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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


und sog also recht eigentlich an der Sphäre seiner Heimath. Das Gleiche gilt von Joseph Haydn, der an der ungarischen Grenze zu Hause war. Seine Anhänglichkeit an Wien und Oesterreich bethätigte er in gleicher Kraft wie Mozart: so verführerische Anträge ihm bei seinem Ruhmesaufenthalte in London von der königlichen Familie gemacht wurden, er ging nach Wien zurück, wo ihn eine Luft umspielte, die das Land der „Goldfüchse“ einem richtigen deutschen Musikantengemüthe nie und nirgends zu bieten vermochte.

Die Signora Cavalieri war eine echte italienische Primadonna. Mozart hat zwar in der „Entführung“ eine Arie „ein wenig ihrer geläufigen Gurgel geopfert“, aber in der großen Arie: „Mich verläßt der Undankbare“, die er ihr für die erste Aufführung des „Don Juan“ in Wien eigens hinzuschrieb, ihrem Talente und ihrer Kunst dann wieder eine herrliche Frucht seiner Muse dargebracht.

Ganz zuletzt der Herr „Principal“ – nämlich Schikaneder! „Er war dem sinnlichen Genuß sehr ergeben, ein Schwelger und Mädchenfreund, je nach Umständen ein Parasit und ein leichtsinniger Verschwender, und nicht selten trotz großer Einnahmen von seinen Gläubigern hart bedrängt,“ so schildert ihn ein Freund und jahrelanger Capellmeister seines Theaters auf der Wieden, der aus Beethoven's Leben bekannte J. Seyfried. Schikaneder war als vagirender Musikant zu einer Schauspielertruppe in Augsburg gestoßen, hatte die Pflegetochter des Principals geheirathet und kam zur Zeit der Composition des „Figaro“ nach Wien, wo er sich mit Mozart, den er schon in Salzburg gekannt hatte, wieder näher befreundete. Die Noth war es, die ihn im Todesjahre des unsterblichen Meisters zu ihm führte. Sein Theater im Starhembergischen Freihause stand am Rande des Abgrundes. Er kam zu Mozart, ihn um eine „Zauberoper“ zu bitten. Es war die „Zauberflöte“. Das Gartenhaus, in dem Mozart dieses sein unsterbliches Werk schrieb, steht heute auf dem Kapuzinerberge in Salzburg; für seine Erhaltung wird soeben in ganz Deutschland gesammelt. Sich selbst stellte Schikaneder, der den Text verfaßt, in dem Federmann Papageno dar, leichtsinnig, genußsüchtig, furchtsam, aber zugleich hülfreich gutmüthig. In dem Kometenschweife des unsterblichen Werkes, das doch in seinem Kerne zusammenfaßt, was an wahrer Humanität und Seelenreinheit in jener schönen Zeit lag, wandelt auch diese drollige Figur des alten Wiener Künstlerlebens. Sein Verdienst bleibt immer die Wahl des Stoffes, und daß er Mozart für dessen Composition zu gewinnen und an dieselbe zu fesseln wußte. Diese Thatsache ist auch die Anregung zu der heiteren, geselligen Gruppirung im Bilde geworden; ihr innerer Zusammenhalt aber ist eben jener Geist der freien schönen Menschlichkeit und idealen Begeisterung, der all diese großen Künstler damals so dauernd an Wien und Oesterreich fesselte.

L. Nohl.




„Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?“
Die Untersuchungen des Professors Paul Bert über den Einfluß des Luftdrucks auf das Leben.

Im Hochsommer 1879 ging es in der französischen Abgeordnetenkammer wieder einmal lebhaft her, als man die Vorlagen Ferry's behandelte, durch welche die Schule von dem Einflusse der Jesuiten befreit werden sollte. Unter den altbekannten schlagfertigen Politikern erschien damals auch ein auf der politischen Arena bisher noch wenig genannter Gelehrter, der durch seine zündenden Reden die Gefährlichkeit der jesuitischen Moral aufdeckte und für sein freimüthiges Auftreten den Beifallssturm der Republikaner und den glühendsten Haß der Schwarzen erntete. Es war der Professor der Medicin Paul Bert.

Unsere Aufgabe wird es nicht sein, das politische Wirken dieses Mannes näher zu prüfen. Wohl aber möchte es sich lohnen, dem plötzlich als Redner berühmt gewordenen Gelehrten auf das ruhige Gebiet ernster, wissenschaftlicher Forschung zu folgen und seine sehr werthvollen Studien über den Luftdruck und dessen Einfluß auf das thierische Leben einmal näher zu betrachten.

Der Luftdruck unterliegt bekanntlich fortwährenden Veränderungen, und der Volksverstand, der sich mit medicinischen Fragen stets eifrig beschäftigte, glaubte in diesen Schwankungen den Entstehungsgrund der verschiedensten nervösen und rheumatischen Leiden beim Witterungswechsel gefunden zu haben. Wenn aber diese Annahme Grund haben sollte, so müßten ja die Rheumatiker schon beim Besteigen einer kleinen Anhöhe, auf deren Spitze der Luftdruck um einige Millimeter geringer ist als unten – welcher Unterschied den täglichen Schwankungen in den Druckverhältnissen der Atmosphäre entsprechen würde – ähnliche Zufälle (Schmerzen in den Gliedern, den Narben etc.) empfinden. Davon ist aber nichts bekannt. Wahrscheinlich spielen hier andere Einflüsse mit, wie z. B. Veränderungen in der Feuchtigkeit und die Elektricitätsspannung der Atmosphäre. Ihre genauere Prüfung wird vielleicht einst in die dunkle Wissenschaft vom Rheumatismus Licht werfen; vorläufig ist es als Fortschritt zu bezeichnen, daß wir den Einfluß eines dieser Factoren, des Luftdrucks, auf das tierische Leben kennen gelernt haben.

Wer hohe Bergbesteigungen ausgeführt hat, der machte wohl gelegentlich die Bekanntschaft eines eigenthümlichen, den Gebirgsbewohnern wohlbekannten Uebels, der sogenannten Bergkrankheit. Sie besteht darin, daß in einer gewissen Höhe (und zwar gewöhnlich zwischen 3000 und 4000 Meter) unser Athem kürzer und unser Puls beschleunigt wird, und zwar so, daß diese Anfälle mit zunehmender physischer Anstrengung stärker werden und im Ruhestande des Körpers schnell verschwinden.

Steigt der Reisende noch höher, so nehmen diese Symptome bald einen drohenden Charakter an. Ohrensausen, Kopfschwindel, ein Gefühl von Schwere in den Knieen bilden die Vorboten gefährlicher Blutstürze aus den Lungen, der Mundhöhle oder den Ohren. In diesem Stadium kann selbst das Tragen einer geringfügigen Last oder das Erklimmen eines unbedeutenden Felsens den augenblicklichen Tod des Reisenden nach sich ziehen. Die körperliche Anstrengung beschleunigt den Eintritt dieser Zufälle, deshalb treten sie später, das heißt in größerer Höhe, auf, wenn wir auf einem Reittier die Berge erklimmen. Ihr starker Bundesgenosse ist auch die Kälte, und aus diesem Grunde können wir unter dem Aequator ohne Beschwerde höhere Berge besteigen, als in den Ländern, welche den Polen näher liegen. Im Allgemeinen beginnt die Region der Bergkrankheit mit der Linie des ewigen Schnees. Auch die Luftschiffer sind bei ihren Ausflügen ähnlichen Gefahren ausgesetzt.

Was ist nun der Grund dieser interessanten Erscheinungen?

Als in dem Kindesalter der Menschheit die Phantasie unbekannte Gebiete mit ihren poesievollen Gebilden erfüllte, da sollten lebende, geisterhafte Wesen dem Menschen den Zutritt zu jenen lichten Regionen verwehren. Die Völker Himalayas behaupteten, daß auf den nackten hohen Felsen Blumen wüchsen, die noch keine Menschenhand gepflückt habe und deren Blüthen einen betäubenden, tödtlichen Duft aushauchen sollten. Die Indianerstämme am Fuße der Anden in Südamerika glaubten, aus den Schlünden der Bergspitzen stiegen metallische Ausdünstungen in die Höhe, welche die dort Veta oder Puna genannte Bergkrankheit verursachen sollten.

Der berühmte schweizerische Naturforscher de Saussure war der Erste, welcher die wahre Ursache der Bergkrankheit erkannte. „Auf dem Gipfel des Montblanc,“ sagte er, „ist die Luft nur halb so dick als über dem Meeresspiegel; jeder Athemzug kann also auch nur halb so viel Sauerstoff enthalten, und wahrscheinlich ist es nicht ihre Dünnheit an sich, sondern der Mangel einer genügenden Sauerstoffzufuhr zum Blute, der unsern Puls auf hohen Bergen so beschleunigt und die gefährlichen Zufälle der Bergkrankheit erzeugt.“

Erst dem schon erwähnten Paul Bert, dem Nachfolger des unsterblichen Claude Bernard am College de France, gelang es, diese Frage auf experimentellem Wege zu entscheiden. Er bringt in seinen Vorlesungen einen kleinen Vogel unter die Glocke einer gewöhnlichen Luftpumpe, die durch ein Leitungsrohr mit einem Ballon verbunden ist, in welchem sich reines Sauerstoffgas befindet. Wenn der Luftdruck, dessen Höhe wir jeder Zeit an einem Manometer ablesen können, beim Auspumpen bis auf vierzig Centimeter gesunken ist, wird der Vogel unruhig, fällt auf die Seite

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_290.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)