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verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Der Erfolg auf dieser großen Bühne erwies sich als ein wahrhaft bedeutender. Auch die meist von Ludwig Tieck inspirirte Kritik pries die außerordentliche Begabung, die Seelentiefe und vortreffliche Charakteristik, das begeisterungsvolle und doch in edelstem Maße sich bewegende Spiel der jungen Künstlerin. Ebenso sprach Tieck sich persönlich über sie aus; ihr Ruf war fortan begründet. Ein Engagement in Mannheim, wo sie sich mit dem vorzüglichen Bariton Versing vermählte, brachte dieselben Triumphe, bis sie einem Rufe Immermann’s nach Düsseldorf folgte, der dort soeben seine Musterbühne begründet hatte.

Was Auguste Versing (von 1834 ab) diesem denkwürdigen Theater gewesen, das läßt sich aus den Kritiken über dasselbe, aus den Broschüren und Memoiren eines Uechtritz, Grabbe und Immermann selber sehr deutlich ersehen. Aus ihrem reichen Repertoire werden namentlich Stella, Clärchen, Gretchen, Luise Miller, Isaura („Leben ein Traum“), Margaretha („Hagestolzen“), Walpurgis („Goldschmieds Töchterlein“) als geniale Meisterleistungen hervorgehoben.

Fragt man sich nun, warum eine so gewaltige Künstlerin nicht ihren Wirkungskreis dauernd bei den ersten Bühnen gefunden, so ist das leicht erklärt. Es hatten die Musen und Grazien an ihrer Wiege gestanden, aber sie besaß nicht jenen Glanz blendender Schönheit, welche die Blasirtheit der großen Welt an einer ersten Schauspielerin verlangt. Im Uebrigen war ihr keuscher und schlichter Sinn aller Reclame und allen Ruhmeszügen abhold; es genügte ihr, daß sie an den Orten ihres Wirkens eine so ungemeine Achtung und Theilnahme fand, die zugleich der Respectabilität ihres Wandels und dem stillen und vorwurfsfreien Leben galt, das sie, ihrer Kunst hingegeben, im Eltern- und Familienkreise führte.

Als Immermann die Direction niederlegte, ging sie mit dem Gatten an das kaiserliche Theater in Petersburg und wurde nun auch hier zehn Jahre lang durch die hinreißende Gewalt ihres Talents der bewunderte und verehrte Liebling des Publicums. Ueberhäuft mit Ehren und im Besitze der Pension, kehrte sie von der Newa in die deutsche Heimath zurück und ließ sich in Brünn nieder, um hier die talentvolle Tochter Anna, die später als Schauspielerin zu ehrenvollem Ruf gekommene Versing-Hauptmann, in die künstlerische Laufbahn zu führen. Einige Jahre hatte sie, diesen Mutterpflichten hingegeben, jedem eigenen Auftreten entsagt, dann aber zog es sie unwiderstehlich zu den Brettern zurück. Eine Gastspielreise über die bedeutendsten Bühnen Deutschlands zeigte ihre Genialität in ungetrübtem Glanze und erregte einen Wettstreit um ihren Besitz. Frankfurt hatte das Glück, sie auf die Dauer zu fesseln, als Ersatz für die berühmte Lindner, nunmehr im Fache der älteren Anstandsdamen und edlen Mütter. Dreizehn Jahre hindurch war sie die Zierde des Frankfurter Theaters, und unvergessen ist es dort, was sie auf dieser Bühne, namentlich im Feinkomischen wie im Derbhumoristischen, Großes geleistet und geschaffen hat. Als man ihr 1871 die erbetene Pensionirung nicht länger versagen konnte, wurden ihr beim Abschiede vom Publicum und von den Collegen die außerordentlichsten Ovationen bereitet.

Es war für die rastlose Arbeiterin die Zeit der Abendruhe gekommen. In Groß-Ullersdorf bei ihrer dort verheiratheten Tochter verbrachte sie die letzten Lebensjahre, bis sie am 1. Februar dieses Jahres das müde Auge schloß, noch in den letzten Stunden ihre Ergebenheit und Charakterfestigkeit, ihren unverwüstlichen Humor bewahrend. Gewiß, es waren wohlverdiente Lorbeerkränze, die von deutschen Städten aus auf das abgelegene Grab dieser großen deutschen Künstlerin gesendet wurden. Ihr Gatte war ihr schon zwei Jahre früher im Tode vorausgegangen. Die Pflege der Schauspielkunst aber lebt in ihrer Familie fort. Außer ihrer Tochter hat sie eine ebenbürtige Nachfolgerin auch in ihrer Nichte Franziska Ellmenreich gefunden, die jetzt in verwandtem Fache hochgefeiert an derselben Dresdener Bühne wirkt, wo ihre Tante vor bald fünfzig Jahren die erste Stufe hohen Ruhmes erstiegen hat.




Der Brand des Marktfleckens Donaustauf. Vom Fuße der „Walhalla“ gehen uns folgende Zeilen zu, die wir im Interesse der Sache hier gern mittheilen: „Aus allen Theilen Europas, ja sogar der Welt, wallfahrtet jährlich eine große Zahl Menschen nach Deutschlands Ehrentempel, der in der Nähe Regensburgs gelegenen 'Walhalla'. Alle die Wallfahrer werden sich gewiß gern des hübschen, malerisch am Fuße der 'Walhalla' gelegenen Fleckens Stauf mit dem fürstlich Thurn und Taxis’schen Schlosse und den herrlichen Gartenanlagen erinnern. Wer aber heute Donaustauf aufsuchen wollte, der würde einen rauchenden Trümmerhaufen finden, wo ehedem eine Gemeinde von 800 Menschen wohnte.

In der Nacht vom 3. auf den 4. März erhob sich ein furchtbarer Sturm, der den ganzen Tag hindurch wüthete. Unwillkürlich überkam Jeden der peinliche Gedanke: wenn jetzt Feuer ausbrechen sollte, so wäre unrettbar Alles verloren. Und das Feuer brach aus. Morgens um sieben Uhr verbreitete sich in Regensburg das Gerücht, in Stauf brenne es; bald traf auch die Bestätigung ein. Sofort ging die Feuerwehr von Regensburg dahin ab; im Laufe des Tages vereinigten mit ihr noch die Feuerwehren von 33 anderen Orten ihre Anstrengungen, allein aller Muth und alle Opferwilligkeit war erfolglos. Die Flammen züngelten, vom Sturme getragen, hier und dort auf, oft mehrere Häuser überspringend. So rasch griff das verheerende Element um sich, daß Viele nur das Leben zu retten vermochten. Man mußte dem Feuer Alles preisgeben. Schon Nachmittags war der Ort fast von allen Bewohnern verlassen. Sie hatten sich und die wenige Habe, die sie zu retten vermocht, in benachbarte Dörfer und auf die Berge geflüchtet. Erst jetzt ist es möglich, einigermaßen den Schaden zu übersehen: 96 Wohnhäuser und mehr als 50 Nebengebäude liegen in Asche, auch das schöne fürstliche Schloß. Nur die Kirche, das Pfarr- und Schulhaus, das Gasthaus 'Zur Walhalla' und einige wenige Häuser, die vereinzelt an den Bergen hin stehen, blieben verschont.

Der Schaden ist sehr groß: Man nimmt an, daß er, mäßig geschätzt, 800,000 Mark betrage, das fürstliche Schloß nicht gerechnet. Versichert waren die Gebäude für ungefähr 400,000 Mark, wovon 200,000 Mark auf das fürstliche Schloß kommen. Es fällt somit die Summe von 600,000 Mark aus. Was an Mobiliar, das leider auf dem Lande fast nie versichert ist, zu Grunde ging, läßt sich noch nicht absehen. Es ist nun zwar für die unglücklichen Obdachlosen, deren Zahl sich auf 650 beläuft, schon sehr viel von den Bewohnern der Umgegend, namentlich des stets opferbereiten Regensburgs, geschehen, allein da reicht eben das Alles nicht aus. Soll den Leuten auf die Dauer geholfen werden, so muß auch von anderwärts beigesteuert werden. Möchten doch alle Diejenigen, die einst die 'Walhalla' besucht, die damit vielleicht schöne Erinnerungen an erstes Liebesglück auf seliger Hochzeitsreise verknüpfen können, etwas für die Armen thun. Beisteuern an Geld sind an den Vorstand des Hülfscomités, Herrn Bezirksamtmann Schmid in Stadtamhof, Gaben in Naturalien an Herrn Pfarrer Kohlhaupt in Donaustauf zu richten.“




Osterfeier im Dorfe. (Abb. S. 213: „Grüne Ostern“.) Auf das Land hinaus müssen wir eilen, wenn das rechte Ostergefühl über uns kommen soll; nur im Freien feiert man mit ganzer Seele das Auferstehungsfest der Natur. Welches Stadtkind, das Verwandte auf dem Lande hatte, denkt nicht selbst noch in späten Tagen gern an die Freuden zurück, die ein Osterfeiertag im Dorfe darbot? Schon die andere, meist derbere Bauernkost überraschte angenehm; es war etwas Ungewohntes, Kräftiges. Dann wandelten die Buben an der Hand des Herrn Vetters, die Mädchen an der der Frau Base zur Kirche. Auch das war anders. Nicht das harte Steinpflaster und die kalten Häuserreihen umgaben die Kirche, wie in der Stadt, sondern sie stand im Gottesacker, um welchen eine Mauer lief, über die ringsum hohe schöne Bäume hereinragten. Die Zweige nickten auch an den hohen Kirchenfenstern; das sah man besonders genau während der Predigt, wo das Kindesauge sich daran erfreute. Und wenn die Kirche endlich aus war, welche Wonne, hinauszutreten in die freie, schöne, lachende Natur! Man besuchte nun erst die Gräber der Verwandten und brachte ihnen gleichsam den Ostergruß. Auch mich führte eine gute alte Base einst an einen versunkenen Hügel, auf welchem eine Schlüsselblume blühte. „Da drunten liegt Dein Großvater,“ sagte sie, „zupf Dir das Blümle ab! Es ist gewiß zum Ostergruß für Dich aus seinem Herzen gewachsen.“ – Endlich wandelt Gruppe um Gruppe der Friedhofpforte zu – und draußen auf der Straße theilen sie sich, hierhin und dorthin, aber immer, auch zum Abschied wieder, mit dem Gruß, den sie am Morgen sich zu den Fenstern hinaus und auf der Straße und auf dem Kirchweg geboten hatten: „Christ ist erstanden“ – „In Ewigkeit, Amen.“ – Das war Osterfeier im Dorfe.




Ueber das Osterspiel mit Tanz und Gesang im Freien, von welchem in unserem heutigen Osterartikel (auf Seite 206) vorübergehend die Rede ist, können wir die in Aussicht gestellten Mittheilungen leider erst in der nächsten Nummer geben, da es uns in unserem gegenwärtigen Feuilleton wider Erwarten an dem nöthigen Raum mangelt.

Die Redaction.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung.




Von unseren bewährten Mitarbeitern liegen uns für das nächste Quartal außer einer Reihe von Artikeln aus dem Gebiete des politischen und socialen Lebens der Gegenwart zahlreiche interessante Beiträge aus den verschiedensten Wissenskreisen vor, von denen wir hier nur nennen wollen: „Drei Briefe Goethe’s“ von Ferdinand Sonnenburg, „Aus der zoologischen Station in Neapel“ von Karl Vogt, „Luiz de Camoëns, zur dreihundertjährigen Feier des Todestages von Portugals größtem Dichter“ von Leopold Katscher, abschließende Artikel über das Leben Sylvester Jordan's und eine Reihe von Charakterbildern aus dem musikalischen Leben der Gegenwart („Brahms“ von Hermann Kretschmar, „Liszt“ von La Mara etc.), endlich die Schlußabschnitte der Artikel-Serie „Zur Geschichte der Socialdemokratie“ von Franz Mehring etc. etc.

Im Novellentheil unseres Journals werden neben einer Reihe kleinerer Erzählungen die Fortsetzung von Robert Byr’s so beifällig begrüßter Erzählung „Der Weg zum Herzen“ und

„Frühlingsboten“ von E. Werner

ihren Platz finden.

Die Redaction der „Gartenlaube“.

Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1880, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_216.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)