objectes oder bei abgelenkter Aufmerksamkeit gemacht werden, bleiben erfolglos.

Unsere Versuche, ebenso wie die, welche seiner Zeit Braid und ganz neuerdings Dr. Grützner und Professor Haidenhain in Breslau angestellt haben, beweisen unzweifelhaft, daß man keine

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Dach
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_142.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)