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eines solchen auch hier. Das Zechen der Professoren mit den Studenten ist nicht nur in Jena üblich gewesen – auch in Altdorf sehen wir beispielsweise den durch Trunksucht und zänkisches Wesen berüchtigten Dr. Gentilis, der in den Jahren 1597 und 1613 Rector war, in bezechtem Zustande mit den Studenten fluchend durch Altdorfs Gassen ziehen und mit blankem Degen die Bürger bedrohen.

Wilden, feurigen Temperaments, welches sich erst in späteren Jahren zu kalter Ruhe und Berechnung abklärte, gerieth der junge, früh verwaiste böhmische Cavalier Albrecht von Waldstein zu Ende August 1599 in dieses Treiben. Er wurde am 29. August 1599 nebst seinen Begleitern folgendermaßen in die Matrikel eingetragen:

Albertus a Waldstein, Baro Bohemus.
Johannes Heldreich, praeceptor Görlicensis, Lusatus.
Wenceslaus Metrouski, famulus.

Gleich in den ersten Wochen offenbart sich ein bereits den späteren Friedländer andeutender Charakterzug: kaum angelangt, warf er sich zum Haupte einer Tumultantenschaar auf. Teutschenbrunn’s Jurisdiction in causis criminalibus berichtet darüber kurz, aber treffend:

„Den 7. Dez. 1599 klagte Herr Dr. Schopper propter nocturnas actiones ante aedes suas (wegen nächtlicher Ruhestörung vor seiner Wohnung). Die Thäter dieser Action sind gewesen, nach viel gehabter Mühe, Freyherr von Waldstein, Sebisch (scheint, wie aus späteren gemeinschaftlichen Affairen zu schließen, ein Hauptcumpan Waldstein’s gewesen zu sein), Jeroslaus Secolinsky, Joh. de Lopes et famulus Socolinski, qui aufugit (welcher entfloh).“

Der den nächtlichen „actionibus“ folgende Arrest muß nicht allzu streng gewesen sein; denn schon am 23. desselben Monats sehen wir unsern Waldstein abermals bei einem Ereignisse betheiligt, welches einen tragischen Ausgang nehmen sollte. Wolf Fuchs, ein Fähndrich der Miliz, wird (ob in regelrechtem Duell, ist nicht ersichtlich) von Hans von Steinau, dem Sohne des Rothenberger Burggrafen, erstochen. Waldstein und Sebisch, bei der That (wahrscheinlich als Secundanten) zugegen, verhelfen dem Thäter zur Flucht, sodaß derselbe glücklich nach dem nahegelegenen Rothenberg entkommt, obschon der Nürnberger Rath ausschreiben läßt, „daß, wer den Theter anmelden werde, nit allein unvermehret bleiben, sondern ihm hundert Gulden zu einer verehrung gegeben werden solle“. –

Zugleich wird eine Haussuchung gehalten, welche aber auf bewaffneten Widerstand der Studenten stößt, sodaß der Nürnberger Rath Mannschaft nach Altdorf sendet und zugleich in einem Decret Waldstein und Sebisch als „studiosi“ namhaft macht, „die sich bisher alles mutwillens beflissen und fast mancherlei unruhe gestift und angerichtet haben“. – Alles dieses aber scheint den jungen Waldstein nicht besonders zu berühren; denn noch während der Untersuchung obigen Falles sehen wir ihn in einen neuen Handel verwickelt.

„Am 9. Januar 1600 erschienen (vor Pfleger und Rector) Baro von Waldstein und Gotthardus Livo, welcher von dem Barone im Fuß gestochen worden. Darauf sie vereinigt worden und hat Baro dem vulnerato (dem Verwundeten) die Schäden ausrichten müssen.“ Das beigegebene Bild versucht, die Scene im Zeitcostüm zu vergegenwärtigen.

Mittlerweile rescribirt der Nürnberger Rath drei Tage später – also am 12. Januar – in Sachen des getödteten Fuchs dem Pfleger und Rector:

„Dieweil sich erzeigt, daß Albrecht von Walstein, Freyherr, in der kurzen Zeit her, so er zu Altorff gewesen und studiren sollen, sich in mancherley weis allerley unruhe und mutwillens unterstanden, insonderheit auch bei angeregtem Ableib (des Fuchs) das seinige gethan, da er billig dem Theter von seinem bösen vorhaben mehr abhalten helfen sollen, so wollen wir hierin sein ehrlichen Stand und Herkommen respectirt und Euch hiermit befohlen haben, ihm Freyherrn von Walstein oben angezogener ursachen halber auf sein habitation oder wonstuben, darauf er sich auch speisen lassen und davon nicht kommen soll, so lang zu verstricken, bis er seine zu Altorff gemachte Schulden abgericht und bezahlen haben wird, und wenn dasselb geschehen, sich von Altorff hinweg zu thun und sein gelegenheit anderer orten zu suchen.“ –

Dem wilden Gesellen aber muß es in dieser „Stubenverstrickung“, welche er, da seine Complicen „auf den im Collegio versperrten Thurm“, ja sogar nach Nürnberg abgeführt wurden, lediglich seinem „ehrlichen Stand“ als Freiherr zu verdanken hatte, allzu langweilig geworden sein, die ziemlich deutlich ausgesprochene Relegation ihn vor der Hand aber gar nicht beunruhigt zu haben; denn schon am 14. Januar wurde Freiherr von Waldstein, welcher seinen Famulus Joh. Rehberger, weil derselbe müßig zum Fenster auf den Markt hinausgesehen, mit einer Peitsche auf kaum glaubliche Art tractirt hatte, verklagt, und der Knabe, da er ihn so unmenschlich gezeichnet, „nach Nürnberg ad D. D. Scholarchas geschickt. Hierauf den 19. dieß ist der Herren Scholarcharum befehl erfolget, daß Baro der Akademie deßwegen 30 fl. Straf geben und sich mit des Knaben Freundschaft vergleichen soll. Baro beschwert sich dessen, vorwendend, der Knab wäre unfleißig gewesen, erbot sich, das Arztlohn auszurichten und den Knaben zu einem ehrlichen Handwerk zu verlegen und die zuerkennte Straf zu bezahlen.“

Obige urkundliche Notizen haben Schiller sicherlich vorgelegen und ihm zu dem bekannten Verse: „Hätte seinen Famulus bald erschlagen“ die Veranlassung gegeben. Während der mißhandelte Famulus, respective dessen Vormünder erst am 17. März abgefunden werden, schickt Wallenstein zur Zeit obiger Vorladung zwei Commilitonen nach Nürnberg, um dort die Aufhebung seines Stubenarrestes zu bewirken. Der Nürnberger Rath bewilligt ihm hierauf, „daß er bei seinem gewöhnlichen Kostherrn zu Tisch und, da er will, in die Predigten (Wallenstein war damals noch protestantisch) und Lectiones gehen mög, sich aber sonsten des ausgehens und umschweifens in der Stadt und für die Thor enthalten soll“, in dem Uebrigen aber (nämlich „sich von Altorff hinweg zu thun und sein gelegenheit anderer orten zu suchen“) läßt er’s bei vorigem Befehl bewenden.

Diese unter den Fuß gegebene Relegation nun muß dem jungen, stolzen Cavalier wenig behagt haben; denn unter dem 20. Januar wendet er sich in folgendem, eigenhändig unterzeichnetem Schreiben an die „Edlen, Ehrenfesten, Erbahren und Hochweisen Herren Bürgermeister und Rathmannen der löblichen Reichsstadt Nürnberg, seine günstigen Herren und Freunde“:

„Mein freundlichen gruß, Edele, Ehrenfeste, Erbare und Hochweise, günstige Herren und freinde. Das die Herren, auf mein bit, den mir auferlegten arrest etwas relaxiret, daraus vermerke ich der Herren geneigter gemütter gegen mir, und thue mich dessen gegen den Herren freindtlich und fleißig bedanken. Dieweilen aber in der Herrn bevelich, an hiesige Ihre löbliche Universitet gethan, lauttet, mir beneben dem arrest aufczuerlegen, Mich nach gethaner richtiger beczahlung von hinnen zu begeben, welche wordt gleichsam eine tacitam relegationem in sich begreiffen: und aber dieselbige nit allein meiner Person, sondern auch dem Wolgeborenen Herren Herr Caroln, und Herr Adams (Adam von Waldstein) beider Herren von Waltstein, Rom. Kay. M. meines allergnädigsten Khunigs und Herren geheimbder Räthe, sowol meinem ganczen Löblichen Geschlechte zu einem großen despect und nachtheil gelangen mochte. Als ist hiermit an die Herren mein freindtlich und fleißige bitte, Sie geruhen an deme mir auferlegten langwierigen arrest ein genügen zu haben, gedachte relegationem genczlich zu remittiren und nachzulaßen und mir in meinen freyen Willen zu stellen, zu welcher Zeit ich mich von hier begeben möge, so wol auch aus dem arrest nu mehr zu erledigen. Hergegen bin ich mein creditores richtig abzuzahlen, den Herren nit lang verdrißlich zu sein, und mich hinfüro allenthalben, als einem Herren gebühret, zu verhalten, So wol umb die Herren solches nach Vermögen freindtlichen zu verschulden erbottig.

     Gegeben in Altorff den 20. January Anno 1600.
          Ewer williger
               Albrecht von Waldstein.
                    Freyher.“

Daß der unterzeichnete Albrecht von Waldstein nicht eine andere Person desselben Geschlechts, wie Palacki behauptet, sondern mit dem späteren Fürsten Wallenstein identisch, wird durch die Anführung seiner nächsten Verwandten, von denen Adam von

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