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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


und zu gleicher Zeit seinem Instrumente, der Stimme, die Kraft und Geschmeidigkeit zu verleihen, deren sie zur Bewältigung der mannigfaltigen schwierigen und anstrengenden Aufgaben, welche die Kunst ihr stellt, bedarf.

Das intellectuelle und technische Können seiner Schüler nun gleichmäßig so weit zu entwickeln, wie es die Fähigkeit und der Fleiß des betreffenden Individuums überhaupt gestatten, versteht Götze in meisterlicher Weise. Vom Leichten zum Schwierigen aufsteigend, das dem Schüler von der Natur Verliehene festigend und entwickelnd, das Versagte oder Verkümmerte ihm zum Bewußtsein bringend und durch Erweckung des Sinnes dafür ergänzend, müht sich Götze rastlos; er opfert freudig seine Zeit und selbst seine Gesundheit seinen gesangspädagogischen Zwecken und sieht stets den wahren Lohn seiner Anstrengungen in den Fortschritten des Schülers. Dieser aber empfindet vom ersten Augenblicke des Unterrichts an jenes unbegrenzte Vertrauen in seinen Lehrer, das dem sichern Meister wie von selbst zufällt, das aber auch allein die überraschenden Unterrichtserfolge Götze’s zu erklären vermag. Welcher Art aber dieselben sind, davon soll ein Anderer Zeugniß ablegen, der leider zu früh verstorbene edle Dichterkomponist Peter Cornelius, der gelegentlich des Meininger Musikfestes im Jahre 1867 in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ Nr. 250 desselben Jahres Folgendes schrieb:

„Der dritte Concertabend war vorzugsweise der Gesangslyrik gewidmet. Da war ein Quartett von Schülern des Professor Götze aus Leipzig, die in dem spanischen Liederspiel von Schumann einen wahren Sturm von Beifall und da capo-Rufe über da capo-Rufe errangen. Es waren die Fräulein Emilie Wigand und Clara Martini, die Herren Joseph Schild und Paul Richter. Es läßt sich nichts Vorzüglicheres denken. Wie diese beiden Damen aussprechen, wie sie Alles ungezwungen und natürlich geben! Gewisse Worte, wie ,An ihn! an ihn!’ aus der ,Botschaft’, oder wenn Schild mit seiner goldenen Stimme sang: ,Also lieb’ ich Euch, Geliebte’, oder das ,Wer mich liebt, den lieb’ ich wieder’ des Fräulein Martini, sind für’s Leben unvergeßlich.“

Möchte es Deutschland, das seit anderthalb Jahrhundert durch seine Componisten allen Nationen der Erde voransteht, gelingen, auch den Ruhm zu gewinnen, die Kunst des Gesanges, deren Verfall in ihrem Mutterlande Italien offenkundig ist, zu neuer Blüthe entwickelt zu haben! Das aber zu erreichen, dazu dürfen uns niemals Männer fehlen, die Meister Götze gleich all ihre Kraft im Dienst des unvergänglichen Ideals einsetzen.




Das englische Clubwesen sonst und jetzt.
Von Leopold Katscher.
2. Jetzt.

Als der vor etwa einem Jahre verstorbene französische Schriftsteller und Senator Alphonse Esquiros vor fünfundzwanzig Jahren zum ersten Male in der Gegend des Londoner Saint-James-Parkes promenirte, fielen ihm die vielen Prachtbauten auf, die er in der Nähe erblickte und die diesem Stadttheil ein millionärmäßiges, imposantes Aussehen verliehen. Da sah er alle möglichen Baustile, den griechischen, den romanischen, den italienischen, einfach und überladen. Seine Ueberraschung wuchs in der eleganten Straße Pall-Mall, wo die Paläste reihenweise neben einander stehen; er kam dort aus den Colonnaden, Portiken, Basreliefs und Friesen nicht heraus. Er fragte sich, welche alten Adelsfamilien reich genug seien, um so kostspielige Wohnhäuser unterhalten zu können. Bald gab man ihm die Auskunft, daß jede dieser fürstlichen Residenzen von einem „Collectiv-Lord“ bewohnt werde: er hatte nämlich eine Anzahl der schönsten Club-Häuser vor sich – jener modernen Vereinshäuser, die Eigenthum eines Clubs sind und alle Vorzüge eines Hôtels, eines Speisehauses, eines Cafés, einer Bibliothek und eines Vereinigungsortes für gesellige Zwecke unter einem Dache vereinigen.

Diese prächtigen Clubhäuser sind wahre Denkmäler des heutigen England, und die heutigen Clubs erinnern in ihrer ganzen Organisation an die moderne englische Staatsverfassung. Die ältesten der modernen Londoner Clubs gehen nicht weiter zurück als bis 1815. Jene vier Clubs, die älter sind und sämmtlich in Saint-James-Street stehen, nämlich: „White’s“, „Boodle’s“, „Crockford’s“ und „Brookes’“, sind anders organisirt, als die modernen: sie werden je von einem Privatmann gehalten, der seinen Subscribenten für eine Eintrittsgebühr und einen Jahresbeitrag gewisse Vortheile bietet, die denen der vereinsartigen Clubs ähneln. Diese Art von Unternehmungen heißt „Subscriptionsclubs“ und bildet gleichsam einen Uebergang von den alten zu den neuen Clubs, doch haftet ihnen der Makel an, daß sie arge Pflegstätten des Hazardspiels sind, während dieses in den modernen Schwesteranstalten untersagt ist oder doch nur in geringem Maße getrieben wird.

William Crockford war ein Fischhändler gewesen; als er durch ausgedehntes Hazardspielen ein reicher Mann geworden, begründete er eine Art Clubhaus, das von der aus der Oper kommenden Elite der Gesellschaft besucht zu werden pflegte und in welchem fabelhafte Summen verspielt wurden. Die Küche war als vorzüglich berühmt; der kostbarste Wein floß in Strömen; der Oberkoch Ude galt seiner Zeit als der größte culinarische Meister Europas. Crockford, mit dem Beinamen „Leviathan des Spiels“, starb 1844, einen unermeßlichen Reichthum hinterlassend.

„Brookes’“ war ursprünglich ein Kaffeehaus, das gegen 1770 den Häuptern der Opposition zum Stelldichein diente. Um Brookes, den ersten Besitzer, schaarten sich Fox, Burke, Grenville, Windham, Grey, Selwin, Sheridan. Die Bewerbung Sheridan’s um die Aufnahme in den Club war dreimal erfolglos gewesen; denn zur Ablehnung genügte eine einzige schwarze Kugel, und diese war jedes Mal von Seldon abgegeben worden; damit Sheridan in den Club komme, mußte bei der Abstimmung über dessen vierte Bewerbung der Prinz von Wales Seldon durch eine eigens angeknüpfte Conversation zurückhalten. In den hier geführten Gesprächen wurde viel Geist, in den hier gespielten Spielen sehr viel Geld verausgabt. Ohne gänzlich auf einen politischen Anstrich zu verzichten, ist „Brookes’“ heute eigentlich doch nur ein geduldetes Spielhaus.

„White’s“ stammt vom Cafétier White her, der im Jahre 1698 an derselben Stelle, an der das Clubhaus heute steht, ein Kaffeehaus errichtete; dasselbe verwandelte sich achtunddreißig Jahre später in einen von Tories frequentirten politischen Club, der unter Pitt, Dundas, Rose und Canning schöne Tage sah. Im Beginne unseres Jahrhunderts war der Club ungemein reich, sodaß er im Jahre 1814 dem Kaiser von Rußland, dem König von Preußen und den übrigen Verbündeten ein Bankett geben konnte, das zehntausend Pfund Sterling kostete, und drei Wochen darauf dem Herzog von Wellington zu Ehren ein ebenso glänzendes. Jetzt ist dieser Club nur noch durch seine guten Diners bemerkenswerth, und durch die Freundschaftlichkeit, mit der seine reichen, phlegmatischen, conservativen Subscribenten mit einander verkehren.

Wenden wir uns nun wieder zu der in England, namentlich London äußerst zahlreichen Classe der modernen Clubs, welche zum großen Theile wahrhaft aristokratische, aber auf Sparsamkeit berechnete Hauswirthschaften sind! Ihre Entstehung ist dem Militär zu verdanken. Die Officiere der englischen Armee hatten längst eingesehen, daß das Associationsprincip, auf die Tafel angewandt, große Vortheile biete. Als die Beendigung der anglo-französischen Kriege eine Herabsetzung des Heeresstandes nach sich zog, mußten die entlassenen Officiere die gemeinsamen Tafeln, zu denen sie sich vereinigt hatten, natürlich aufgegeben. Da es ihnen schwer fiel, mit ihrer schmalen Pension auszureichen, kamen sie auf den Gedanken, die gemeinsamen Tafeln auch im Civilleben zu führen. Verschiedene Besprechungen führten zur Gründung des ersten auf den nun allgemein verbreiteten Principien beruhenden Clubs: die alten Waffenbrüder kamen einstweilen in einem gemietheten Local zusammen, um gemeinschaftlich zu speisen und in gemüthlichem Geplauder militärische Erinnerungen auszutauschen. Da die Anreger wußten, daß auch viele Marine-Officiere sich in derselben geldknappen Lage befanden, zogen sie auch solche heran, und der Verein nahm demgemäß den Titel „United Service-Club“ an. Die Mitglieder schossen Geld zusammen behufs Erbauung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_327.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)