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verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


„Die Tante hat im Grunde Recht,“ sagte er sich, „ich bin es meinen Vorfahren schuldig, meinen Namen nicht erlöschen zu lassen und ich bin es mir selbst schuldig, wenn ich schon nicht dem Vaterlande dienen kann, ein Weib, ein Kind so glücklich werden zu lassen, wie es in meiner Macht liegt. Man kann nur dann mit gutem Gewissen für sich selbst leben, wenn man dabei auf irgend eine Weise für Andere lebt, und eine gute Ehe erlaubt dies, ohne daß man deshalb sein Selbst in ein verhaßtes Joch spannen müßte. Jetzt ist aber nicht Zeit, daran zu denken – oder doch?“

Er stand auf und ging wieder umher.

„Ja,“ sagte er sich mit Entschlossenheit, „das ist zugleich der einzig richtige Weg, um Nikolai zu helfen. Er hat zwei Töchter, ich will ihm eine abnehmen, ob Matrjona oder Milinka – Martha oder Maria, das frage ich mich jetzt nicht. Genug, die Versorgung einer Tochter ist schon an und für sich eine Erleichterung seiner Lage und, was noch mehr bedeutet, gestattet mir auch, in das Detail seiner Verhältnisse einzudringen und Rath zu schaffen. Nun, wahrhaftig! Die Werbung ist doch wohl ein genug wichtiges Ereigniß, um mir nach unserem Vertrag zu gestatten, noch vor Neujahr auf Andrejewo zu erscheinen.“ – –

Nichts merkte man an der Lebensführung, die im Herrenhause Andrejewo waltete, von den Qualen und Sorgen, die das Gemüth des Gutsherrn zerrissen. War die Befriedigung des Nothwendigsten auch bis zur Kümmerlichkeit einfach, so blieben doch die Geschäfte wie die Genüsse des Tages von einem ungestörten Frieden umhegt. Denn Nikolai war bei soldatisch rauhen Manieren und bei aller Rücksichtslosigkeit, wenn es sich für ihn um ein Vergnügen oder ein Behagen handelte, außerordentlich zartfühlend; er hätte sich lieber getödtet, als unnützer Weise seine Umgebung zu Leidensgefährten in seinen Sorgen gemacht. Dennoch gingen, ohne daß er es wußte, gleichsam die Athemzüge seines Unglücks durch das Haus. Man sprach sich nicht darüber aus, aber man schmachtete nach einer Freude – und sie kam, als in einer Abendstunde, unvermuthet wie ein Wunder Sergey Iwanowitsch Nikrachewsky in den Hof einfuhr.

Der Jubelschrei, mit dem ihn der Knecht empfing, pflanzte sich fort bis in das Cabinet Nikolai’s, der hierauf mit den Sprüngen eines Knaben die Treppe hinabeilte. Im Salon harrten die Mädchen des Angekommenen, und man saß bald gemüthlich am warmen Ofen, bis Matrjona, die, wie immer, geschäftig ab und zu ging, mit dem Ausdruck des Befremdens meldete, daß Wania ein ganzes Magazin von Wein und Delicatessen aller Art in die Küche geliefert habe.

„Ich bitte tausendmal um Entschuldigung,“ sagte Sergey, „aber ich weiß nur zu gut, daß wir auf unseren Herrenhäusern in dieser Jahreszeit von Allem abgeschlossen sind, was angenehm schmeckt. Und da ich schon reiste, so bin ich über den Ort gegangen, wo man sich assortiren kann. Werfen Sie getrost weg, Fräulein Matrjona, was Ihnen für das Haus nicht paßt, und für das Brauchbare werde ich Dir die Rechnung präsentiren, Nikolai Alexandrowitsch.“

Dieser, als er von einer Rechnung hörte, starrte betrübt vor sich hin.

„Apropos!“ fuhr Sergey fort, „ich habe eine Botschaft für Dich, Nikolai. Du sollst einen Brief lesen, den mir meine alte Tante, die Gräfin Tschatscherin geschrieben hat. Den muß ich Dir zeigen, wenn wir allein sind. Nicht, daß ich so unschicklich und grausam wäre, vor den Damen ein Geheimniß zu haben, aber es ist zunächst Dein Geheimniß, Nikolai, und es brennt mir auf der Seele; ich werde bessern Appetit haben, wenn Du erst davon Kenntniß hast.“

„Dann komm’ in mein Zimmer!“ rief Nikolai und ging der Thür zu. Sergey folgte ihm, nachdem er um Verzeihung gebeten hatte für die Störung des Familienkreises, die nicht von langer Dauer sein sollte.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Scene aus dem Sport des Wettrennens. (Abbildung Seite 305.) Wir leben jetzt in der „Saison“ desjenigen „Sports“, welcher bei den reitlustigen Deutschen die weiteste Ausdehnung gewonnen hat. Zwar fällt ein Theil unserer Wettrennen auch in die Herbstzeit, zu den Festen nach der Ernte; da aber der Frühling den Anfang mit ihnen macht, so nehmen wir die Gelegenheit wahr, sie hiermit sogleich zu begrüßen. Die Wettrennen in Aachen, Berlin, Doberan, Königsberg, Breslau, Leipzig, Baden-Baden, Stettin, Hamburg, Schwerin, Cannstatt, auf der Theresien-Wiese bei München, auf der Sömmeringer Weide[WS 1] bei Wien etc. sind nicht ausschließlich „Amusements“ höherer Herrschaften, sondern auch ein Theil unserer größten Volksfeste, und in letzterer Beziehung ein ehrwürdiges Erbe aus der Urväterzeit. Schon die Germanen waren eifrige Pferdeliebhaber; Wettrennen gehörten zu ihrem Götterdienst und konnten auch vom Christenthum nicht verdrängt werden, ja, Spuren davon werden in Deutschland und bei den Flamändern noch jetzt gefunden. Ein Zeugniß dafür ist auch der außerordentliche Reichthum Deutschlands an Pferden bis zum dreißigjährigen Kriege; es ist mit Zahlen nachzuweisen, daß in vielen Landstrichen jener Reichthum nicht wieder erlangt wurde.

Wenn wir daher unsere „Bauernreiten“ mit besonderer Theilnahme betrachten, so finden wir keinen anzulächelnden Contrast zwischen ihnen und dem ersten geschichtlichen Wettrennen bei den Festen des persischen Sonnengottes Mithra, sondern wir glauben sogar, daß der indogermanische Weg zwischen beiden eine Verbindung zuläßt. Die Wettrennen an sich sind also einheimisch, aber die moderne Form derselben als „Sport“ haben wir, nebst den dazu gehörigen technischen Ausdrücken, von den Engländern herübergenommen, und so haben wir, wie sie, jetzt Herrenreiten, Officiersreiten, das bei uns erfreulicher Weise bevorzugt wird, das gewöhnliche Jockeyreiten und das bereits erwähnte Bauernreiten. Im Allgemeinen tragen die Wettrennen zur Belebung der Pferdezucht bei, obgleich Sachverständige der Meinung sind, daß dieselben für gewöhnliche Landespferde nicht von Vortheil seien, weil diese sich nicht der kräftigen Respirationsorgane erfreuen, wie die aus dem reinen Blute von Generationen hindurch gezüchteten Rennpferdfamilien, deren Vorzüge durch die Wettrennen gesteigert werden. Letztere zerfallen in England bekanntlich in Flach-, Hürden-, Kirchthurm- und Trabrennen. Das Hürdenrennen (hurdle-race) stellt dem Pferde nur leichte Hindernisse von Flechtwerk in den Weg, während das Kirchthurmrennen (steeple-chase), das seinen Namen von dem Ziel hat, auf welches man schnurgerade losritt und das oft ein Thurm war, stärkere Hindernisse, Gräben, Dämme, Barrièren u. dergl. zu überwinden giebt. Vor ein solches Hinderniß führt uns unsere Illustration, und ein Jockeyreiter leidet dabei Schiffbruch.



Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute in Zwickau

gingen ferner ein: A. Sauber M. 5; C. Stolle in Galsbeufke 5 Rubel; Josef Graber in Galsbeufke 1 Rubel; G. Straß in Cunnersdorf M. 10; N. N. in Bergamo 5 Franken; S. Freund in Philippdis in Südafrika M. 5; T. in Teplitz 1 Gulden österr. Währ.; Moritz, Anna und Paul M. 3; Frau Sölchen auf Godderstorf M. 40. (Gesammtertrag unserer Sammlung M. 2457.72.)


Für die Nothleidenden in Oberschlesien

gingen ferner ein: N. N. in Bergamo 5 Franken; A. Sauber M. 5; Pfarrer Joh. Imrich in Wolkendorf bei Kronstadt in Siebenb. 4 Gulden österr. Währ.: E. F. in Odessa M. 12; E. B. in Odessa M. 15; H. W. K. in San Francisco 3 Dollar; gesammelt unter den Deutschen Mitaus 30 Rubel; Sammlung durch die Expedit. d. „Statthalter von Schopfheim“ M. 50; Clara Hoevet aus Vaslui M. 5; Mitglieder des Calber Turnvereins M. 4.75; Alb. Horst in Bahnhof Blönsdorf M. 4; Lt. M. 5; v. Buch in Sondershausen M. 6; M. B. in Montreux M 20; M. in M. M. 9; G. W. Dg. in Hamburg M. 15; von der Williamsburgh B. S. M. 15; Sammlung in Albany durch Jacob Heinmiller M. 1000; Club „Concordia“ in Bangkok, unter den Deutschen gesammelt M. 1555.40; Geo. H. Cornelton in Orangeburgh M. 418.85; M. J. in Potsdam M. 3; Comité in Pittsburgh M. 725; Eug. Lassel in Kronstadt in Siebenb. 2 Fl. ö. W.; Ertrag einer Vorstellung des Theater-Vereins in Clausnitz M. 20; Deutsches Hülfscomité in Pittsburgh M. 2000; ein Packet Kleidungsstücke von Frau Alwine Lassen in Kappeln; Central-Turnverein in Pittsburgh durch Herrn W. Grabowsky M. 120; aus Abo von dort ansässigen Deutschen M. 174.47; Ertrag eines von den Deutschen in La Salle Ill. veranstalteten Vortrags des Herrn Fr. Bodenstedt M. 454; T. in Teplitz 1 Fl. ö. W.; Alex. Raebiger in Ferndale, Humboldt County, Calif. M. 10.56; einige Deutsche des fernen Ostens M. 25.55; Edmund Kron in Milwaukee 2 Dollar.

     Gesammtertrag unserer Sammlung M. 10,994.69,welche wir dem Comité in Breslau baar eingesandt haben.




Für die Nothleidenden in Thüringen, sowie Spessart und Rhön sind uns unaufgefordert folgende Beträge zugegangen, welche den betreffenden Comités übermittelt wurden:

Für Thüringen: Frau P. Kertscher in Zöschau M. 15; von der Williamsburgh B. S. M. 15; Comité in Pittsburgh M. 725; Deutsches Hülfscomité in Pittsburgh M. 2500. (Summa: M. 3255.)

Für Spessart und Rhön: Deutsches Hülfscomité in Pittsburgh M. 1500.

Die Redaction der „Gartenlaube“.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1880, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_316.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)