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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

„De holle Eek“ (die hohle Eiche) im Hasbruch.
Nach einer Skizze von F. Lindner.

Kirchenfenster, ein gedämpfter warmer Lichtstrahl der die tiefen Schatten daneben nur noch heimlicher erscheinen läßt, ja auf vielen Strecken erreicht der scharfe Wechsel zwischen Dunkelheit und Licht einen solchen Grad, daß man buchstäblich bei hellem Tage Mondscheineffecte vor sich hat.

Wesentlich tragen zu der absonderlichen Beleuchtung des Hasbruch die Hain- oder Kopfbuchen bei, die sich allenthalben, um die Eichen geschaart oder für sich einen kleinen Hain bildend, vorfinden; sie verdanken ihre wunderlichen Formen zum nicht geringen Theil – Napoleon dem Ersten. Die Sache ist ganz einfach: während der napoleonischen Invasion hatte allmählich jede Forstverwaltung aufgehört, und die Landleute in der Nähe des Waldes machten sich das zu Nutze, da sie aber den alten Riesen nicht gut beikommen konnten, hielten sie sich an die Hainbuchen. Diese haben bekanntlich die Eigenschaft, je mehr sie oben abgehauen werden, desto mehr vielgestaltige Triebe anzusetzen, und so finden wir hier eine phantastische Gesellschaft voll der eigenthümlichsten, oft ganz gespenstischen Formen beisammen: hier einen Candelaber, auf dem die neuen Schößlinge wie Kerzen aufsitzen, dort ein vielköpfiges Ungeheuer, das wie zum Sprunge geduckt am Boden hinkriecht, dann wieder einen hochgereckten Stamm, der drohend einen langen Arm mit geballter Faust hinausstreckt oder drei, vier Arme über dem Kopfe zusammenschlägt, Drachen, fabelhafte Wesen, dazu die Stämme und Aeste zum Theil mit Epheu und Moos bedeckt oder durch breite Risse gespalten.

Auf der westlichen Seite des Hasbruch hat, wie bei allen niederdeutschen großen und kleinen Wäldern, der Nordweststurm gehaust und einen Windbruch von großartiger Romantik hervorgebracht. Gleich im Anfang treffen wir auf eine unter einem durchbrechenden Sonnenstrahle magisch schimmernde umgebrochene Hainbuche, die, mitten aus einander gespalten, mit der einen morschen Hälfte aufrecht steht, mit der andern am Boden liegt, wo sie zwischen Stechpalmen fortgrünt; weiterhin ist der Sturm Sieger über einen jener Riesen geblieben, der im Sturze das ganze Terrain mit allem, was an Büschen und Bäumchen daraufstand, rings um sich mit herausgerissen hat: da und dort liegen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_424.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)