Seite:Die Gartenlaube (1880) 411.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


gewissen bänglichen Gefühles nicht erwehren konnte. Einige Oberfischermeister hatten sich begnügt, das räuberische Heer nur in ausgestopftem Zustande, in welchem es gewiß einem jeden Naturaliencabinet zu großer Zierde gereichen würde, zur Kenntniß zu bringen; andere Aussteller gingen aber weiter und zeigten, um zugleich die erprobteste Fangmethode vorzuführen, die gefräßigen Diebe in dem Augenblicke, wo ihnen das Eisen der Falle um Beine oder Hals schlägt.

Der grimmigste und unersättlichste Fischvertilger ist der Fischotter, welcher in einem Winter den wohlbesetztesten Teich vollständig auszuplündern vermag; ihm folgt in ebenbürtigster Weise der Fischreiher und ein kleiner Raubfischer, der zwar ein reizendes Gefieder hat, aber trotzdem nicht geschont werden darf: der Eisvogel. Indem wir von den verschiedenen Species der Seevögel, Möwen, Enten etc. absehen, nennen wir nur die actenmäßig festgestellte Beute, die M. v. d. Borne in dem kurzen Zeitraume von drei Jahren auf seinem inmitten Deutschlands gelegenen Grundstücke gemacht hat.

Es wurden gefangen: 45 Fischottern, 187 Reiher, 120 Eisvögel, 40 Taucher, 117 Bläßenten, 49 Raubvögel, 60 Grasenten, 5 Iltisse, 4 Füchse und 4 Kiebitze. Diese Angaben mögen zeigen, daß unsere Gewässer in viel höherem Maße bedroht sind, als wohl im Allgemeinen angenommen wird; wir verweisen deshalb auf die Firma J. Ravené Söhne in Berlin, welche nach Angabe des oben genannten Züchters Fallen für Fischfeinde anfertigt, desgleichen auf die Fabrik Pieper in Mörs, die außer den Geräthen eine illustrirte Broschüre: „Der Fang des Raubzeuges“, versendet.

Wenn es auch gelänge, die schädlichen Thiere von unseren Fischen fern zu halten, so gälte es doch noch, einen furchtbaren Feind zu besiegen; derselbe ist zwar ein Zeichen blühender Industrie und fleißigen Schaffens, aber auch tausendfacher Mörder der Wasserbewohner: wir meinen die Abflüsse aus Fabriken und volkreichen Orten. In richtiger Würdigung dieses Moments hat der König von Sachsen einen Ehrenpreis für die beste Lösung der Preisaufgabe bestimmt: „Genaue Darlegung eines für bestimmte, näher zu beschreibende Verhältnisse praktisch ausführbaren Planes beziehentlich Mittel, um die den natürlichen Wasserläufen und Gewässern zugeführten Abwässer der Fabriken und Auswürfe der Städte für den Fischbestand der gedachten Gewässer vollkommen unschädlich zu machen.“

Die internationale Fischerei-Ausstellung enthielt in Folge dieses Preisausschreibens einige recht bemerkenswerthe Modelle und Pläne; wir nennen die Arbeiten der Firma H. Alisch u. Comp. in Berlin und W. Knauer in Osmünde bei Halle. Das Verfahren des Letzteren hat sich bei einigen Fabriken praktisch bewährt und läßt die Möglichkeit erkennen, den verderblichsten aller Fischfeinde endgültig zu beseitigen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei planmäßigem Handeln und redlichem Willen der Behörden Gemeinden, Vereine und Privaten das große Ziel des deutschen Fischerei-Vereins erreicht werden wird, daß „an jeder Wassermühle ein Forellenbrutkasten“ zu finden und die Worte des Herrn von Behr-Schmoldow: „Ich strebe darnach, daß in jedes Wasserloch im deutschen Reiche der rechte Fisch gesetzt werde, um eine Massenproduction für die breiten Schichten des Volkes zu erzielen“, in Erfüllung gehen.

(Schluß folgt.)




Eine Deputation bei Heinrich von Gagern.[1]
Zur Erinnerung an einen Jüngstverblichenen.

Es war in der stürmischen Nacht nach dem 6. März 1848, als ein Eilbote nach dem entlegenen Waldstädtchen Büdingen, am südwestlichen Hange des Vogels-Gebirges, kam und eine freudig erschreckende Nachricht brachte. Wir Gymnasiasten erfuhren dieselbe früh in der Schule. Der Director Thudichum berief uns am Morgen, anstatt in die Classenzimmer, sogleich in die Aula des Gymnasiums und verkündete in tiefer Erregung die nächtlich gekommene Botschaft: Großherzog Ludwig der Zweite habe in einem Edict seinem Lande eine neue Verfassung mit dem Rechte der freien Versammlung, der freien Schrift und Rede zugesagt, den Thronfolger Ludwig (den Dritten) zum Mit-Regenten ernannt und [[ADB:Gagern, Heinrich Freiherr von{Heinrich von Gagern]], den Führer der ständischen Opposition, zu seinem Minister erkoren. Zum Gedenken dieses hochsinnigen Actes sollten wir heute mit der Bürgerschaft gemeinsam ein Fest feiern und den Cicero wie Horaz einmal bei ihren Vätern ruhen lassen.

Am Nachmittage versammelte sich die Bürgerschaft vor dem alten Rathhause; ein paar bestäubte Fahnen wurden vom Rathssaale herab geholt, auch ein Dutzend alte Gewehre mit Feuersteinschlössern, dazu zwei Napoleonische Trommeln, welche die Franzosen in der Schlacht bei Hanau verloren hatten. Mit diesen Emblemen geschmückt, sieben Mann Stadtmusik voran, zog die Bürgerschaft mit ihren Beisassen, den Gymnasiasten, zum Thore hinaus über den Seemen-Bach nach dem „Wildenstein“, einem riesigen Basalt-Fels, der als revolutionäres Gestein durch das zahme Sandstein-Sediment hindurch gebrochen war – ein würdiges Vorbild des revolutionären Actes, der hier geschehen sollte.

Der Director hielt eine Rede, in der er den Bürgern die große Bedeutung des Tages erklärte, die Verdienste des neuen Ministers um die Rechte des Volkes darlegte, wie er seit Jahren in Wort und Schrift die Freiheit erkämpfte, die uns jetzt durch den Fürsten verkündet wurde. Er schloß mit einem Hoch auf Heinrich von Gagern, den Führer des hessischen Volkes, der uns bald zu herrlichen, glorreichen Tagen führen werde. Die Musik intonirte, aus Mangel an einem anderen patriotischen Gesang: „Heil, Ludwig, lange Dir!“ und der ganze Chor der Alten und Jungen sang den Weihesang, der mit mächtigem Schall in das Thal ertönte. Die Musik und die älteren Bürger zogen alsdann nach Haus, die jüngeren Bürger und die Gymnasiasten blieben zu einer Nachfeier zurück. Ein Polytechniker aus Karlsruhe sprang auf den „Wildenstein“ und hielt eine feurige Rede, in der er die großen Thaten erzählte, die in den letzten Wochen zu Paris geschehen waren, und von der weitgehenden Erregung der Bevölkerung am linken und rechten Rheinufer berichtete, wie die ganze Pfalz und Rheinhessen, ganz Baden bis in den innersten Schwarzwald hinein in fieberhafter Gährung begriffen sei, wie man in Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg schon Volksversammlungen gehalten, die auf nichts Geringeres ausgingen, als auch diesseits des Rheines die Republik auszurufen. Er schloß mit einem Hoch auf die Führerin der europäischen Völker, die französische Republik!

Wir sangen die „Marseillaise“ und zogen triumphirend zum Städtchen hinein. Sofort ward eine Bürgerwehr gebildet, in die wir Gymnasiasten eintraten. Ein alter Officiersdegen, den mir meine Hauswirthin lieh, war meine Waffe; ein Anderer brachte einen langen Schleppsäbel, ein Dritter ein verborgen gehaltenes Rappier oder Schläger. Gewehre waren nur so viel vorhanden, wie die Wachen und Patrouillen brauchten; sie gingen leihweise von Schulter zu Schulter. Tag und Nacht wanderten wir durch die Straßen, um die alten Thore, durch den Park und die Weinberge und prüften, ob nichts sich zeige, was die Ruhe der Büdinger Bürgerschaft bedrohen könne. Denn die Rinderbücher, Düdelsheimer, Rohrbacher Bauern waren im Anzug, von dem Fürsten von Büdingen ihre Wald-, Hut-, Jagd- und Fischereirechte durch Deputationen zu verlangen und in Masse selber zu ertrotzen. Wir wollten ihnen dies nicht wehren; denn die Büdinger hatten selber von dem Fürsten diese Rechte erlangt, dazu auch das Recht auf Hochwild in und außer dem Park aus freier Entschließung sich angeeignet – mußten wir Gymnasiasten doch den ganzen Sommer von Hirsch- und Rehbraten leben! – nur sollten die Bauern eben ordnungsgemäß bei Tage kommen, und nicht, wie sie gedroht, das Städtlein nächtlicher Weile an vier Ecken anzünden.

Neben dieser allgemeinen Bürgerpflicht übten wir aber auch unsere besondere Gymnasiastenpflicht. Die Karlsruher und Stuttgarter Polytechniker, die Studenten von Heidelberg, Freiburg, Tübingen, Gießen, Marburg und München hielten Versammlungen und beriethen ihre Rechte. Wir, die wir lange schon Karl Heinzen's „Opposition“, Struve's „Deutschen Zuschauer“ und andere bei Gefängnißstrafe verbotene Zeitschriften gelesen, erkannten auch unsere Pflicht und beschlossen eine Adresse an den neuen Minister, den gloriosen Führer von Jung-Deutschland, von dem wir so viel Mannhaftes, Hochherziges und Ehrenfestes vernommen hatten. In die Schule gingen wir nicht mehr – das war der Beschluß des ersten Tages – wir hielten aber täglich Versammlungen zur Berathung der Adresse. Nach drei-, viertägigen Ausschußsitzungen und etlichen Plenarversammlungen kam die Adresse zu Stande. Eine Deputation von drei Primanern ward erwählt; sie sollte die Adresse eigenhändig dem Herrn von Gagern überbringen.

Die Deputation reiste ab. Eine Eisenbahn gab's noch nicht; die Post war zu theuer – Diäten wurden verschmäht; es war Ehrensache – so reiste die Deputation zu Fuß den ersten Tag bis Vilbel, zwei Stunden nördlich von Frankfurt, wo einer der Deputirten domicilirt war und die Genossen beherbergte. Am anderen Tage ging's zu Fuß weiter nach Frankfurt, um dann mit der Main-Neckar-Eisenbahn nach Darmstadt zu fahren.

Der ältere der drei Deputirten hatte sich, der höheren Festlichkeit wegen, in seines älteren Bruders Frack gesteckt; zwei lange spitze Zipfel reichten beinahe so weit hinab, wie die Hosen an den Stiefeln herauf gingen. Eine grüne Studentenkappe, eine mächtige Pfeife mit langem

  1. Die Gestalt des Präsidenten der deutschen Nationalversammlung von 1848 gehört der Geschichte einer Zeit an, über die wir unsere Leser kaum mehr genauer zu orientiren brauchen. Die populärste Persönlichkeit des großen Bewegungsjahres und in den ersten fünfziger Jahren noch ein vielgenannter Mann, war Heinrich von Gagern schon den nächsten Generationen ein nahezu Vergessener, und erst die Kunde von seinem vor wenigen Wochen erfolgten Tode frischt im Gedächtniß der Nation das Bild dieses Kämpfers auf, den seine Partei nicht mit Unrecht den „Edlen“ nannte. So durfte auch obige heitere Episode aus dem Leben Gagern's heute nicht zur Unzeit kommen.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_411.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)